Stefan Rauschen im Gespräch:

„Wir können Sortenunterschiede deutlich zeigen.“

Auf einem Maisfeld sind die Lebensbedingungen für Insekten und andere Kleinlebewesen nicht überall gleich, in der Mitte ist es anders als am Rand, in einer Mulde feuchter als auf einer Erhebung. Solche kleinräumigen Unterschiede können eine Population erheblich beeinflussen. Wenn mögliche Auswirkungen von Bt-Mais auf das Maisökosystem untersucht werden, wie können die Wissenschaftler natürliche Schwankungen unterscheiden von einem möglichen Effekt, der auf die gentechnische Veränderung zurückzuführen ist. BioSicherheit sprach darüber mit Stefan Rauschen von der RWTH Aachen.

Stefan Rauschen

Stefan Rauschen, Diplom Biologe, Doktorand am Institut für Umweltforschung der RWTH Aachen

Weichwanze trigonotylus caelestialium
Besonderes Augenmerk richten die Wissenschaftler aus Aachen bei ihren Untersuchungen auf Weichwanzen. So haben sie festgestellt, dass es große Unterschiede im Vorkommen der Weichwanzenart t.caelestialium zwischen zwei konventionellen Sorten gibt. Zwischen Bt-Mais und der isogenen Sorte wurde hingegen kein Unterschied gefunden.

Foto: Frank Köhler/ www.koleopterologie.de

bioSicherheit: Sie untersuchen in Ihrem Projekt die Auswirkungen von Bt-Mais, der gegen den Maiswurzelbohrer resistent ist, auf das Maisökosystem. Der grundlegende Ansatz ist, das Vorkommen ausgewählter Arten in verschiedenen Mais-Varianten zu vergleichen, um so mögliche Bt-Effekte herauszufinden. Die Häufigkeit bestimmter Arten an einem bestimmten Ort ist aber von sehr vielen Faktoren abhängig etwa vom Wetter oder von der Bodenbeschaffenheit; auch die Fangmethode und der Zeitpunkt der Probenahme beeinflusst die Ergebnisse. Wie ist da eine Aussage zu möglichen Auswirkungen von Bt-Mais überhaupt möglich?

Stefan Rauschen: Da die kleinräumigen Bedingungen an jedem Standort zu ganz natürlichen Schwankungen führen, ist es bei Untersuchungen im Freiland von Vorteil, eine möglichst gleichförmige Versuchfläche zu haben, mit möglichst ähnlichen Bedingungen in allen Parzellen, damit man Unterschiede zwischen den untersuchten Sorten herausarbeiten kann.

Aber selbst wenn wir einen perfekten homogenen Standort haben, ist schon die erste Frage: Wo lege ich welche Parzelle hin? Wenn man das Parzellendesign randomisiert, d.h. die Parzellen nach dem Zufallsprinzip verteilt, liegen u.U. zwei oder drei gleichartige Parzellen nebeneinander. Deshalb haben wir die Verteilung unserer 32 Parzellen an zwei Bedingungen geknüpft. Parzellen mit derselben Sorte sollten nicht nebeneinander liegen und von jeder Sorte sollten gleich viele Parzellen am Feldrand bzw. in der Mitte liegen, damit die Randeffekte gleich verteilt sind. In unserem Parzellenversuch haben wir acht Wiederholungen, also acht Parzellen von jeder Sorte. Die sollte es mindestens geben, besser wären zehn oder zwölf. Damit könnte man die Daten noch ein bisschen besser herausarbeiten.

bioSicherheit: Konnten Sie denn trotz der kleinräumigen Einflussfaktoren deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Mais-Varianten finden?

Stefan Rauschen: Wir haben außer Bt-Mais und der isogenen Sorte auch zwei konventionelle Sorten im Versuch und diese beiden Sorten sind im Bezug auf eine Weichwanzenart, die wir ganz zentral untersuchen, sehr unterschiedlich. Wir haben zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr sieben bis zehnmal so viele Tiere in der einen konventionellen Sorte gefunden als in der anderen. Mit großer Wahrscheinlichkeit lässt sich sagen: Das ist definitiv ein Sorteneffekt. Das Schöne ist, dass wir in allen drei Jahren in Bezug auf diese Weichwanzenart diesen Effekt, diesen großen Unterschied gefunden haben.

Wenn wir diesen Unterschied zwischen Bt-Mais und der isogenen Sorte gefunden hätten, wäre es ein Grund gewesen, dort näher nachzuschauen. Wir haben aber keine Unterschiede zwischen Bt-Mais und der isogenen Sorte z.B. für diese Weichwanze gefunden. Im Grunde zeigt das sehr gut, dass wir Sortenunterschiede herausarbeiten können. Wir wissen zwar nicht, woran diese genau liegen, wir können aber einen Sorteneffekt auf diese eine Art z.B. deutlich zeigen.

bioSicherheit: Wenn es einen ähnlich großen Bt-Effekt geben würde, würde der dann auch auffallen?

Stefan Rauschen: Ja, wenn es einen solchen Effekt gäbe, würde der auffallen.

bioSicherheit: Könnte es auch sein, dass Bt durchaus einen Effekt hat und man es nicht erkennen kann, weil er überlagert ist von natürlichen Schwankungen durch verschiedenste Einflussfaktoren?

Stefan Rauschen: Das ist prinzipiell möglich. Wenn es einen kleinen Effekt gäbe, dann würde der mit Sicherheit in der natürlichen Schwankung untergehen. Die Frage ist aber, ist der dann ökologisch überhaupt relevant? Wenn man, weil es einmal kräftig gegossen hat in einem Jahr, etwa bei den Thripsen Populationsschwankungen bekommt von Faktor 100 oder 200, dann muss ich mich fragen, ob es relevant ist, wenn es beim Bt-Mais mal eine Reduktion gibt um zehn Prozent bei einer ohnehin schon großen Standardabweichung. Aber es stellt sich auch die Frage, wie beurteilt man, dass eine konventionelle Sorte für eine Weichwanze so viel schlechter ist als eine andere. Muss ich nicht alle anderen konventionellen Sorten auch bewerten?

bioSicherheit: Die Projekte des Maisverbundes werden ja von Statistikern unterstützt, um die Auswertung der Versuche und vor allem die Schlussfolgerungen statistisch abzusichern, also einen hieb- und stichfesten Sicherheitsnachweis zu liefern. Was bedeutet das für Ihren Versuch?

Stefan Rauschen: Von Seiten der Statistiker in unserem Verbund gibt es den speziellen Ansatz des proof of safety, der ursprünglich für klinische Untersuchungen entwickelt wurden. Da werden so genannte Sicherheitsbereiche festgelegt. Abweichungen innerhalb dieser Bereiche sind unproblematisch und nicht relevant, Abweichungen, die über diesen Bereich hinausgehen sind problematisch. Für uns ist es allerdings schwierig, solche Sicherheitsbereiche festzulegen. Dafür fehlen uns die Daten. Ich kann als Biologe nicht mit gutem Gewissen sagen, dass eine bestimmte Weichwanzenart dort und dort mit einer Dichte von x Tieren pro Parzelle vorkommt ist problematisch, oder wenn sie um Faktor 250 Prozent häufiger vorkommt, dann ist es noch o.k. Ich kann solche Bereiche nicht vorgeben. Dazu weiß ich auch zu wenig über die Biologie von diesen Tieren. Man kann nur anhand vorhandener Daten versuchen, Bereiche zu schätzen, in denen die tatsächlichen Mittelwerte liegen, um diese dann zu vergleichen und zu schauen, wie groß sind die Schwankungen.

Ein wichtiger Punkt, den die Statistiker anmahnen ist, dass wir möglichst Tierarten auswählen, die mit einer relativ hohen mittleren Dichte vorkommen, d.h. pro Probenahme mit im Schnitt zwanzig bis 25 Tieren, damit eine statistische Auswertung überhaupt möglich ist. Mit Tieren, die fünf bis sechs mal im Jahr zu finden sind oder nur vereinzelt vorkommen, lässt sich statistisch gesehen nichts anfangen.

bioSicherheit: Wie lassen sich denn zusätzliche Einflussgrößen wie Bodenwerte etc. statistisch in den Griff kriegen?

Stefan Rauschen: Wenn man Faktoren kennt, die einen Einfluss haben könnten auf die Häufigkeit, dann lässt sich mit statistischen Methoden bestimmen, welchen Anteil der Variabilität in der Häufigkeit eine bestimmte Einflussgröße erklärt. Und dann kann man sagen, von den im Feld beobachteten Schwankungen lässt sich aufgrund der Schwankung einzelner Parameter, die ich gemessen habe, so und so viel erklären. Dadurch kann ich eine schärfere Aussage über Unterschiede zwischen einzelnen Sorten machen.

bioSicherheit: Gibt es so was wie eine „baseline“ bezogen auf bestimmte Organismengruppen? Also könnte man sagen, in einem Maisökosystem kommen normalerweise so und so viele Weichwanzen vor und daran kann man sich orientieren oder geht es immer um einen relativen Vergleich zwischen verschiedenen Varianten an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit?

Stefan Rauschen: Ja es ist immer relativ, eine baseline gibt es nicht. Das fängt schon damit an, dass wir nicht hundertprozentig sicher wissen, welche Organismen überhaupt in welchen Regionen vorkommen. Zikade xy kommt vielleicht mehr im Bayerischen oder im Baden-Württembergischen vor, aber wenn man weiter nach Norden geht, hat sie vielleicht schon ihre Verbreitungsgrenze erreicht und man findet sie im Maisfeld schon nicht mehr. Dann gibt es jahreszeitliche Unterschiede bzw. von Jahr zu Jahr gibt es große Unterschiede. Es gibt aber ein paar Arten, die wird man mit Sicherheit oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit immer finden. Bei den Zikaden kann ich fünf Arten sagen, die haben wir an unserem ersten Standort gefunden, die haben wir auf auf dem derzeitigen Versuchsfeld gefunden, die würde ich wahrscheinlich auch im Oderbruch finden.

bioSicherheit: Könnten Sie denn sagen, wir empfehlen die und die Organismen als Indikatororganismen, die sind immer im Maisfeld und die eignen sich für ein Monitoring?

Stefan Rauschen: Es gibt ein paar Arten, von denen ich mit Sicherheit sagen würde, dass die interessant wären für ganz Deutschland oder für Europa. Also die Maisblattzikade, mit der wir ja auch arbeiten, da weiß ich, die gibt es in Spanien, die gibt es in Ungarn, die gibt es bei uns, dann wird es sie in Frankreich und in Italien wohl auch geben.

Die nächste Frage ist aber, wie relevant der Organismus ist. Und wie stellvertretend ist er für seine Gruppe. Ich kann Indikatorarten vorschlagen, aber ich müsste dazu sagen, dass ich es definitiv nur für deren Verbreitungsgebiet tun kann und dass noch weitere Sensitivitätstests im Labor gemacht werden müssten. Für das nächste Projekt haben wir uns genau das vorgenommen. Meiner Meinung nach wäre die richtige Reihenfolge, man geht in eine bestimmte Region, wo Mais angebaut werden soll, man schaut sich an, was sind die wichtigen Arten, welche kommen häufig genug vor, um eine statistisch abgesicherte Aussage machen zu können. Und welche Bedeutung haben sie funktionell in der Artengemeinschaft. Dann untersucht man diese Organismen im Labor, macht mit denen quasi eine worst-case-Exposition nach Möglichkeit über mehrere Generationen und mit standardisierten Methoden. Wenn man dann nichts findet im Labor, kann man sagen, es ist erledigt. Wenn man im Labor was findet, dann beobachtet man das parallel weiter im Feld.

bioSicherheit: Wäre es sich bei dem von Ihnen untersuchten Bt-Mais sinnvoll, zunächst bestimmte Käferarten zu untersuchen, da der Wurzelbohrer ja auch ein Käfer ist?

Stefan Rauschen: Im Prinzip ist das nahe liegend, aber in der Tat ist es so, dass bei uns die Käfer - jedenfalls die Blattkäfer, die in der Krautschicht leben und mit dem Maiswurzelbohrer nah verwandt sind - nicht so die herausragende Position im Maisfeld haben, nicht von der Dichte her und auch nicht von der Diversität. Wir haben da drei oder vier Arten, die kommen aber sehr selten vor. Wir legen großen Wert darauf, dass man wirklich guckt, welche Arten kommen mit Bt in Berührung. Wenn ich feststelle, wie bei dieser Weichwanze, über die wir hier gesprochen haben, dass die richtig viel Bt-Protein aufnimmt - die saugt am grünen Blatt und es ließ sich im Schnitt ein fünftel dessen, was im Blatt gemessen wurde, noch in dem Tier nachweisen - und ich dann immer noch nichts finde, dann sieht es wirklich danach aus, dass Bt hier keinen Einfluss hat.

bioSicherheit: Vielen Dank für das Gespräch