Schon gewusst? Hummel beißt Pflanze

So beschleunigen die Insekten die Blütenbildung ihrer Wirtspflanzen

21.09.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wenn Hummeln zu wenig Pollen finden, stechen sie die Blätter von nicht-blühenden Pflanzen an, um diese zu einer schnelleren Blütenbildung zu zwingen. (Bildquelle: © Hannier Pulido / ETH Zürich)

Wenn Hummeln zu wenig Pollen finden, stechen sie die Blätter von nicht-blühenden Pflanzen an, um diese zu einer schnelleren Blütenbildung zu zwingen. (Bildquelle: © Hannier Pulido / ETH Zürich)

Wenn der Pollen auszugehen droht, werden Hummeln rabiat: Die hungrigen Tiere knabbern dann an Pflanzenblättern. Die malträtierten Pflanzen bilden daraufhin schneller Blüten – und so kommen die Hummeln wieder an frischen Pollen.

Zu dieser erstaunlichen Erkenntnis gelangten Forscher:innen der ETH Zürich eher zufällig. Bei Experimenten im Gewächshaus beobachteten sie, dass einige Hummeln sich an den Blättern ihrer Versuchspflanzen zu schaffen machten – sie bissen mit ihren Mundwerkzeugen Löcher in die Blätter.

Blütenbildung bis zu 30 Tage früher

Bei genauerem Hinsehen fiel auf, dass sie das nur bei Pflanzen machten, die noch keine Blüten gebildet hatten. Dieses Phänomen untersuchten die Wissenschaftler:innen nun genauer: ebenfalls im Gewächshaus und bei Freilandexperimenten.

Bei den Gewächshausstudien bestätigte sich, dass die Hummeln umso öfter die Blätter ihrer Wirtspflanzen perforieren, je geringer das Angebot an Blüten und an den darin enthaltenen Pollen war. Und die Bisse der Insekten beschleunigten die Blütenbildung enorm. Tomatenpflanzen blühten bis zu 30 Tage früher, Senfpflanzen immerhin noch bis zu 14 Tage.

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Das Video fasst die Ergebnisse der Forschergruppe der ETH Zürich zusammen.

Videoquelle: © ETH Zürich

Hummeln effektiver als Forscher:innen

Die nächste Frage stand im Raum: Sind es einfach nur die Verletzungen der Blätter, die die Pflanzen zur Blütenbildung antreiben? Dazu führten die Forscher:innen ein weiteres Experiment durch: Sie imitierten das Hummelverhalten, indem sie per Hand kleine Löcher in die Blätter stanzten. Ergebnis: Die Pflanzen blühten etwas früher, aber dieser Effekt war längst nicht so ausgeprägt wie bei einem originalen Hummelbiss. Das deutet daraufhin, dass eventuell auch ein chemischer Reiz für die Blühbeschleunigung mitverantwortlich sein könnte. Weitere Experimente sollen diese Frage noch beantworten.

Auch Wildhummeln können das

Nun wollten die Forscher:innen wissen, ob die Hummeln sich auch unter natürlichen Bedingungen so verhalten. Blumenwiesen auf den Dächern der ETH Zürich waren jetzt die Versuchsfläche. Hier bestätigte es sich: Blühten dort viele Pflanzen, blieben die Tiere „friedlich“. Aber nach dem Mähen der Wiese starteten die hungrigen Tiere erneut ihre Attacken auf die Pflanzen.

Noch etwas fanden die Forscher:innen heraus: Nicht nur die für ihre Experimente eingesetzten Zuchthummeln zeigten dieses Verhalten, sondern auch zwei weitere Wildhummelarten. Andere bestäubende Insekten hingegen, zum Beispiel Honigbienen, ignorierten die nicht-blühenden Pflanzen und suchten sich lieber Flächen mit einem besseren Nahrungsangebot.

Der Klimawandel gefährdet das Gleichgewicht

„Hummeln haben möglicherweise eine wirksame Methode gefunden, um einen lokalen Pollenmangel zu lindern“, sagt die Forschungsleiterin De Moraes. „Auf unseren offenen Feldern tummeln sich auch andere Bestäuber, die möglicherweise ebenfalls von den Bemühungen der Hummeln profitieren“.

Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese clevere Art der Nahrungsbeschaffung auch ausreicht, um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen. Denn mit zu warmen Frühlingen und anderen Wetterextremen gerät das Timing von Blühzeitpunkt der Pflanzen und der Entwicklung der Bestäuberinsekten aus dem Gleichgewicht. Rasche Umweltveränderungen könnten beispielsweise dazu führen, dass Pflanzen schon blühen, wenn die Bestäuber noch nicht fliegen. Das hätte dramatische Auswirkungen auf die Ökosysteme.


Quelle:
Paschalidou F.G. et al. (2020): Bumble bees damage plant leaves and accelerate flower production when pollen is scarce. In: Science, (21. Mai 2020), doi: 10.1126/science.aay0496.

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Titelbild: Wenn Hummeln zu wenig Pollen finden, stechen sie die Blätter von nicht-blühenden Pflanzen an, um diese zu einer schnelleren Blütenbildung zu zwingen. (Bildquelle: © Hannier Pulido / ETH Zürich)