Zwei Pfade für Calcium
Entscheidung zwischen Wachstum und Immunantwort
Zu viel Calcium ist für Zellen giftig. Gleichzeitig ist das Molekül ein wichtiger Signalgeber im pflanzlichen Immunsystem. Es ist für Pflanzen daher wichtig, die Calcium-Werte in Balance zu halten. Neue Erkenntnisse zeigen jetzt, was dabei in den Zellen vor sich geht.
Die meisten Nährstoffe kommen in unseren Böden nur in sehr begrenzten Menge vor. Calcium bildet die Ausnahme. Es ist etwa zehntausend Mal stärker im Boden konzentriert als Pflanzen es in ihrem Zellplasma tolerieren können. Weil zu viel Calcium für Pflanzen giftig ist und ihr Wachstum hemmt, gibt es Transporter, die Calcium aus dem Zellplasma heraus in die Vakuole transportieren – dort richtet es keinen Schaden mehr an.
Calcium ist jedoch nicht nur störend, es hat auch eine wichtige Aufgabe als Signalgeber im pflanzlichen Immunsystem und dient beispielsweise dazu, bei einer bakteriellen Infektion die Verteidigungsmechanismen hochzufahren. In so einem Fall wenden die Pflanzen ihre Energie nicht mehr primär für Wachstum, sondern für Verteidigung auf.
Der richtige Calcium-Pegel ist wichtig
Bisher ist nur schlecht verstanden, wie genau Pflanzen ihre Calcium-Homöostase regulieren und damit Wachstum und Immunität beeinflussen. Ein Forschungsteam um Sheng Luan von der Universität California (USA) hat jetzt zwei neue Signalwege aufgedeckt, die beide die Aktivierung von vakuolären Ca2+/H+-Transportern (CAX) regulieren, um überschüssiges Calcium aus dem Zellplasma zu beseitigen.
Es gibt mehrere dieser CAX-Transporter. An der Calcium-Homöostase beteiligt sind vor allem CAX-1 und CAX3. Im Grundzustand sind diese Proteine inaktiv. Werden sie jedoch von Kinasen an ihrem Serin-Cluster phosphoryliert, werden sie aktiv und „schaufeln“ Calcium aus dem Zellplasma in die Vakuole.
Hohe Calciumpegel und Pathogene aktivieren CAX
Einer der beiden Signalwege nutzt dazu einen Komplex der Proteine CBL (Calcineurin B-ähnliche Ca2+-Sensoren) und CIPKs (CBL-interagierende Proteinkinasen). Er wird immer dann angeworfen, wenn die Pflanzen in einer calciumreichen Umgebung wachsen – also auch in normalen Böden.
Der zweite Mechanismus wird nicht durch Calcium, sondern durch die Anwesenheit von Bakterien ausgelöst, die sich durch bestimmte Proteinstrukturen verraten, wie zum Beispiel Flagellin. Gibt man flg22 (ein Peptid aus dem bakteriellen Flagellin) in die Nährlösung der Pflanzen, so wird CAX1/3 schnell phosphoryliert – vermittelt durch den Immunrezeptor-Komplex aus den Proteinen FLS2 (ein Flagellin-Rezeptor) und dem Corezeptor BAK1 sowie den cytoplasmatischen Kinasen BIK1 und PBL1.
Die Kinasen BIK1 und PBL1 haben hier eine doppelte Rolle, denn sie aktivieren auch Kanäle, die Calcium-Ionen in das Cytoplasma einströmen lassen. Durch die parallele Aktivierung der CAX1/3-vermittelte Ca2+-Entfernung aus dem Cytoplasma stellen sie eine optimale Calciumkonzentration als Immunsignal in der Zelle ein.
Ihre Experimente führten sie an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana durch. Die Ergebnisse sind jedoch auch auf andere Pflanzen übertragbar, da viele der beteiligten Proteine bei den Angiospermen hochkonserviert sind.
Salicylsäure vermittelt die Immunantwort
Mutanten ohne CAX1/3 zeigten in normalen Böden oder Nährmedien mit moderaten Calcium-Konzentrationen die gleichen Merkmale wie Wildtyp-Pflanzen, die unter extremen Calcium-Konzentrationen leben müssen: sie wuchsen schlechter, produzierten mehr Salicylsäure und stellten ihren Stoffwechsel um in Richtung Verteidigung. Wuchsen die cax-1-cax-3-Mutanten hingegen in einer Calcium-armen Nährlösung heran, waren sie von den Wildtyp-Pflanzen nicht zu unterscheiden.
Verantwortlich dafür ist die als Reaktion auf den erhöhten Calcium-Pegel gebildete Salicylsäure. Salicylsäure ist ein pflanzliches Hormon, das als Signalgeber eine zentrale Rolle bei der Abwehr von Pathogenen einnimmt. Das konnten die Forscher in einem weiteren Experiment zeigen. Sie kreuzten die cax-1-cax-3-Mutanten mit unterschiedlichen Mutanten, die Probleme bei der Herstellung oder Signalweiterleitung von Salicylsäure hatten. Obwohl die Mutanten weiterhin erhöhte Calciumspiegel aufwiesen, glichen sie phänotypisch den Wildtyp-Pflanzen. Ohne Salicylsäure „verpufft“ die Verteidigungsreaktion also.
Die Ergebnisse sind wichtig, um besser zu verstehen, wie Pflanzen ihre Energie zwischen Wachstum und Verteidigung aufteilen. Nun kennt man einen weiteren Puzzlestein für dieses molekulare Wechselspiel.
Quelle:
Wang, C., Tang, RJ., Kou, S. et al. Mechanisms of calcium homeostasis orchestrate plant growth and immunity. Nature 627, 382–388 (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07100-0
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Titelbild: Pflanzen haben begrenzte Ressourcen und müssen sich entscheiden, wie sie diese am besten aufteilen. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Signalmolekül Calcium. (Bildquelle: © Jürgen / Pixabay)