Tierische Handwerker

Ameisen reparieren Stammschäden ihrer Wirtsbäume

21.01.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Während der Pandemie entdeckten fünf neugierige Schüler in Panama zufällig, wie Ameisen der Art Azteca alfari auf Schäden an ihren Wirtsbäumen reagieren und untersuchten das weiter. (Bildquelle: © Donna Conlon / CC BY-NC-ND)

Während der Pandemie entdeckten fünf neugierige Schüler in Panama zufällig, wie Ameisen der Art Azteca alfari auf Schäden an ihren Wirtsbäumen reagieren und untersuchten das weiter. (Bildquelle: © Donna Conlon / CC BY-NC-ND)

Ein zufälliger Schuss mit einer Steinschleuder hat ein bislang unbekanntes Verhalten von symbiotisch lebenden Ameisen zutage gefördert: Sehen Azteca-Ameisen ihre Brut bedroht, reparieren sie Löcher im Stamm ihrer Wirtspflanzen. Das ist das Ergebnis eines erfolgreichen Citizen-Science-Projekts.

Eines Nachmittags, in den frühen Tagen der COVID-19-Pandemie, schoss ein gelangweilter Jugendlicher in Panama mit einer Steinschleuder zufällig ein Loch in den dünnen Stamm eines Ameisenbaums (Cecropia). Bei diesem Baum handelte es sich um eine sogenannte „Ameisenpflanze“. Sie lebt mit wilden Ameisen der Gattung Azteca in einer mutualistischen Symbiose – einer Wechselbeziehung zwischen Lebewesen, von der beide Seiten profitieren.

Ameisen leben im hohlen Stamm

Etwas über drei Viertel aller Ameisenbaumarten leben in einer Symbiose mit Sechsbeinern. Die Bäume bieten den Tieren Nahrung und im Stamm Unterschlupf – im Gegenzug schützen die Ameisen deren Blätter vor Pflanzenfressern (Herbivoren). Diese Form der Symbiose wird auch Myrmekophylaxis genannt.

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In diesem Video ist zu sehen, wie eine Ameisenkönigin eine neue Kolonie im Stamm einer Wirtspflanze gründet. Dafür kaut die Königin ein Loch in den Stamm der Pflanze und verschließt es anschließend von innen mit dem Parenchymgewebe, das die Innenseite des Internodiums auskleidet. Hier wird sie Eier legen und sich um die Larven kümmern. Später werden Arbeiterinnen auftauchen und das Loch wieder öffnen.

Videoquelle: © AztecaCecropia / youtube.com

Am Tag nach dem „Unfall“

Am nächsten Morgen sah der Schüler, dass die Ameisen das Loch geflickt hatten. Sein Forschergeist war geweckt. Er wollte nun mit vier weiteren neugierigen Freunden mehr über dieses erstaunliche Verhalten herausfinden. Sie nahmen daher am Freiwilligenprogramm des Smithsonian Tropical Research Institute (STRI) teil und entwickelten gemeinsam mit dem Wissenschaftler William Wcislo ein Experiment, um die Reaktionen der Ameisen auf Schäden im Stamm ihrer Wirtspflanzen weiter zu untersuchen.

Das Experiment

Zunächst wählte das Team 22 Ameisenbäume aus, die alle von Ameisen der Art Azteca alfari bewohnt waren. Sie bohrten mit einer Bohrmaschine Löcher in die Baumstämme. Diese Löcher hatten einen Durchmesser von circa sechs Millimetern und waren damit deutlich größer als die Öffnungen, die Ameisen sich selbst im Stamm für ihre Brut schaffen. Um zu beurteilen, ob Pflanzen im Zeitrahmen der Studie auch in der Lage sind, sich selbst zu heilen, haben sie zudem Löcher in zwei weitere Ameisenbäume gebohrt, die noch nicht von den Sechsbeinern besiedelt waren. Anschließend fotografierten sie die Löcher unmittelbar nach dem Bohren, nach 2,5 Stunden und 24 Stunden.

Fleißige Reparaturtruppe

Direkt nach der Bohrung erschienen Arbeiterameisen, um die Schäden zu inspizieren. Waren die Löcher in der Nähe von bewohnten Nestern, wurde die Brut schnell evakuiert. Meist begannen die Ameisen dann direkt mit der Reparatur des Schadens. Insgesamt wurden bei etwas mehr als der Hälfte der Löcher (14 von 22) Reparaturen festgestellt.

Als Flickzeug nutzten sie zerkleinerte Pflanzenfasern und eine nicht identifizierte Bindeflüssigkeit – wahrscheinlich Pflanzensaft. So reduzierten die Ameisen die Größe der Löcher 2,5 Stunden nach der Entstehung erheblich. Oft schlossen sie die Reparaturen innerhalb von 24 Stunden ab. Die Kontrollpflanzen hatten auch nach einem Tag noch die ursprüngliche Lochgröße.

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Faultiere können mit ihren scharfen Klauen ebenfalls Schäden im Stamm hinterlassen. Hat das die Ameisen dazu gebracht, das beobachtete Verhalten zu entwickeln?

Faultiere können mit ihren scharfen Klauen ebenfalls Schäden im Stamm hinterlassen. Hat das die Ameisen dazu gebracht, das beobachtete Verhalten zu entwickeln?

Bildquelle: © iStock.com/phototrip

Warum tun die Ameisen das?

Das Team fragte sich, wie das Beobachtete zu erklären ist. Vor allem vor dem Hintergrund, dass nicht alle Schäden von den Ameisen repariert wurden. Der Grund für das Reparaturverhalten könnte einfach sein: Ist ihre Brut direkt bedroht, werden die Tiere aktiv. Denn ein Loch in unmittelbarer Nähe zum Nest kann eine Bedrohung für die noch nicht ausgewachsenen Ameisen darstellen. Sie können externen Krankheitserregern, Raubtieren oder anderen schädlichen Umwelteinflüssen ausgesetzt werden. Die These wird dadurch untermauert, dass Löcher, die weit weg von Ameisennestern lagen, nicht repariert wurden.

Nun sind Steinschleudern und Bohrmaschinen normalerweise keine alltägliche Bedrohungen für das „Zuhause“ der Ameisen. Aber in der freien Natur werden Ameisenbäume häufiger von Faultieren und Seidenameisenbären besucht. Mit ihren scharfen Klauen können sie die Baumstämme beschädigen und dadurch die Nester gefährden.

Alles nur zum eigenen Vorteil?

Auch wenn die Ameisen die Stämme nur in Kolonienähe zum Schutz ihrer Brut reparieren – ganz ausschließen kann man nicht, dass auch der Baum davon profitiert. Es könnten auch antimikrobielle Sekrete sein, mit denen die Ameisen die Löcher stopfen. Wäre das der Fall, könnten diese die Pflanzen vor Infektionen schützen.


Quelle:
Wcislo, A. et al. (2021): Azteca ants repair damage to their Cecropia host plants. In: Journal of Hymenoptera Research 88: 61-70, (30. Dezember 2021), doi: 10.3897/jhr.88.75855.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Während der Pandemie entdeckten fünf neugierige Schüler in Panama zufällig, wie Ameisen der Art Azteca alfari auf Schäden an ihren Wirtsbäumen reagieren und untersuchten das weiter. (Bildquelle: © Donna Conlon / CC BY-NC-ND)