Schutz durch Detox-Enzyme

Toleranz von Bienen gegenüber bestimmten Neonicotinoiden aufgeklärt

03.05.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Honigbiene bestäubt rund 200-300 Blüten pro Flug. (Bildquelle: © Jon Sullivan/Wikimedia.org/Gemeinfrei)

Eine Honigbiene bestäubt rund 200-300 Blüten pro Flug. (Bildquelle: © Jon Sullivan/Wikimedia.org/Gemeinfrei)

Neonicotinoide werden in der Landwirtschaft wegen ihrer hohen Wirksamkeit zur Bekämpfung von Blattläusen, Käfern und anderen Schädlingen eingesetzt. Leider stellen sie auch eine Gefahr für Bienen dar, weshalb die EU nun in drei Fällen Freilandverbote verhängt hat. Dennoch bleibt ihr Einsatz umstritten. Forscher haben nun die molekularen und genetischen Hintergründe der unterschiedlichen Toleranz gegenüber verschiedenen Neonicotinoidklassen untersucht.

Honigbienen (Apis) haben im Laufe von Millionen Jahren gelernt, mit verschiedenen natürlichen Giften fertig zu werden. Quercetin ist ein Beispiel. Der gelbe Naturfarbstoff beeinträchtigt die Mitochondrienfunktion und ist im Pollen und Nektar vieler Pflanzen enthalten. Dass Honigbienen keinen Schaden fürchten müssen, verdanken Sie CYP9Q-Enzymen, die das Flavonoid unschädlich machen. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass diese Enzyme auch die Toleranz gegenüber verschiedenen Neonicotinoiden maßgeblich beeinflussen.

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"Honigbienen sind tausendmal weniger anfällig für Thiacloprid als für Imidacloprid“, erklärt Chris Bass von der University of Exeter.

Bildquelle: © John Severns/Wikimedia.org/Gemeinfrei

Toxizität variiert nach Substanzklassen

„Die Identifikation der Mechanismen, die zu einer angeborenen Toleranz beitragen, hilft uns und den zuständigen Behörden, besser zu verstehen, warum bestimmte Insektizide für Bienen verträglicher sind als andere“, erklärt Insektenforscher Ralf Nauen. Neonicotinoide sind eine Gruppe hochwirksamer Insektizide, die zur Blatt- und Bodenbehandlung oder Beize eingesetzt werden und auf das Nervensystem von Insekten wirken.

Freilandverbot zugestimmt

„Die Mehrzahl der Anwendungen von neonicotinoidhaltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar“, lautete das Ergebnis einer EFSA-Untersuchung im Frühjahr 2018, die große Aufmerksamkeit erzeugte. In der Stellungnahme ging es um die Neonicotinoide Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid, die allesamt zu den Nitroguanidin-Neonicotinoiden zählen. Nun haben die EU-Staaten einem Freilandverbot für diese zugestimmt.

Unter den Neonicotinoiden gibt es aber auch solche, die keineswegs unbedenklich sind, aber eine geringere Gefahr für Bienen darstellen wie Vertreter der Cyanoamidin-Neonicotinoide. Um die Ursache für die unterschiedliche Bienen-Toxizität zu finden, schauten sich die Forscher zwei Vertreter aus beiden Gruppen an: Imidacloprid (ein Nitroguanidin-Neonicotinoid) und Thiacloprid (ein Cyanoamidin-Neonicotinoid).

Enzyme sind entscheidend

Bei der Untersuchung stellte man zunächst fest, dass beide Wirkstoffe gleichermaßen effektiv am Zielort wirken, d. h., sie docken erfolgreich an den Nikotinischen Acetylcholinrezeptoren (nAChR) an. Also muss es am Stoffwechsel liegen. Und tatsächlich: Die Analysen ergaben, dass Bienen mithilfe der CYP9Q-Enzyme Neonicotinoide wie Thicloprid abbauen können, nicht aber Imidacloprid. Gleiches gilt übrigens auch für die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), die über orthologe Gene zur Produktion von CYP9Q-Enzyme verfügt.

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In der Versuchen reagierten auch Hummeln deutlich sensibler auf Thiacloprid.

In der Versuchen reagierten auch Hummeln deutlich sensibler auf Thiacloprid.

Bildquelle: © Kathry2408/Pixabay/CC0

Toleranz verändert sich entlang des Lebenszyklus

Erwähnenswert ist zudem, dass die Genexpression der CYP9Q-Gene im Verlauf des Lebenszyklus einer Biene variiert. In der ersten Hälfte ruht die Aktivität. In dieser Zeit kümmert sich die Biene im Bienenstock um den Nachwuchs oder ist als Wächterin oder Baumeisterin aktiv. Das Risiko, mit riskanten Substanzen aus der Umwelt in Kontakt zu kommen, ist in diesen Stadien eher gering.

Dies ändert sich ca. drei Wochen nach dem Schlüpfen, wenn die Biene die Behausung verlässt, um Pollen und Nektar zu sammeln. Bis dahin hat jedoch auch die Genexpression der CYP9Q-Gene eingesetzt und mit ihr die Produktion der entsprechenden Enzyme. Pünktlich ist die Biene in der Lage, riskante Substanzen wie Quercetin abzubauen. Besonders hoch ist die Genaktivität im Gehirn und in den Malpighischen Gefäßen, sprich in den Nieren.

Risiken für Nichtzielorganismen senken

„Die Erkenntnisse aus unserer Studie können dazu verwendet werden, potenziell schädliche Wirkungen vorherzusehen und abzuwenden, die daraus resultieren, dass wichtige Abwehrsysteme außer Kraft gesetzt werden“, fasst Nauen zusammen. Die Idee ist, Insektizide nicht mehr nur mit dem Ziel zu optimieren, auf Zielorganismen zu wirken, sondern diese Wirkstoffe unter Berücksichtigung des Stoffwechsels der Bienen abbaubar und verträglicher zu machen.


Quelle:
Manjon, C. et al. (2018): Unravelling the Molecular Determinants of Bee Sensitivity to Neonicotinoid Insecticides. In: Current Biology Vol. 28 (1-7), (2. April 2018), doi.org/10.1016/j.cub.2018.02.045.

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Titelbild: Eine Honigbiene bestäubt rund 200-300 Blüten pro Flug. (Bildquelle: © Jon Sullivan/Wikimedia.org/Gemeinfrei)