Vitamine gegen Stress

α-Tocopherol verringert oxidative Schäden bei der Eisenaufnahme

30.01.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Acker-Schmalwand muss in der Natur mit unterschiedlichen Eisenkonzentrationen zurechtkommen. (Bildquelle: © Stefan.lefnaer/Wikimedia)

Die Acker-Schmalwand muss in der Natur mit unterschiedlichen Eisenkonzentrationen zurechtkommen. (Bildquelle: © Stefan.lefnaer/Wikimedia)

Die Aufnahme von Eisen bedeutet oxidativen Membranstress. Doch mithilfe von Vitamin E schützt sich die Acker-Schmalwand gegen diese Nebenwirkungen. Könnte dieser Schutz optimiert werden, könnten Pflanzenzüchter Sorten mit höheren Eisengehalten auf den Markt bringen – und damit den bei 30 Prozent der Weltbevölkerung verbreiteten Eisenmangel bekämpfen.

Eisen ist ein wichtiger Mikronährstoff, auch für Pflanzen. Doch die Eisenionen (Fe2+) sind äußerst reaktiv und müssten eigentlich zu oxidativen Schäden an Membranlipiden führen. Offensichtlich jedoch gelingt es Pflanzen, diese Schäden zu begrenzen. Ein Forschungsteam der Universität Düsseldorf konnte nun zeigen, dass die antioxidative Wirkung von einem E-Vitamin ausgeht. Außerdem identifizierten die Forscher:innen die regulatorisch beteiligten Proteine.

Die Eisenaufnahme in den Wurzeln erfolgt im Wesentlichen durch eine evolutionär konservierte Familie von Membrantransportern, den IRT (IRON-REGULATED TRANSPORTERs). In der Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana) ist IRT1 das essenzielle Protein. Dieser Transporter wird von der Pflanze strikt reguliert, weil er eine Vielzahl reaktiver Metallionen binden kann, die Radikale und damit oxidativen Stress erzeugen. Bedeutsam für diese Regulation, soviel war bekannt, ist eine variable Region des Proteins: IRT1vr. An diese Region binden Proteinkomplexe, die die Aufnahme reaktiver divalenter Metallionen steuern.

Lipidtransferprotein PATELLIN2 interagiert mit dem Eisentransporter

Ein Schutz gegen oxidative Schäden bietet bei Menschen und Pflanzen Vitamin E – eine Gruppe lipophiler antioxidativer Tocopherole und Tocotrienole. Sie können verhindern, dass Fe2+ die Lipide der mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Membranen peroxidiert und zu deren Abbau führt. Bei Menschen steuern Lipidtransferproteine die Homöostase von Vitamin E.

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Auch bei der Acker-Schmalwand erfordert ein gesundes Wachstum ausreichend Mikronährstoffe wie Eisen.

Auch bei der Acker-Schmalwand erfordert ein gesundes Wachstum ausreichend Mikronährstoffe wie Eisen.

Bildquelle: © Salicyna/Wikimedia

Mit SEC14L-PITP gibt es eine solche Proteinfamilie auch in Pflanzen. Deren charakteristische Domäne bildet eine Lipid-bindende Tasche, mit der lipophile Substrate durch Membranen transportiert oder Enzymen an der Membran zur Reaktion angeboten werden. Eine Untergruppe dieser Proteine ist PATELLIN (PATL), das in Landpflanzen Protein-Lipid- sowie Protein-Protein-Interaktionen vermittelt. Für die Acker-Schmalwand konnten Pflanzenforscher:innen bereits zeigen, dass PATL2 in Eisenmangelexperimenten in der pflanzlichen Membran vorkommt. Die Rolle des Proteins blieb dabei jedoch offen.

Um nun einen möglichen Zusammenhang zwischen der Eisenaufnahme, Vitamin E und dem Schutz vor oxidativen Schäden nachzuweisen, untersuchte das Team zunächst anhand einer cDNA-Expressionsbibliothek, mit welchen Proteinen IRT1 bei Eisenmangel in den Wurzeln der Acker-Schmalwand interagiert. Tatsächlich befand sich unter den peripheren Membranproteinen, die als Interaktionspartner in Frage kamen, auch PATL2. Weitere Analysen ergaben, dass das Protein mit der N-terminalen Region von IRT1vr wechselwirkt. Anhand fluoreszenzmarkierter Proteine wies das Team in einem weiteren Schritt nach, dass PATL2 und IRT1 an der Plasmamembran der Epidermis in Wurzeln co-lokalisieren können.

PATELLIN2 verringert oxidativen Stress

Um die Bedeutung von PATL2 für die Eisenaufnahme einzuschätzen, erzeugten die Forscher:innen Knockout-Mutanten. Anhand dieser zeigte sich, dass PATL2 die Aktivität des Enzyms Eisenreduktase beeinflusst, und zwar auf Proteinebene und nicht dessen Genexpression. Die Aktivität der Eisenreduktasen ist ein Maß für das in den Wurzeln mobilisierte Eisen. In einigen Knockout-Mutanten war diese Aktivität bei Eisenmangel gegenüber dem Wildtyp um den Faktor vier erhöht. PATL2 unterdrückt somit in den Wurzeln die Aktivität der Eisenreduktasen.

Mittels quantitativer Co-Immunopräzipations-gekoppelter Massenspektometrie untersuchte das Forschungsteam, mit welchen Proteinen PATL2 in den Wurzeln stabile Komplexe bildet. Dabei fanden die Fachleute 171 Proteine bei Eisenmangel, aber nur 17 bei Eisensättigung. Großen Anteil bei Eisenmangel hatten Proteine, die im Zusammenhang mit reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und Redox-Reaktionen stehen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass PATL2 oxidativen Stress dämpft oder als Signalmolekül bei oxidativem Stress an den Membranen der Wurzeln wirkt. IRT1 konnte bei den Analysen jedoch nicht in den Proteinkomplexen nachgewiesen werden. Die Forscher:innen erklären das damit, dass dieses Protein im Verhältnis zu den anderen Treffern nur eine geringe Häufigkeit besitzt.

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Durch die Verbindung von PATELLIN2 und IRT1 trägt Tocopherol während der Eisenaufnahme in der Wurzel von Arabidopsis thaliana zu verringertem oxidativem Membranstress bei.

Durch die Verbindung von PATELLIN2 und IRT1 trägt Tocopherol während der Eisenaufnahme in der Wurzel von Arabidopsis thaliana zu verringertem oxidativem Membranstress bei.

Bildquelle: © Jannik Hornbergs / HHU

Die Beteiligung von PATL2 am antioxidativen Schutz der Plasmamembranen wiesen die Forscher:innen durch Konzentrationsmessungen von Lipidperoxiden bei Wildtyp und PATL2-Knockoutmutanten nach. In den Mutanten fanden sie deutlich mehr dieser Oxidationsprodukte als im Wildtyp. PATL2 dürfte demnach die gesuchte Schutzfunktion bewirken. Außerdem stellt dieses Experiment die Verbindung zu Vitamin E her: Die Menge der Lipidperoxide verringert sich nachweislich in Gegenwart dieses Vitamins.

Tocopherol reguliert die Eisenreduktion

Zunächst verifizierte das Forschungsteam, dass die Gene der Vitamin-E-Synthese in den Wurzeln exprimiert werden. Das ist der Fall – unabhängig von Eisen- oder PATL2-Konzentrationen. Besonders für das E-Vitamin α-Tocopherol zeigten sich jedoch in den Wurzeln große Konzentrationsunterschiede im Wildtyp zwischen Eisenmangel und Eisensättigung. Schalteten die Forscher:innen VTE2 aus – das Schlüsselgen der Vitamin-E-Synthese –, verringerte sich die Aktivität der Eisenreduktase in den Wurzeln bei Eisenmangel um 40 Prozent. Tocopherol reguliert somit die Eisenreduktion und ist daran beteiligt, die Peroxidation der Membranlipide zu verhindern. Seinerseits wird das Vitamin durch erhöhte Eisenkonzentrationen rekrutiert.

Die Interaktion zwischen α-Tocopherol und PATL2 bestätigten die Forscher:innen anhand quantitativer biochemischer Protein-Liganden-Bindungsdaten in vitro. Abschließend modellierten sie Strukturmodelle, wie sich das Vitamin in die Lipid-bindende Tasche von PATL2 einfügt, und fanden eine sehr stabile Konfiguration.

Züchtungspotenzial für eisenreiche Nutzpflanzen

Zusammengefasst wird das Eisentransportprotein IRT1 durch PATL2 und Tocopherol reguliert, um einerseits Eisen zu mobilisieren und andererseits oxidative Schäden zu minimieren. Für die Pflanzenzüchtung ergeben sich aus diesem neuen Wissen mögliche Ansatzpunkte: Wenn es gelingt, Pflanzen mit einer höheren Resistenz gegen oxidativen Stress zu erzeugen, würde auch der Eisengehalt dieser Pflanzen steigen. Und mit diesen Pflanzen könnte dem Eisenmangel vorgebeugt werden, von dem ca. 30 Prozent der Weltbevölkerung betroffen sind. Eine Eisenmangelanämie ist eine der häufigsten Ursachen einer Blutarmut. Bei einer Anämie werden die Organe unzureichend mit Sauerstoff versorgt. Typische Symptome sind Müdigkeit und ein allgemeines Schwächegefühl. Eisenmangel kann zu kognitiven Entwicklungsstörungen, Schwächung des Immunsystems und Herzmuskelschwäche führen.


Quelle:
Hornbergs, J., et al. (2022): „SEC14-GOLD protein PATELLIN2 binds IRON-REGULATED TRANSPORTER1 linking root iron uptake to vitamin E“. In: Plant Physiology, kiac563 (2022). doi: 10.1093/plphys/kiac563.

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Titelbild: Die Acker-Schmalwand muss in der Natur mit unterschiedlichen Eisenkonzentrationen zurechtkommen. (Bildquelle: © Stefan.lefnaer/Wikimedia)