Projekt PrimACrop

Das pflanzliche Immunsystem mit Naturstoffen aktivieren

05.12.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mit Cercospora (ein Blattpilz) infizierte Zuckerrübenblätter. Die sogenannte Blattfleckenkrankheit kann im Extremfall den Ertrag um 50 Prozent mindern. Priming soll in Zukunft hier den chemischen Pflanzenschutz ersetzten. (Bildquelle: © Arbeitsgruppe Conrath, RWTH Aachen University)

Mit Cercospora (ein Blattpilz) infizierte Zuckerrübenblätter. Die sogenannte Blattfleckenkrankheit kann im Extremfall den Ertrag um 50 Prozent mindern. Priming soll in Zukunft hier den chemischen Pflanzenschutz ersetzten. (Bildquelle: © Arbeitsgruppe Conrath, RWTH Aachen University)

Auch Pflanzen haben ein Immunsystem und dieses lässt sich auf Angriffe vorbereiten. Durch solch ein „Priming“ können sich die Pflanzen effektiver gegen Krankheiten und Schädlinge verteidigen. Im Projekt PrimACrop sollen neue Naturstoffe identifiziert werden, die sich für „Priming“ eignen. Das könnte den Einsatz von synthetischen Pestiziden reduzieren.

Konventionelle Pflanzenschutzmittel sind oft schlecht für die Umwelt, die Biodiversität und die Menschen selbst. Viele der giftigen Substanzen unterscheiden nicht zwischen Schädlingen und Nützlingen, sondern töten alle Insekten, Pilze und Oomyceten. Der Europäische Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie der EU verlangen, dass der Einsatz dieser konventionellen Pestizide limitiert wird. 

Doch wenn wir die Erträge auf unseren Äckern beibehalten wollen, wird es ohne Pflanzenschutzmittel nicht gehen.

Hier kommt das Projekt PrimACrop ins Spiel. „Wir suchen nach naturnahen Substanzen, die nicht als Gift wirken, sondern das Immunsystem der Pflanzen auf Angriffe vorbereiten“, erklärt Prof. Uwe Conrath von der RWTH Aachen.

Die Projektpartner und das übergeordnete Ziel

Kurz- und mittelfristig sollen Substanzen identifiziert werden, die sich für den nachhaltigen Pflanzenschutz eignen.

Das langfristige Ziel ist, gemeinsam mit Partnern aus der freien Wirtschaft neue Produkte für den umweltfreundlichen und nachhaltigen Pflanzenschutz zu entwickeln und zu vermarkten.

Das Vorgehen

Es gibt zahlreiche Pilze, die Insekten infizieren und abtöten können. Diese entomopathogenen Pilze produzieren Stoffe, welche das Immunsystem von Pflanzen auf einen Schädlingsbefall vorbereiten können. Gemeinsam mit Partnern aus Thailand suchen die Wissenschaftler:innen von der RWTH Aachen nach neuen Naturstoffen, die sich für die Aktivierung des Primings eignen.

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Petersilienzellen werden zuerst mit einem Naturstoff geprimed. Dann wird der Angriff durch einen Schädling simuliert. Die Zellen geben daraufhin fluoreszierende Abwehrstoffe ins Nährmedium ab.

Petersilienzellen werden zuerst mit einem Naturstoff geprimed. Dann wird der Angriff durch einen Schädling simuliert. Die Zellen geben daraufhin fluoreszierende Abwehrstoffe ins Nährmedium ab.

Bildquelle: © Arbeitsgruppe Conrath, RWTH Aachen University

In Thailand gibt es zahlreiche entomopathogene Pilze, die hierzulande nicht vorkommen. Die Aufgabe der thailändischen Kooperationspartner ist es daher, die Organismen zu sammeln und zu kultivieren, vielversprechende Substanzen zu identifizieren und sie in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen.

„Das Extrahieren neuer Stoffe und die Zurverfügungstellung ausreichender Mengen für eingehende Untersuchungen ihrer Wirkung ist zurzeit der Flaschenhals“, erklärt Dr. Patrick Schwinges von der RWTH Aachen, der das Projekt PrimACrop leitet. „Teilweise erhalten wir nur wenige Milligramm einer Reinsubstanz.“

Um zu testen, ob die Naturstoffe wirken, nutzt das Team in Aachen zuerst eine Zellkultur aus Petersilienzellen. In diese wird der Naturstoff gegeben. Nach 24 Stunden wird ein Peptid hinzugefügt, dass den Kontakt mit einem Erreger simuliert. Als Reaktion darauf geben die Zellen antimikrobielle Abwehrstoffe ins Medium ab, Cumarine genannt. Diese fluoreszieren im UV-Licht, lassen sich also leicht messen. Wenn eine starke Abwehrreaktion sichtbar wird, dann zeigt das, dass der Naturstoff die Pflanzenzellen auf den Angriff vorbereitet („geprimt“) hat. „Das ist das, was wir uns wünschen“, sagt Uwe Conrath.

Unter den mehr als 80 getesteten Substanzen waren einige vielversprechende „Hits“ dabei, deren Wirkung und Wirkmechanismus nun weiter aufgeklärt werden.

Ausblick

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Die Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) überträgt die bakterielle Zuckerrübenkrankheit "SBR" (Syndrome Basses Richesses – Syndrom der niedrigen Zuckergehalte). Hier drohen Ernteausfälle von bis zu 50 Prozent.

Die Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) überträgt die bakterielle Zuckerrübenkrankheit "SBR" (Syndrome Basses Richesses – Syndrom der niedrigen Zuckergehalte). Hier drohen Ernteausfälle von bis zu 50 Prozent.

Bildquelle: © Michael F. Schönitzer / Wikipedia, CC BY-SA 4.0

Im nächsten Schritt sollen die in der Zellkultur identifizierten Naturstoffe auch an Nutzpflanzen getestet werden. Besonders dringlich ist die Situation auf den Zuckerrüben-Feldern. Hier verbreitet sich zunehmend die Schilfglasflügelzikade, die das phytopathogene Bakterium Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus überträgt. Der Zikadenbefall führt dazu, dass die Pflanzen nur noch wenig Zucker bilden. Weil die Krankheit zuerst in Frankreich beschrieben worden ist, spricht man auch vom „Syndrome des Basses Richesses“ (SBR). Früher bekämpfte man diese Schädlinge mit Neonikotinoiden. Doch wegen ihrer schädlichen Wirkung auf Bienen und andere Nützlinge sind viele Neonikotinoide in der EU inzwischen verboten.

Landwirtinnen und Landwirte suchen also händeringend nach Alternativen, mit denen sie ihre Zuckerrübenfelder vor der Schilfglasflügelzikade schützen können. „Ich würde gern 2024 mit Feldversuchen starten, aber das ist auch abhängig von der Produktion und Verfügbarkeit der Naturstoffe“, sagt Patrick Schwinges.


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Titelbild: Mit Cercospora (ein Blattpilz) infizierte Zuckerrübenblätter. Die sogenannte Blattfleckenkrankheit kann im Extremfall den Ertrag um 50 Prozent mindern. Priming soll in Zukunft hier den chemischen Pflanzenschutz ersetzten. (Bildquelle: © Patrick Schwinges)