Hybridzüchtung bald auch für Weizen eine Erfolgsgeschichte?

Forschung hilft, Hürden bei der Zuchtmethode zu überwinden

17.11.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Derzeit wird Hybridweizen weltweit kaum angebaut. (Bildquelle: © KWS)

Derzeit wird Hybridweizen weltweit kaum angebaut. (Bildquelle: © KWS)

Anders als fremdbefruchtende Arten wie Mais, steckt die Hybridzüchtung beim selbstbestäubenden Weizen in den Kinderschuhen. Grund dafür sind viele Schwierigkeiten, die sich durch die Biologie des Getreides ergeben. Forscher und Züchter arbeiten zusammen, um die nötigen Grundlagen für leistungsfähige Weizen-Hybridsorten zu erarbeiten. Dabei kommen genetische Daten und statistische Methoden ins Spiel.  

2014 wurden weltweit etwa 729 Millionen Tonnen Weizen geerntet. Das macht Weizen nach Mais zumindest mengenmäßig zum zweitwichtigsten Getreide. Weizen nimmt daher eine außerordentlich wichtige Stellung in der weltweiten Ernährung und als Futter- und Rohstofflieferant ein. Aufgrund der stetig wachsenden Weltbevölkerung ist es ein übergeordnetes Ziel der Pflanzenzüchtung, die Erträge wichtiger Kulturpflanzen wie Weizen auch in Zukunft zu sichern und zu steigern. Erschwert wird dieses Ziel durch die klimatischen Veränderungen, an die es Weizensorten weltweit besser anzupassen gilt.

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Im Jahr 1866, also vor 150 Jahren, veröffentlichte der Naturforscher und Mönch Gregor Mendel seine drei Mendelschen Regeln. Mehr erfahren über den "Vater der Genetik"...

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Eine Schlüsselrolle kommt der Hybridzüchtung zu

Eine Möglichkeit die Erträge zu steigern ist die Hybridzüchtung. Bei ihr versuchen Pflanzenzüchter, einen Effekt auszunutzen, der als Heterosiseffekt bezeichnet wird. Die direkten Nachkommen (F1-Generation) einer gezielten Kreuzung zweier genetisch unterschiedlicher Inzuchtlinien zeigen dabei signifikant höhere Erträge als der Ertragsdurchschnitt dieser elterlichen Linien. Diese Nachkommen werden Hybriden und entsprechende Sorten Hybridsorten genannt.

Bei anderen, insbesondere fremdbefruchtenden Kulturpflanzen haben Hybridsorten klassische Linien- oder Populationssorten fast vollständig verdrängt, trotz eines vermeintlichen Nachteils, dass das Saatgut jedes Jahr neu gekauft werden muss. Denn ein Nachbau ist durch die Aufspaltung in der F2-Generation (siehe: Mendelsche Regeln) nicht mehr sinnvoll, weil er zu Leistungsabfall führt. Mit anderen Worten, die ökonomischen Vorteile der Hybridsorten müssen in Punkto Ertrag und Stabilität diesen Nachteil mehr als ausgleichen. Sonst würden Landwirte nicht auf Hybridsorten setzen. 

Bei fremdbefruchtenden Getreidearten wie Mais oder Roggen ist die Züchtung von Hybridsorten sehr erfolgreich. Bei Weizen war dies lange Zeit eine Herausforderung. In der Praxis spielen daher Weizen-Hybridsorten derzeit kaum eine Rolle: Weniger als eine Handvoll Hybridweizensorten sind in Deutschland zugelassen. Obwohl Hybridsorten aus anderen europäischen Ländern in Deutschland vermarktet werden dürfen, ist der Anbau nach wie vor eine Ausnahme. Auch weltweit ist Hybridweizen eine Randerscheinung - noch.

Die Krux beim Weizen

Doch warum ist das beim Weizen so kniffelig? Zunächst liegt es an der Blühbiologie: Weizen ist ein Selbstbefruchter. Er ist zudem kleistogam, d. h. die Selbstbestäubung und -befruchtung findet weitgehend innerhalb der geschlossenen Blüte statt. Dadurch gelangt wenig Pollen nach draußen. Doch eine hohe Pollenausschüttung ist die Voraussetzung dafür, dass ein Vater eine andere Blüte erfolgreich bestäuben kann. Damit das gut und wirtschaftlich funktioniert, muss man die Vaterlinien züchterisch in fremdbefruchtende Pflanzen umwandeln. Ein Vorgang, der sehr aufwändig und langwierig ist.

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Video: Das BMBF-Forschungsprojekt HYWHEAT ruft die Revolution auf dem Acker aus: Hybridweizen soll für höheren Ertragszuwachs sorgen. (Quelle: Pflanzenforschung.de/youtube.com)

Um Hybriden erfolgreich zu erzeugen, benötigt man neben einer gut bestäubenden Vaterlinie eine Mutterlinie, die männlich steril ist, also selbst keinen Pollen bildet. Nur so kann gewährleistet werden, dass sie nur von der Vaterlinie und nicht auch vom eigenen Pollen bestäubt wird. Diese Lenkung der Bestäubung wird durch ein sogenanntes Hybridsystem gewährleistet, welches durch gentechnische, biologische und chemische Ansätze hergestellt werden kann. Man kann die Mutter beispielsweise durch chemische Hybridizierungsmittel (Gametozide) kastrieren, allerdings sind diese in Deutschland derzeit nicht zugelassen.

Alternative biologische Systeme, die männliche Sterilität induzieren, sogenannte CMS-Systeme (CMS = cytoplasmatisch-männliche Sterilität), waren lange für Weizen nicht verfügbar. Denn eine Besonderheit ist, dass die vorher hergestellte Sterilität der Mutter später - in der Hybride - wieder aufgehoben werden muss. Das ist die Voraussetzung, um in geeigneter Zahl fruchtbare Nachkommen zu erhalten. Man erreicht das indem der Vater über ein sogenanntes Restorer-Gen verfügt, dass er an die „Kinder“ vererbt.

Erschwerend, für den ökonomischen Erfolg von Hybridsorten bei Weizen ist, dass der Heterosiseffekt bei Selbstbefruchtern wie Weizen geringer ausfällt als bei Fremdbefruchtern wie Mais oder Roggen. So liegt beim Weizen die Mehrleistung der derzeit zugelassenen Hybriden nur knapp über den Erträgen der besten Liniensorten. Die Hybridleistung zu maximieren, ist daher ein weiteres Ziel von Züchtern.

Ein Knackpunkt für diese Leistungsmaximierung war, dass die dafür notwendigen Genpools (heterotische Gruppen) beim Weizen fehlten. Genetisch unterschiedliche Gruppen, also viele stark divergierende nicht verwandte Elternpflanzen, sind die Voraussetzung für Hybridzuchtprogramme und hohe Hybridleistung. Man benötigt diese Genpools zum Testen möglicher Hybridkombinationen, das heißt den besten zueinander passenden Eltern. Dabei ist es auch ein Unterschied, ob ein Elter Männlein oder Weiblein ist.

All diese Hintergründe und Einflussfaktoren belegen - Hybridzüchtung ist eines nicht, trivial.

Fehlende Grundlagen wurden im Projekt „HYWHEAT“ geschaffen

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Im Projekt

Im Projekt "HYWHEAT" wurden rund 1.600 Testhybriden hergestellt. Hier zu sehen: 2.400 Parzellen am Standort Seligenstadt.

Bildquelle: © KWS

„In „HYWHEAT“ haben wir genetische Parameter untersucht, um damit zuallererst einmal Grundlagen zu schaffen, wie man Hybridzüchtung beim Weizen gestalten kann. Wir haben im Forschungsverbund rund 1.600 Testhybriden hergestellt. In der Größe und in dem Umfang hat es das bis dahin noch nicht gegeben“, erklärt Dr. Erhard Ebmeyer, der Zuchtleiter Weizen bei der KWS LOCHOW GMBH ist und Koordinator des PLANT 2030-Projekts „HYWHEAT“ war.

Ziel des Projektes war es, Methoden zu entwickeln, um die Hybridleistung bei Winterweizen (Triticum aestivum) mithilfe von phänotypischen, genomischen und metabolomischen Daten vorherzusagen. Von 2011 bis 2014 forschte eine Konsortium bestehend aus der Universität Hohenheim, dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) sowie den vier Züchtungsunternehmen KWS LOCHOW GMBH, Lantmännen SW Seed Hadmersleben GmbH, Limagrain GmbH und der NORDSAAT Saatzuchtgesellschaft mbH im Projekt, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde.

Viele Daten wurden gesammelt

Dafür war es zunächst nötig, mögliche Elternlinien auszuwählen, Testkreuzungen durchzuführen und die phänotypischen Merkmale der Eltern und Hybriden zu beschreiben (Phänotypisierung). Die beteiligten Zuchtunternehmen haben dabei die Hybriden mit Hilfe eines Gametozids erstellt und die Phänotypisierung in umfangreichen mehrortigen und mehrjährigen Feldversuchen mit mehr als 28.000 Parzellen durchgeführt.

Die akademischen Partner übernahmen die Analyse der genetischen Daten. Ein Arbeitspaket des Projektes beschäftigte sich mit der Genotypisierung der Elternlinien. Die Wissenschaftler nutzten dafür eine spezielle Art von DNA-Mikroarrays, sogenannte SNP-Chips, die Single Nucleotide Polymorphisms (kurz: SNPs) detektieren - d. h. Punktmutationen, die lediglich ein Basenpaar betreffen. Darüber hinaus wurden Daten über den Stoffwechsel, das Metabolom, also beispielsweise die Aktivität von Enzymen erfasst und für die Vorhersage herangezogen. Metabolomische Profile wurden erstellt, indem Proben der Getreidepflanzen im Feld genommen und die Metaboliten im Labor analysiert wurden.

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Ziel des PLANT 2030-Projekts "HYWHEAT" war die Entwicklung von Methoden zur Vorhersage der Hybridleistung bei Winterweizen.
Mehr zum Projekt ...

Ziel des PLANT 2030-Projekts "HYWHEAT" war die Entwicklung von Methoden zur Vorhersage der Hybridleistung bei Winterweizen.
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Vorhersage der Hybridleistung ermöglichen

Alle Daten, die im Projekt generiert wurden, benötigte man für die Entwicklung von Modellen, die mit Hilfe statistischer Methoden die Leistung der Hybride vorhersagen sollen. „Genomic Selection“ ist hier das Stichwort. Bei dieser züchterischen Methode (die ursprünglich aus der Rinderzucht stammt, siehe hierzu: „Aufbruch in ein neues Züchtungszeitalter“) werden die genotypischen Daten der Eltern herangezogen, um die Leistung, z. B. den Ertrag, der Kreuzungen vorherzusagen. Dazu benötigt man aber auch die phänotypischen Daten der erzeugten Hybriden, um die Ergebnisse zu validieren. Alles in allem will man den züchterischen Prozess durch solche Methoden beschleunigen.

Die Ergebnisse überzeugen

Die Hybridleistung konnte im Projekt gut vorausgesagt werden. Die Korrelation der vorausgesagten zur tatsächlich erreichten Leistung, war höher als die Wissenschaftler dies im Vorfeld vermutet hatten. Und nicht nur das: „Das Projekt hat uns gezeigt, wie hoch die Mehrleistung von Hybriden beim Weizen sein kann! Viele der Testhybriden lagen deutlich über den damals besten Liniensorten. Das war ein wichtiges Ergebnis“, sagt Ebmeyer.

Ein weiteres Ergebnis des Projektes war die Vielfalt an Daten, die weiter genutzt werden können, wie die ermittelte Kombinationseignung der Eltern, also deren Eignung für das züchterische Vorhaben. Die Kombination genetisch sehr unterschiedlicher Eltern hat auch immer den Vorteil, dass es möglich ist, Resistenzen oder Toleranzen bestmöglich im Nachkommen zu vereinen und so eine besser angepasste Sorte zu entwickeln. „Die Resultate des Projekts haben uns deutlich weitergeholfen auf dem Weg hin zur Entwicklung leistungsfähiger Hybridsorten“, fasst Ebmeyer zusammen.


Anregungen zum Weiterlesen:

Titelbild: Derzeit wird Hybridweizen weltweit kaum angebaut. (Bildquelle: © KWS)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030