Im Schatten der Bienen

Bestäubungsleistung anderer Insekten wird dramatisch unterschätzt

04.12.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Eine Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) beim Bestäuben einer Zistrose (Cistus creticus). (Bildquelle: © Aka/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Eine Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) beim Bestäuben einer Zistrose (Cistus creticus). (Bildquelle: © Aka/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)

Fliegen, Käfer, Motten oder Ameisen. Wie die Bienen sind auch sie fleißige Bestäuber, auf die wir stärker angewiesen sind, als in der weit verbreiteten Vorstellung. Bis zu 50% aller Blütenbesuche werden weltweit nicht von Bienen getätigt, sondern von jenen unterschätzten Bestäubern. In einer Studie würdigen Forscher ihre Arbeit, denken zugleich aber auch einen Schritt weiter: Wie kann von den lange unterschätzten Diensten der Bestäuber stärker profitiert werden?

Sie zählt zu den bekanntesten und populärsten Insekten der Welt, ist Symbol für Fleiß, Arbeitseifer und Sparsamkeit und ist fast allen Deutschen als Zeichentrickfigur seit Kindesbeinen bekannt. Sie wird als Honigproduzent geliebt, als emsige Bestäuberin hoch geschätzt: die Honigbiene (Apis). Keine Frage, unzählige Kulturpflanzen, auf die wir täglich angewiesen sind, von denen wir leben und zehren, würden ohne die Hilfe der Honigbiene und ihrer Verwandten (Apidae)keine Früchte tragen. Vielen dürfte in diesem Kontext Einsteins Zitat einfallen, demzufolge der Menschheit ohne Honigbiene nur noch vier Jahre blieben. Die Wenigsten werden dieses trotz ungeklärter Herkunft und Quelle bisher hinterfragt haben.

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Honigbiene auf der Suche nach Nektar. An ihrem Hinterbein haftet ein gelber Pollenklumpen.

Honigbiene auf der Suche nach Nektar. An ihrem Hinterbein haftet ein gelber Pollenklumpen.

Bildquelle: © Michael Palmer/ Wikimedia.org/ CC BY-SA 4.0

Würdigung der Bestäubung

Einen wichtigen Beitrag zur Versachlichung und Bewertung der tatsächlichen Bestäubungsleistung hat nun ein internationales Forscherteam geleistet. Ihr Fazit: Längst ist es an der Zeit, auch die anderen Bestäuber für ihre Bestäubungsleistung zu würdigen, darunter Fliegen, Käfer, Ameisen, Motten und Schmetterlinge. Zu diesem Schluss kamen die Forscher nach eingehender Untersuchung von 39 international angelegten Studien.

Sie alle drehten sich um die Frage: Wie hoch ist die Bestäubungsleistung von Bienen und die anderer Bestäuberinsekten? In ingesamt 470 Gebieten wurden 17 unterschiedliche Nutzpflanzen genauer unter die Lupe genommen und in der Metastudie zusammengefasst. Das Kulturpflanzenspektrum ist breit gestreut. Es reicht von Tieflandkaffee, Grapefruit, Wassermelonen, Mandeln, Zwiebeln, Äpfel, Sonnenblumen, Kirschen, Erdbeeren bis zum Raps.

Nicht immer muss es die Biene sein

Zwischen 25 % und 50 % aller Blütenbesuche werden nachweislich nicht durch Bienen erbracht, sondern durch andere Insekten. Bei Mango, Karotten, Kirschen und zwei weiteren Exoten, Ochsenherz und Stachelannone, tauchen Bienen sogar nur ganz am Rande der Statistik auf.

Wie effektiv bestäuben Bienen?

In der Zusammenfassung der einbezogenen Studien zeigt sich, dass Bienen tatsächlich effektive Bestäuber sind. Keine andere Insektenart deponiert mehr Pollen pro Blütenbesuch als Bienen. Doch stellt dies nur einen Aspekt der Bestäubungsleistung dar. Viel entscheidender ist die Frage, wie viele der bestäubten Blüten erfolgreich einen Fruchtansatz und somit auchFrüchte bilden. Hier haben anderen Bestäuber eindeutig die Nase vorn.

Quantität gleicht Bestäubungsdefizit aus

Die Ergebnisse zeigen, dass Bienen eine Blüte zwar mit höherer Wahrscheinlichkeit bestäuben, andere Insektengruppen jedoch häufiger ausrücken, mehr Blüten ansteuern und diese auch öfters wiederholt besuchen, wodurch das Bestäubungsdefizit wieder ausgeglichen wird. Ein Grund, warum die Leistung der anderen Bestäuber bisher unterschätzt wurde, ist vermutlich die Tatsache, dass Honigbienen tagaktiv sind wie wir. Unsere Beobachtung verfälscht die Statistik zu Ungunsten ihrer Arbeitskollegen und Kolleginnen.

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Auch Käfer gehören zu den vielfach unterschätzten Bestäubern.

Auch Käfer gehören zu den vielfach unterschätzten Bestäubern.

Bildquelle: © Laura5345/wikimediaorg/CC BY-SA 4.0

Grenzen der Bestäubung

In einer Randbemerkung weisen die Forscher auf einen anderen Punkt hin. Bekannt ist, dass sich eine bestäubte Blüte erfolgreich zur Frucht weiterentwickelt, je häufiger sie von Bestäuberinsekten besucht wird. Fakt ist aber auch, dass sich dieser Effekt nicht unbegrenzt steigern lässt.

Grund ist, dass mit zunehmenden Besuchen von Bestäubern das Risiko von Blütenschäden steigt, ebenso die Wahrscheinlichkeit, dass Pollen von minderer Qualität eingeschleppt werden. Aus bisher nicht näher erforschten Gründen setzt jener Sättigungseffekt früher und schneller bei den von Honig- und Wildbienen bestäubten Nutzpflanzen ein, als bei jenen, die von Käfer, Motte & Co. bestäubt werden.

Bestäubungsleistung in Balance

Was die Bestäubungsleistung betrifft, halten sich Bienen und die Vielzahl anderer Insekten die Waagschale. Für die Praxis bedeutet dies daher kein Entweder-oder, sondern vielmehr ein Sowohl-als-auch. Sprich, auf eine möglichst breite Zahl von unterstützenden Bestäuberinsekten zu setzen. Vorausgesetzt, dass die Standortbedingungen es zulassen, womit ein entscheidender Knackpunkt benannt ist.

Habitat-Management optimieren

Gemeint ist nicht nur die von den Forschern kritisch betrachtete Zersiedelung und Zerstörung natürlicher Lebensräume und die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, sondern eine stärkere Berücksichtigung der Bedürfnisse anderer Bestäuber. Eine Fokussierung auf Bienen greift zu kurz.  Anzunehmen, dass sich Schwebfliegen, Schmetterlinge oder Motten problemlos in bienenfreundlichen Lebensräumen und Umgebungen niederlassen würden, ist aus Sicht der Forscher ein Trugschluss.  Sie fordern ein Umdenken hin zu einem bestäuberspezifischen „Habitat-Management“.

Alle Bedürfnisse müssen berücksichtigt werden

Generell kann festgehalten werden, so die Forscher, dass Bienen höhere Ansprüche in puncto Biodiversität und Natürlichkeit haben als z.B. ein Großteil der Fliegenarten. Diese zeichnen sich durch eine hohe Bestäubungsleistung auch auf landwirtschaftlich genutzten Flächen aus, selbst bei Monokulturen. Koautorin Alexandra-Maria Klein von der Universität Freiburg weiß es aus erster Hand: „In den Mandelplantagen Kaliforniens gab es keine Wildbienen und Hummeln, wenn in einem Umkreis von einem Kilometer kein naturnahes Habitat war. Ein paar Haus- und Schwebfliegen gab es dagegen immer.“ Doch so anspruchslos und robust Letztere auf den ersten Blick nun scheinen, so unterschiedlich und herausfordernd können ihre Bedürfnisse über den gesamten Lebenszyklus sein. 

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Ein Kolibrifalter (Graphium sarpedon) beim Bestäuben eines Wandelröschens.

Ein Kolibrifalter (Graphium sarpedon) beim Bestäuben eines Wandelröschens.

Bildquelle: © Laitche/Wikimedia.org/CC0

Es beginnt beim Nachwuchs

Ein Beispiel: Um eine große Bestäuberpopulation aufzubauen, muss nicht nur für ausreichend Nahrung, sondern vor allem für Nachwuchs gesorgt werden. Ihr spezieller Appetit kann bereits eine erste Hürde darstellen, die nur mit Vorausplanung genommen werden kann, wie Hauptautorin Romina Rader erklärt: „Nehmen wir die große Familie der Schwebfliegen. Sie alle ernähren sich als adulte Insekten von Blütennektar, weswegen sie die Blüten besuchen. Ganz anders in der Kindheit: Während die Larven der einen Spezies mit Pollen gefüttert werden, dünkt es anderen nach Blattläusen. Wieder andere ernähren sich ausschließlich von Pflanzen, andere von Dung oder völlig anderen Ressourcen. Dies muss beim Aufbau von Bestäuberpopulationen berücksichtigt werden.“

Vorsorgen für die Zukunft

In Zeiten, in denen die Nachfrage nach Nutzpflanzen steigt und steigt, werden sich Pflanzenzüchter und Landwirte aber genau mit Fragen wie diesen befassen müssen, prognostizieren die Forscher. Klein erklärt: „Der Beitrag anderer Bestäuber spielt bei stetigen Umweltveränderungen eine wesentliche Rolle für Pflanzenbau und Erntestabilität. Wenn die sensibleren Wildbienen wegfallen, könnten andere Insekten einen Teil dieses Bestäubungsdefizites ausgleichen. Wenn es in Agrarlandschaften keine Möglichkeit zur Renaturierung oder zur Erhaltung der naturnahen Vegetation gibt, können andere Insekten den Rückgang der Bienen kompensieren.“

Schwerpunkte richtig setzen

Dennoch gilt, dass eine optimale Bestäubung ohne die Unterstützung von Bienen nicht möglich sein wird. Jedoch genügt es nicht, alle Anstrengungen wie gehabt größtenteils für die Bienen aufzuwenden. Ein Teil der Aufmerksamkeit muss auf die vielfach unterschätzten anderen Bestäuber gerichtet werden, um sichere Erträge zu garantieren.

Hatte Einstein recht?

Um noch einmal auf Einsteins Zitat zurückzukommen: So eingängig das ihm zugeschriebene Zitat auch sein mag und zum Bild des visionären Jahrhundertgenies passt. So wenig entspricht es bei näherer Überlegung seinem Anspruch als scharfsinniger und analytischer Wissenschaftler, derart finite Aussagen ohne die Einbeziehung aller relevanten Informationen zu treffen.

Skeptikern und Mitdenkern dürfte die Studie daher willkommene Argumente liefern, sie zum Nachdenken, vor allem aber zum Handeln anregen. Aber nicht nur von ihnen, sondern auch von ihren Kollegen aus der Wissenschaft, von Züchtern, Landwirten, Bürgern und Politikern erhofft sich das Team, dass sie sich der Bestäubungsleistung aller Insekten Rechnung stärker bewusstwerden.


Quelle: Rader, R. et al. (2015): Non-bee insects are important contributors to global crop pollination. In: PNAS, Vol. 112 (48), (30. November 2015), doi: 10.1073/pnas.1517092112

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Titelbild: Eine Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) beim Bestäuben einer Zistrose (Cistus creticus). (Bildquelle: © Aka/ wikimedia.org/ CC BY-SA 2.5)