Schon gewusst? Dornen gegen das Verspeisen

Wie sich Wasserflöhe gegen fleischfressende Pflanzen wehren

22.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

An den Stolonen (Sprossen) der Utricularia wachsen die Fangblasen. (Bildquelle: © RUB, Marquard)

An den Stolonen (Sprossen) der Utricularia wachsen die Fangblasen. (Bildquelle: © RUB, Marquard)

Wasserflöhe können sich gegen die Angriffe einer fleischfressenden Wasserpflanze verteidigen. Wissenschaftler:innen konnten zeigen, dass Anpassungen ihrer Physis und ihres Verhaltens die Überlebenschancen der Tiere steigern.

Zwischen der fleischfressenden Wasserpflanze Utricularia, auch Wasserschlauch genannt, und Wasserflöhen (Ceriodaphnia dubia) sind die Rollen klar verteilt: Utricularia ist der Räuber, die kleinen Wassertierchen sind die Beute. Doch eine neue Studie zeigt, dass die Wasserflöhe nicht wehrlos sind. 

Wasserpflanzen sind geschickte Räuber

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Eine Fangblase der Utricularia.

Eine Fangblase der Utricularia.

Bildquelle: © Martin Horstmann

Da Utricularia keine Wurzeln besitzen, versorgen sich die Pflanzen mit den notwendigen Nährstoffen, indem sie kleine Beutetiere und pflanzliche Nahrung wie Algen fressen. Dafür nutzen die Pflanzen ihre effizienten Fangblasen, von denen Hunderte bis Tausende an ihren Stolonen (Sprossen) wachsen.

Diese öffnen sich schlagartig, wenn ein Beutetier ihre feinen Borsten berührt. Dadurch entsteht ein Sog, der die Beute in die Falle zieht. Dort beginnt dann der Verdauungsprozess. Schon 15 bis 30 Minuten später ist die Falle bereit für den nächsten Fang.

Wasserflöhe können Körper und Verhalten anpassen

Forscher:innen der Universitäten Bochum, Freiburg und Darmstadt haben untersucht, wie Wasserflöhe den Fangblasen entkommen. Dafür entnahmen sie einzelne Tiere aus Gewässern, in denen auch Utricularia wächst, und vermehrten sie. Da Wasserflöhe sich eingeschlechtlich fortpflanzen (Parthenogenese), konnte eine Linie genetisch identischer Klone kultiviert werden.

Für den Versuch wurden diese Tiere gemeinsam, aber durch ein Gitter getrennt, mit den Wasserpflanzen gehalten. So wurden sie nicht gefressen, spürten aber die Existenz der Pflanzen. Als Kontrollgruppe dienten Tiere, die isoliert von den Pflanzen gehalten wurden.

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Der Wasserschlauch (Utricularia) ist eine fleischfressende Pflanze, die ihre Beute mit Saugfallen fängt. Das Video zeigt, wie eine Saugfalle verschiedene kleine Wassertiere einfängt.

Videoquelle: © Plant Biomechanics Group Freiburg

Das Ergebnis: Wenn Wasserflöhe ihre Fressfeinde wahrnehmen, ändern sich Körperbau und Verhalten. Tiere der ersten Gruppe waren kleiner, dünner und bildeten längere, dornenartige Fortsätze an ihrem Panzer aus. Zudem schwammen sie langsamer und mieden die Wasserpflanzen. Für Studienautor Dr. Sebastian Kruppert zeigt das, „dass die sonst genetisch identischen Tiere Verteidigungen nur aktivieren, wenn sie diese brauchen, weil sie mit den Pflanzen aufwachsen.“

Angepasste Flöhe leben länger

Und tatsächlich: Die Überlebenschancen der angepassten Wasserflöhe sind höher. „Wir gehen davon aus, dass die Fortsätze die Wasserflöhe breiter machen als den Durchmesser der Saugfalleneingänge“, erklärt Co-Autor Dr. Martin Horstmann. So fallen kleinere Fallen als Gefahrenquelle weg. Zudem lösen langsam schwimmende Tiere die Fallen wahrscheinlich seltener aus und deren Sog hat einen geringeren Effekt auf schlankere Körper. Das macht die kleinen Tiere zu etwas ganz Besonderem: „Uns war zuvor kein anderer Fall bekannt, in dem sich Tiere gegen Angriffe von Pflanzen verteidigen können“, betont Co-Autor Professor Ralph Tollrian.


Quelle:
Kruppert, S. et al. (2022): Facing the green threat: A water flea’s defenses against a carnivorous plant. In: International Journal of Molecular Sciences, 23(12), 6474, ( 9. Juni 2022), doi: 10.3390/ijms23126474.

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Titelbild: An den Stolonen (Sprossen) der Utricularia wachsen die Fangblasen. (Bildquelle: © RUB, Marquard)