Springende Gene pushen die Evolution
Ohne genetische Variationen gäbe es keine Evolution. Dass ein Transposon der Grund für eine solche Variation sein kann, zeigten Wissenschaftler in Maispflanzen.
Bereits im Jahr 1948 entdeckte die US-amerikanische Wissenschaftlerin Barbara McClintock „springende Gene“, sog. Transposons, in Mais. 1983 erhielt sie dafür den Nobelpreis. Bei ihrer Entdeckung wurden die springenden DNA-Elemente noch als Kuriosität betrachtet. Seitdem wurden sie außer in Mais auch in vielen anderen Organismen nachgewiesen. Heute weiß man, dass etwa die Hälfte des menschlichen Genoms aus Transposons besteht. Bei Mais sind es sogar um die 70 Prozent.
Transposons spielen in der Biologie eine wichtige Rolle, da sie neben anderen Mechanismen auch zur genetischen Variationsfähigkeit von Organismen beitragen. Das tun sie, indem sie entweder Teile von Chromosomen neu anordnen und so das Genom „um“-modelieren, indem sie sich um Gene herum platzieren und so deren Ablesehäufigkeit verändern oder indem sie sich in kodierende Bereiche von Genen integrieren und auf diese Weise die Genfunktion verändern. So lassen Transposons neue Allele entstehen, über deren Selektion Evolution stattfindet. Beispiele dafür gibt es genügend: Mit Hilfe von Transposons konnte sich die Fruchtfliege Drosophila an ein gemäßigtes Klima anpassen. Die „springenden Gene“ spielten bei der Zucht von Hunden aus Wölfen eine Rolle. Und es gibt auch Hinweise darauf, dass Transposons bei der menschlichen Evolution Ziele der Selektion waren. Dass Transposons aktiv eine Genfunktion ihres Wirtes mitgestalten, ist also nichts Neues. Beweise dafür, dass Transposons auch der tatsächliche Grund für eine funktionelle Variation sind, gibt es bisher kaum. Und das, obwohl die Entdeckerin der Transposons bereits vor 25 Jahren postulierte, dass die „springenden Gene“ eine Hauptquelle für genetische Variationen sind, die für die Evolution von so großer Bedeutung sind.
US-amerikanische Wissenschaftler der University of Wisconsin-Madison untersuchten nun ein Transposon namens Hopscotch in Mais. Sie zeigten, dass eine für die Kultivierung des Mais wichtige genetische Variation ursächlich durch dieses Transposon entstanden ist.
Mais ist eine Kulturpflanze, die aus dem Wildgras Teosinte (Zea mays ssp. Parviglumis) gezüchtet wurde. Dieses Wildgras wächst noch heute in einigen Gebieten Mexikos. Teosinte erinnert in seinem Erscheinungsbild nur noch wenig an die Maispflanze, die wir heute kennen. Es ist ein von der Basis heraus stark verzweigtes Süßgras (Poaceae) mit kleinen Blütenständen. Die Samenkörner fallen aus ihren Schalen, sobald sie reif sind. Auf diese Weise kann Teosinte sich selbst vermehren. Maispflanzen hingegen besitzen einen Haupttrieb und große Kolben. Die Maiskörner sitzen sehr fest an einer zentralen Spindel und haben die Fähigkeit, sich selbst auszusäen, verloren.
Ein Maisgen namens „teosinte branched 1 (tb1)“ unterdrückt das Wachstum der unteren Seitentriebe bei Maispflanzen und ist vor allem bei Lichtmangel aktiv. Das Gen gehört zu einem Genpool, der während der Kultivierung von Mais maßgeblich für die Architektur der heutigen Pflanze mit der sog. Apicaldominanz (Dominanz der Gipfelknopse) verantwortlich ist. Hopscotch, das Transposon, sitzt in der regulatorischen Sequenz von tb1, wo es die Ablesehäufigkeit des Gens verstärkt. Damit ist Hopscotch mitverantwortlich, dass unser heutiger Mais durch die Veränderung eines einzigen Genes so anders aussieht als sein Vorfahre Teosinte.
Untersuchungen zur Nukleotid-Diversität von Hopscotch lassen die Wissenschaftler außerdem vermuten, dass die Kultivierung von Mais durch den Menschen vor mindestens 10 Tausend Jahren begonnen haben muss. Sie schlossen daraus, dass die Selektion, die im Laufe der Evolution stattgefunden hat, auf bestehenden Variationen der Pflanzen beruhte und nicht auf neuen Mutationen, wie man bisher annahm.
Quelle:
Anthony Studer, et al., Identification of a functional transposon insertion in the maize domestication gene tb1, Nature Genetics, 43,1160–1163 (2011), doi:10.1038/ng.942 (Abstract).
Anregungen zum Weiterlesen: