Wenn die Mutter den Vater unterdrückt
In der Entwicklung des Pflanzenembryos dominieren anfangs die mütterlichen Einflüsse diejenigen des Vaters. Möglich wird das durch epigenetische Prozesse, wie ein internationales Team von Pflanzenforschern in „Cell“ berichtet.
In den ersten Teilungszyklen eines Embryos unterdrücken Einflüsse der Eizelle das Erbgut des Spermiums. Für weite Teile der Tierwelt gilt das als gesicherte Tatsache. Erst dann wird infolge einer umfangreichen Umprogrammierung des Chromatins – jenes DNA-Protein-Komplexes der die Chromosomen bildet – die väterliche Erbinformation exprimiert. Ob das allerdings analog auch für Pflanzen gilt, war bislang unklar. Einige Studien hatten eine deutliche maternale Dominanz gefunden, andere konnten hingegen zeigen, dass Genprodukte beider Elternteile aktiv waren.
Klarheit hat jetzt eine internationale Forschergruppe um Daniel Grimanelli von der Universität Montpellier und Ueli Grossniklaus von der Universität Zürich geschaffen, deren Arbeit im Fachmagazin „Cell“ erschienen ist. Die Pflanzenbiologen kreuzten zwei genetisch gut unterscheidbare Rassender Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Dann untersuchten sie die quantitativen Beiträge des maternalen und paternalen Genoms zum Transkriptom des pflanzlichen Embryos, also welche elterlichen Gene wie viel zu den Genprodukten beisteuern, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle vorhanden sind. Darüber hinaus analysierten sie das Transkriptom je nach Allel – der jeweiligen Ausprägung des einzelnen Gens.
Mittels moderner Sequenzierungsmethoden konnten das Team die Embryonen direkt nach der ersten und zweiten Zellteilung studieren. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass in den frühen Entwicklungsstadien des Embryos genomweit maternale Transkripte deutlich dominieren. Das mütterliche Erbgut legt in dieser Entwicklungsphase zahlreiche väterliche Gene mittels siRNA-Molekülen still, indem die Moleküle die Transkription hemmen.
Gleichzeitig fand das Team aber auch, dass Transkripte mancher Gene dennoch in der Ausprägung beider Elternteile vorlagen – allerdings sind solche Gene seltener. In weiteren Analysen zeigte sich, dass der Anteil des väterlichen Einflusses mit fortschreitender Entwicklung des Embryos zunahm. Wie schnell das geschah, war dabei je nach Gen unterschiedlich.
Darüber hinaus untersuchten die Pflanzenforscher genauer die zwei maternalen epigenetische Abläufe, die antagonistisch den väterlichen Einfluss regulieren: den sogenannten Chromatin verändernden siRNA-Mechanismus sowie den Histon-Chaperon-Komplex.
Die beschriebenen Abläufe erscheinen aus Evolutionssicht durchaus sinnvoll: Auf diesem Weg könnte die weibliche Pflanze sicherstellen, dass es sich bei der väterlichen Pflanze um die gleiche oder eine genetisch kompatible Art handelt. Ist das nicht der Fall, stirbt der Pflanzenembryo ab. Somit könnte der von den Forscher entdeckte Mechanismus dazu dienen, die Artgrenzen aufrecht zu erhalten. Das wiederum wäre für Interesse von der Pflanzenzüchtung, die gelegentlich Kultur- und Wildpflanzen kreuzt, um beispielsweise Resistenzen zu übertragen. Häufig schlagen derartige Bemühungen fehl, weil die Entwicklung des Embryos schon in der Anfangsphase abbricht.
Neben den Schweizer Forschern, die Mitglied des Schweizer Portals für Pflanzenwissenschaften (Swiss Plant Science Web) sind, sowie den französischen Forschern waren auch Wissenschaftler der Universitäten Kiel und vom CINVESTAV in Mexiko beteiligt.
Quelle:
D. Autran et al. (2011) Maternal Epigenetic Pathways Control Parental Contributions to Arabidopsis Early Embryogenesis, Cell, doi: 10.1016/j.cell.2011.04014. (Link).
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