Neuer Sensor entdeckt

Wie Pflanzen Salzstress messen und meistern können

09.09.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Hohe Salzkonzentrationen in Böden verursachen bei Pflanzen zunehmend Salzstress. (Bildquelle: © iStock.com/ Nuttaya99)

Hohe Salzkonzentrationen in Böden verursachen bei Pflanzen zunehmend Salzstress. (Bildquelle: © iStock.com/ Nuttaya99)

Erhöhte Salzkonzentrationen können für Pflanzen stressig sein. Nun hat eine Studie aufgedeckt, wie Pflanzen die Stressintensität über die Wurzeln messen und Gegenmaßnahmen einleiten können. Darüber hinaus liefert sie einen neuen Ansatzpunkt für die Züchtung salztoleranter Nutzpflanzen.

Spezialisierte Salzpflanzen haben sich an extrem hohe Salzkonzentration erfolgreich angepasst. So können sie beispielsweise in Küstenregionen wachsen, die konstant mit salzigem Meerwasser überflutet werden. Doch sind sie die Ausnahme – für die meisten Pflanzen ist ein hoher Gehalt an Natriumsalzen im Boden schädlich, wenn nicht sogar tödlich. Doch leider wird Bodenversalzung in der Landwirtschaft immer mehr zum Problem (Siehe: Schon gewusst? Unsere Böden versalzen). Salztolerante Nutzpflanzen sind daher ein wichtiges Züchtungsziel. Dafür muss jedoch erst verstanden werden, wie genau Pflanzen auf Salzstress reagieren. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster konnte nun ein neues Puzzleteil aufdecken.

SOS bei Salzstress

Man weiß bereits, dass Pflanzenwurzeln auf eine erhöhte Konzentration an Natriumionen (Na+) mit Calcium-Signalen (Ca²+) reagieren. Es ist quasi ein SOS-Signal, um Entgiftungsreaktionen einzuleiten. Dabei werden die überschüssigen Natriumionen aus den Zellen befördert. Der molekulare Steuerungsmechanismus wird daher auch SOS-Signalweg genannt.

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Als unmittelbare Reaktion auf erhöhte Salz-Konzentrationen steigt die Calcium-Konzentration im Cytosol einer spezifischen Gruppe von Zellen innerhalb einer Minute. Farblegende: Rot = höchste Konzentration, gelb, grün, blau.

Als unmittelbare Reaktion auf erhöhte Salz-Konzentrationen steigt die Calcium-Konzentration im Cytosol einer spezifischen Gruppe von Zellen innerhalb einer Minute. Farblegende: Rot = höchste Konzentration, gelb, grün, blau.

Bildquelle: © AG Kudla

Das Team um Professor Jörg Kudla vom Institut für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen der WWU fand in Experimenten mit der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) nun heraus, dass die primären Calcium-Signale nur von einer speziellen Zellgruppe in der Differenzierungszone der Wurzel ausgesendet werden. Sie dienen damit als „Detektoren“, die erhöhte Natriumkonzentrationen aufspüren. Die Zellgruppe umfasst nur ein paar Hundert Zellen. Darüber hinaus ist die Zellgruppe unter dem Mikroskop nicht erkennbar. „Wir können sie nur funktionell durch hochauflösende Biosensorik von den anderen Zellen unterscheiden“, beschreibt Studienleiter Kudla.

Ein weiterer Fund: Nimmt der Salzstress zu, so wird auch das Calcium-Signal stärker. Die Pflanze kann also sie Stressintensität messen. Doch kann die Pflanze diese Signale auch richtig deuten?

Neu entdecktes Protein trägt zur Salztoleranz bei

Ja, mit „Calcium-Sensoren“. Das übernehmen sogenannte CBL-Proteine (Calcineurin B-like), die an Calcium binden können. Das Team entdeckte bei den Untersuchungen ein neues CBL-Protein, dass für die Anpassung an Salzstress bedeutend ist: CBL8. Mutanten ohne funktionsfähiges CBL8-Protein zeigten jedoch nur bei starkem Salzstress Wachstumseinschränkungen. Die neue Erkenntnis daraus: CBL8 fungiert als zellulärer Schaltermechanismus, der bei hohem Salzstress die Effizienz des SOS-Signalwegs verbessert.

Nicht in Getreide vorhanden

Die Erforschung des neuen CBL-Proteins liefert nun auch für die Pflanzenzüchtung wichtige Ergebnisse. Einkeimblättrige Pflanzen, zu denen alle Getreidearten gehören, besitzen kein CBL8-Protein. Ihnen fehlt also der Schaltermechanismus, um bei starkem Stress besser gegenzusteuern. In zweikeimblättrigen Pflanzen hingegen fand früh in der Evolution eine Genduplikation statt, durch die CBL8 entstand. „Ein interessanter Ansatz ist es daher, das CBL8-Protein in die Einkeimblättrigen einzuführen, damit sich auch diese Pflanzen besser an Salzstress anpassen“, sagt Kudla.


Quelle:
Steinhorst, L. et al. (2022): A Ca2+-sensor switch for tolerance to elevated salt stress in Arabidopsis. In: Developmental Cell, (24. August 2022), doi: 10.1016/j.devcel.2022.08.001.

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Titelbild: Hohe Salzkonzentrationen in Böden verursachen bei Pflanzen zunehmend Salzstress. (Bildquelle: © iStock.com/ Nuttaya99)