Schon gewusst? Gentechnik kann ein Öko-Werkzeug sein

Wie die Amerikanische Kastanie gerettet werden soll

23.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blätter und Früchte der Amerikanischen Kastanie (Bildquelle: © Timothy Van Vliet / Wikipedia / CC BY-SA 3.0)

Blätter und Früchte der Amerikanischen Kastanie (Bildquelle: © Timothy Van Vliet / Wikipedia / CC BY-SA 3.0)

Eine ökologische Katastrophe hat in Nordamerika stattgefunden: Nahezu die gesamte Population der Amerikanischen Kastanie fiel einem Pilz zum Opfer, der mit der Chinesischen Zierkastanie eingeschleppt wurde - der Rindenkrebs. Zur Rettung der einheimischen Kastanie testet die Stiftung „The American Chestnut Foundation“ verschiedene Optionen: eine davon ist Gentechnik. Transgene Kastanien mit einem fremden Oxalatoxidase-Gen sind gegenüber dem Pilz tolerant.

Die Amerikanische Kastanie (Castanea dentata) dominierte einst die Wälder im Osten der USA – von Maine bis Mississippi. Der bis zu 45 Meter hohe Baum war ein zentraler Teil des dortigen Ökosystems: Er schützte mit seiner bis zu 30 Meter breiten Krone die übrige Vegetation vor Austrocknung, fixierte große Mengen an Kohlendioxid und seine Früchte waren Nahrungsgrundlage für etliche Wildtiere wie Hirsche, Truthähne oder Bären. Auch der Mensch profitierte von diesem Nahrungsangebot sowie vom wertvollen Hartholz des Baumes, aus dem Möbel gefertigt und Baumaterial hergestellt wurde.

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Die Amerikanische Kastanie - heute eine Seltenheit in den Wäldern Nordamerikas.

Die Amerikanische Kastanie - heute eine Seltenheit in den Wäldern Nordamerikas.

Bildquelle: © Jean-Pol GRANDMONT / Wikimedia, CC BY-SA 3

Doch diese Zeiten sind längst vorbei: Anfang des 20. Jahrhunderts kam der Rindenkrebs (Cryphonectria parasitica) nach Nordamerika. Eingeschleppt wurde der auf Kastanien parasitierende Schlauchpilz mit der Chinesischen Zierkastanie. Innerhalb weniger Jahrzehnte löschte der Pilz fast die gesamte Population der Amerikanischen Kastanie aus, schätzungsweise 3,5 Milliarden Bäume.

Pilzresistente Bäume als Lösung

Um ein intaktes Ökosystem wiederherzustellen, soll die Amerikanische Kastanie eine zweite Chance bekommen - durch die Züchtung von pilzresistenten Exemplaren. Das ist das Ziel der „The American Chestnut Foundation“ (TACF). Diese Stiftung arbeitet für dieses Ziel mit Wissenschaftlern der State University of New York zusammen.

Dabei verfolgen die Wissenschaftler gleich mehrere Optionen. Eine davon hat sich bereits als sehr vielversprechend erwiesen – die Herstellung von gentechnisch veränderten Bäumen, die ein „Schutzgen“ gegen den Schaderreger enthalten. Doch wohlwissend, dass transgene Bäume vielleicht nicht ohne weiteres eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung haben, werden auch andere Möglichkeiten überprüft: Die Suche nach natürlicherweise resistenten Baumexemplaren und eine Kreuzung der Amerikanischen Kastanie mit der widerstandsfähigen Chinesischen Kastanie.

Welcher Ansatz ist am erfolgversprechendsten?

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Frischer Befall mit dem Kastanienrindenkrebs. Die Geschwüre werden durch das vom Pilz produzierte Oxalat ausgelöst.

Frischer Befall mit dem Kastanienrindenkrebs. Die Geschwüre werden durch das vom Pilz produzierte Oxalat ausgelöst.

Bildquelle: © Wikipedia, gemeinfrei

Die Suche nach natürlicherweise resistenten Exemplaren unter den überlebenden Kastanienbäumen war bislang nicht erfolgreich. Dafür gibt es auch einen Grund: Mit dem Ausbruch der Infektionswelle wurden nicht nur infizierte Bäume gefällt, sondern im großen Stil auch viele gesunde Exemplare im Umfeld. Damit sollte die Ausbreitung der Krankheit gestoppt oder zumindest verlangsamt werden. Gelungen ist das nicht. Ein Nebeneffekt: Die Zahl der noch vorhandenen Kastanienbäume reduzierte sich drastisch und damit auch die genetische Vielfalt in der überlebenden Population. Das senkt drastisch die Chance, Bäumen mit einer natürlichen Resistenz noch ausfindig zu machen.

Die Kreuzung mit der gegen den Pilz weitgehend resistenten chinesischen Kastanienvariante führte ebenfalls bislang nicht zum erhofften Ziel. Nach einer Kreuzung entstehen zunächst Hybride, die zu 50 Prozent Gene der Chinesischen Kastanie enthalten. Um möglichst wieder den „genetischen Urzustand“ der Amerikanischen Kastanie herzustellen, sind dann eine Vielzahl von Rückkreuzungen mit der Amerikanischen Kastanie nötig, ohne aber dabei die Resistenz wieder zu verlieren. Abgesehen davon, dass die vielen Rückkreuzungsschritte Jahrzehnte benötigen, sind die bisher vorliegenden Ergebnissen ernüchternd: Nur bis zu 70 Prozent des amerikanischen Kastaniengenoms können so rekonstruiert werden konnte, ohne die Pilzresistenz einzubüßen. Solche Bäume wären damit keine „echten“ Amerikanischen Kastanien und ihr ökologischer Wert fraglich.

Beim gentechnischen Ansatz sieht das schon anders aus. Mittlerweile gibt es transgene und widerstandsfähige Kastanienbäume, die lediglich ein Fremdgen erhalten und somit der ursprünglichen Wildform der Kastanie genetisch fast vollständig gleichen.

Eine Oxalatoxidase macht den Unterschied

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Projektvideo (in Englisch): American Chestnut Research

Videoquelle: © The American Chestnut Foundation, 2018

Darling 58 heißt die transgene Kastanienlinie, die dem Pilz trotzen kann - benannt nach Herb Darling, dem Gründer des New Yorker Zweigs der TACF. Die Wissenschaftler:innen der State University of New York haben diese Pflanze hergestellt, die ein aus Weizen stammendes Oxalatoxidasegen (Oxo-Gen) enthält. Das entsprechende Protein kann das vom Pilz produzierte Oxalat – der Auslöser der tödlichen Krebsgeschwüre bei den Kastanien – zu Kohlendioxid und Wasserstoffperoxid abbauen. Der Pilz kann zwar weiterhin den Baum befallen, wird ihm aber durch die Neutralisierung des Oxalats nicht mehr gefährlich.

Sicherheitsbewertung und Zulassung

Die Forscher der State University of New York haben zahlreiche Versuche durchgeführt, um die Sicherheit dieses Gens in der natürlichen Umgebung der Amerikanischen Kastanie zu bestätigen. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass die Einfügung des OxO-Gens außer der Erhöhung der Pilz-Toleranz keine signifikanten ökologischen Auswirkungen hat. Auch für die menschliche Gesundheit hat das Einfügen des OxO-Gens keine negativen Folgen, da dieses Gen von Natur aus in vielen Nahrungspflanzen vorkommt und nicht allergen ist. 

Drei US-Bundesbehörden (USDA, EPA und FDA) führen zurzeit eine detaillierte Bewertung der potenziellen Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen dieser transgenen Linien durch. Erst nach einer Bundesgenehmigung könnten die transgenen Bäume genutzt werden, um die amerikanischen Kastanienwälder wieder aufzubauen.

Falls es dazu kommt: Die Forscher:innen haben auch daran gedacht, eine möglichst hohe genetische Diversität in der zukünftigen Kastanienpopulation aufzubauen. Dazu stehen über Tausend konservierte Wildkastanienbäume zur Verfügung, die mit der transgenen Linie gekreuzt werden sollen.