Tiefer Blick ins Roggengenom
Im Nischen-Getreide steckt ein großes agronomisches Potenzial
Kältetoleranz, Krankheitsresistenz und keine großen Ansprüche: So könnte man Roggen klassifizieren. Jetzt endlich ist das gesamte Genom der Pflanze entschlüsselt. Das könnte auch die Züchtung von Weizen beflügeln.
Roggen ist vor allem in Nordosteuropa ein beliebtes Getreide. Anderswo hingegen spielt er nur eine untergeordnete Rolle. Gerade einmal ein Prozent der weltweiten Getreideernte ist Roggen. Doch das genügsame Getreide verfügt über zahlreiche vorteilhafte Gene, die leicht in Weizen einkreuzbar sind und den Ertrag dieser wichtigen Nutzpflanze steigern könnten.
Was dafür bisher noch fehlte, war eine Sequenz des gesamten Roggengenoms. Eine gewaltige Aufgabe, denn das Roggengenom ist mit 7,9 Gigabasenpaaren sehr groß – etwa 50 Prozent größer als das synthenische diploide Gersten- oder Weizensubgenom. Zudem stand das Getreide bisher weniger im Fokus der Wissenschaft als die berühmteren Schwestern Weizen und Gerste. Im Jahr 2017 präsentierten WissenschaftlerInnen eine Sequenz für etwa ein Drittel des Genoms.
Jetzt legen gleich zwei Teams von Wissenschaftlern nach und präsentieren zwei vollständige Referenzsequenzen.
Späte Domestikation, viele wilde Gene
Eine Gruppe chinesicher Forscher hat dafür die Weining-Linie auserkoren, eine frühblühende Roggenlinie aus China, die eine besonders breite Resistenz gegenüber Mehltau und Streifenrost aufweist.
Ein internationales Team unter der Leitung von Prof. Nils Stein, Leiter der Arbeitsgruppe Genomik Genetischer Ressourcen am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben und Inhaber einer Brückenprofessur an der Universität Göttingen, hat die Linie Lo7 sequenziert. „Roggen hat mit diesen beiden Untersuchungen zu Gerste und Weizen aufgeschlossen und befindet sich mitten im Zeitalter der Genomforschung“, sagt der Pflanzenforscher Nils Stein.
Die Ergebnisse sollen nicht nur den Roggenzüchtern helfen, sondern auch die Erträge von Weizen beflügen. Denn Roggen wurde erst vergleichsweise spät domestiziert. Während Weizen und Gerste bereits vor ungefähr 10.000 Jahren im Gebiet des fruchtbaren Halbmonds kultiviert wurden, wurde Roggen erst vor 5.000 bis 6.000 Jahren zu einer Kulturart.
Der große Vorteil des Spätstarters: In seinem Genom finden sich noch zahlreiche wilde Gene, die mit vorteilhaften Eigenschaften einhergehen.
Vorteilhafte Eigenschaften auf Weizen übertragbar
„So können beispielsweise Resistenz-Gene aus Roggen durch klassische Kreuzungszüchtung auf Weizen übertragen werden, was in der Vergangenheit bereits wiederholt genutzt wurde“, erklärt Stein. „Die Bedeutung unserer Forschungsergebnisse reicht also weit über Roggen hinaus.“
Die Wissenschaftler um Nils Stein fanden unter anderem einen Gencluster, der mit einer erhöhten Kältetoleranz einhergeht. Als sie ihn mittels Kreuzungszüchtung auf den Winterweizen „Norstar“ übertrugen, änderte sich dessen Kältetoleranz jedoch nicht signifikant. Das scheint daran zu liegen, dass die Gene im Weizen anders gesteuert werden.
Es ist also erst noch ein tieferes Verständnis von den genregulatorischen Netzwerken notwendig, bevor diese vorteilhafte Eigenschaft auch im Genom des Weizens zur Ausprägung kommt.
Quellen:
- Rabanus-Wallace, M.T. et al. (2021): Chromosome-scale genome assembly provides insights into rye biology, evolution, and agronomic potential. In: Nature Genetics, (18. März 2021), doi: 10.1038/s41588-021-00807-0.
- Li, G. et al. (2021): A high-quality genome assembly highlights rye genomic characteristics and agronomically important genes. In: Nature Genetics, (18. März 2021), doi: 10.1038/s41588-021-00808-z.
Zum Weiterlesen:
- Das Roggengenom ist entschlüsselt – Züchter brauchen dieses Wissen für bessere Pflanzen
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- Roggen hat Zukunft – Exot und traditionelle Getreideart in einem
- Genom der Gerste sequenziert - Basis für schädlingsresistente und qualitätsverbesserte Sorten
- Weizengenom vollständig entschlüsselt - Wichtiger Schritt für nachhaltige Nahrungssicherheit
Titelbild: Roggen wurde erst vor 5.000 - 6.000 Jahren zu einer reinen Kulturart und hat ein komplexes Genom, das nun erstmals vollständig entschlüsselt wurde. (Bildquelle: © KWS Lochow GmbH, 2020)