Weitere Ursache für Schmetterlingssterben entdeckt
Larven reagieren empfindlich auf Stickstoff
Eine zu hohe Stickstoffdüngung könnte Schmetterlingspopulationen gefährden. Denn nach einer neuen Studie hängt die Überlebenswahrscheinlichkeit der Larven, zumindest von einigen Arten, vom Stickstoffgehalt der Wirtspflanzen ab.
Die Zahl der Schmetterlingspopulationen in unseren Breitengraden nimmt seit Jahrzehnten ab. Ein Zusammenhang mit der zunehmenden Intensivierung der Landwirtschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Und doch weiß die Wissenschaft noch erstaunlich wenig über die genauen Ursachen des Rückgangs. Vor allem bei Schmetterlingsarten, die nicht als Schadinsekten unserer Nutzpflanzen gelten. Forscher von der Universität Potsdam, der Universität Osnabrück und der Universität Bayreuth haben deshalb erstmals untersucht, wie deren Populationen auf eine Stickstoffdüngung ihrer Wirtspflanzen reagieren.
Ergebnisse geben zu denken
Das überraschende Ergebnis: Es gibt zumindest für einige Schmetterlingsarten eine Toleranzgrenze für den Stickstoffgehalt in den Pflanzen. Bislang ist man davon ausgegangen, dass zusätzlicher Stickstoff in den Wirtspflanzen die Vitalität von Schmetterlingen nicht beeinträchtigt, sondern in den meisten Fällen sogar fördert. So lautet das Ergebnis früherer Studien.
Diese haben gezeigt, dass Schmetterlinge unter solchen Bedingungen fruchtbarer sind, größere Flügel haben und überlebensfähigere Larven bilden, aus denen auch größere Puppen hervorgehen. Untersucht wurden dabei jedoch nur als Pflanzenschädling klassifizierte Schmetterlingsarten.
Manche Schmetterlingsarten reagieren sensibel auf Stickstoff
Die nun veröffentlichte Studie zeigt jedoch, dass es unter den über 160.000 Schmetterlingsarten weltweit auch solche gibt, die empfindlicher reagieren. Darunter das Kleine Wiesenvögelchen (Coenonympha pamphilus), der Kleine Feuerfalter (Lycaena phlaeas), der Braune Feuerfalter (Lycaena tityrus), das Seideneulchen (Rivula Sericalis) und der Ampferspanner (Timandra Comae).
Werden ihre Wirtspflanzen mit in der Landwirtschaft üblichen Mengen von Stickstoff gedüngt, kann die Überlebenswahrscheinlichkeit der auf ihnen lebenden Larven um bis zu zwei Drittel sinken. Dies zeigen die Beobachtungen am Kleinen Sauerampfer (Rumex acetosella) und dem Wiesen-Rispengrases (Poa pratensis).
„Die Düngung hat dabei zu einer Zunahme des Stickstoffgehalts in den Wirtspflanzen und gleichzeitig zu einer deutlich erhöhten Mortalitätsrate der Schmetterlingsraupen aller Modellarten geführt“, erklärt Thomas Fartmann von der Universität Osnabrück den Zusammenhang. Für die Studie experimentierten er und seine Kollegen mit drei in der Landwirtschaft herkömmlichen Stickstoffdosierungen: umgerechnet 30 kg, 90 kg und 300 kg pro Hektar und Jahr.
Jede zusätzliche Stickstoffgabe hat Einfluss
Ein Ergebnis sticht besonders hervor. Anders als man vermuten würde, steigt die Sterblichkeit nicht proportional zur ausgebrachten Stickstoffmenge. Zwar macht es einen Unterschied, ob in einem Jahr 30 kg oder 300 kg auf die Fläche gebracht werden. Jedoch ist dieser Unterschied relativ klein im Vergleich zum vollständigen Verzicht auf Düngung.
Neue Fragestellungen für die Forschung
Untersuchungen darüber, wie Stickstoff in den Stoffwechsel von Pflanzen eingreift, sind reichlich vorhanden. Jetzt muss aber noch geklärt werden, auf welche Weise sich das auch negativ auf die Schmetterlinge auswirkt. Jedenfalls ist laut der beteiligten Wissenschaftler das Dogma gefallen, dass die Stickstoffdüngung unserer Äcker für Schmetterlinge grundsätzlich unbedenklich sei.
Quelle:
Kurze, S., Heinken, T., Fartmann, T. (2018): Nitrogen enrichment in host plants increases the mortality of common Lepidoptera species. In: Oecologia, Vol. 188 (4), (4. Oktober 2018), https://doi.org/10.1007/s00442-018-4266-4.
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Titelbild: Die Larven des Kleinen Feuerfalters reagieren empfindlich, wenn ihre Wirtspflanzen mehr Stickstoff enthalten. (Bildquelle: © Zeynel Cebeci/Wikimedia.org/CC BY-SA 3.0)