Bioenergiepotenziale für 148 Länder

07.12.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Erzeugung von Ethanol für die Verwendung als Biokraftstoff ist eine Form Biomasse energetsich zu nutzen. (Quelle: © iStockphoto.com/ tornadochaser)

Die Erzeugung von Ethanol für die Verwendung als Biokraftstoff ist eine Form Biomasse energetsich zu nutzen. (Quelle: © iStockphoto.com/ tornadochaser)

Flächenpotenziale zur Erzeugung von Bioenergie können nur dann zunehmen, wenn die Ernährung der Menschen sichergestellt ist. Global herrschen in der Selbstversorgung der Länder große Unterschiede. Diese spiegeln sich auch in den Bioenergiepotenzialen wieder.

Überschüsse und Defizite im Agrarhandel

Zu den großen Agrarexportstaaten gehören Nordamerika, Südamerika, Australien und die EU 27. Abbildung 1 zeigt den Selbstversorgungsanteil der Länder mit Nahrungsmitteln. Der Faktor 1 sagt beispielsweise aus, dass das Land genau so viele Nahrungsmittel erzeugt, wie es für die Inlandsversorgung benötigt. Beim Faktor 2 produziert es entsprechend doppelt so viele Nahrungsmittel wie benötigt und kann exportieren. Länder mit einem Faktor unter 1 sind auf Importe angewiesen, um die Bevölkerung ernähren zu können.

#####bildbox1#####
Abb. 1: Anteil Selbstversorgung bei Nahrungsmitteln im Durchschnitt der Jahre 2006-2009, Faktor 1 bedeutet, dass ein Land genauso viele Nahrungsmittel erzeugt, wie es benötigt. (Quelle: Eigene Darstellung der Studie „Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungspotentials“ der Universität Hohenheim nach Daten von FAOSTAT)

Abb. 1: Anteil Selbstversorgung bei Nahrungsmitteln im Durchschnitt der Jahre 2006-2009, Faktor 1 bedeutet, dass ein Land genauso viele Nahrungsmittel erzeugt, wie es benötigt. (Quelle: Eigene Darstellung der Studie „Globale Analyse und Abschätzung des Biomasse-Flächennutzungspotentials“ der Universität Hohenheim nach Daten von FAOSTAT)

In den Staaten mit hohem Selbstversorgungsfaktor existierten auch die größten Potenziale für eine Umlenkung der meist subventionierten Agrarexporte in die inländische Verwendung für die stoffliche und energetische Nutzung. Die USA und Brasilien haben seit Jahren zunehmend davon Gebrauch gemacht.

Weltweit  verfügen Amerika, Europa und Australien über die größten Agrarüberschüsse. Auf dem afrikanischen Kontinent kann sich lediglich Südafrika infolge beträchtlicher Zuckerexporte als Land annähernd selbst versorgen. In der Summe aller afrikanischen Länder liegt der Selbstversorgungsanteil an Nahrungs- und Futtermitteln nur bei etwa 80 %, während die Länder Nord-Amerikas (Kanada und USA) trotz umfangreicher Bioenergieproduktion einen Selbstversorgungsgrad von 175 % aufweisen. Die großen Versorgungsdefizite muss Afrika durch umfangreiche Agrarimporte ausgleichen. Durchschnittlich liegt die Selbstversorgung weltweit bei etwa 100 %.

Welche Faktoren werden die zukünftige Entwicklung der Ernährungssituation bestimmen? Und welche Potenziale für die Biomasse-Flächennutzung ergeben sich daraus?

Für die Abschätzung der zukünftigen Flächenpotenziale für Bioenergie zogen die Wissenschaftler die Bevölkerungsentwicklung, die Veränderung des Pro-Kopf-Verbrauchs, die Ertragsentwicklung, die Flächenumwidmung und andere entscheidende Parameter heran.

Erst Teller, dann Tank: Sicherung der Welternährung

Als Prämisse für alle Berechnungen setzten die Wissenschaftler fest, dass die Welternährung vorrangig sichergestellt werden muss, bevor Flächenpotenziale zur Bereitstellung von Bioenergie genutzt werden. Methodisch gingen sie so vor, dass sie zunächst den Flächenanteil eines Landes bestimmten, der für die Sicherung der Inlandsversorgung benötigt wird. Dann berechneten sie den Flächenanteil, der für die Sicherung der Welternährung exportiert werden sollte. Nur die darüber hinaus verbliebene Fläche kann für Bioenergie im Inland wendet werden.

Große Unterschiede der Kontinente

Nach Abgaben der Studienautoren sind die Flächenpotenziale zur Herstellung von Bioenergie zumindest bis zum Jahr 2020 verlässlich abschätzbar. In den verschiedenen Szenarien wird deutlich, dass die globalen Flächen- und Kraftstoffpotenziale im Wesentlichen von der Nahrungsmittelnachfrage einerseits und den Ertragssteigerungen auf begrenzter Ackerfläche andererseits abhängen.

#####bildbox2#####
An erster Stelle der Nutzungskaskade steht die Nutzung von Biomasse zur Ernährung der Weltbevölkerung. (Quelle: © Great Divide Photo / Fotolia.com)

An erster Stelle der Nutzungskaskade steht die Nutzung von Biomasse zur Ernährung der Weltbevölkerung. (Quelle: © Great Divide Photo / Fotolia.com)

Die Regionen der Welt entwickeln sich dabei szenarienübergreifend in unterschiedliche Richtungen: Während Europa, Nordamerika und Südamerika erhebliche und stabile Flächenpotenziale für die Bioenergiepflanzenproduktion vorhalten können, besteht in Asien und Afrika ein zunehmender Importbedarf an Nahrungsmitteln aufgrund des hohen Bevölkerungswachstums. Dieses erfordert, unter der Annahme eines globalen Handelsausgleichs zur Sicherung der Welternährung, auch eine rechnerische Flächeninanspruchnahme der potenziellen Bioenergieflächen in den anderen Regionen. Gleichzeitig wird die Verknappung zu Preiseffekten führen, die Produktionssteigerungen unterstützen.

Flächenpotenziale im Länder- und Kontinentenvergleich:

Deutschland

Deutschland charakterisieren die Wissenschaftler im weltweiten Kontext als Ausnahmefall, weil höchster Bevölkerungsrückgang und hohe Produktivitätssteigerungen zusammenwirken. Von 17 Mio. ha landwirtschaftlicher Fläche werden in der Basis nur 13 Mio. ha für die inländische Nahrungsmittelversorgung bei gegebenem Import-Exportumfang benötigt. 2 Mio. ha werden bereits für nachwachsende Rohstoffe verwendet und weitere 2 Mio. ha stünden aus Brachflächen und Exportabbau zur Verfügung.

Aufgrund des Bevölkerungsrückgangs reduziert sich bis zum Jahr 2050 der Flächenanspruch für inländisch bereitgestellte Nahrungsmittel bei gegebenen Agrarimporten auf 7 Mio. ha. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Fläche für Agrarexporte (Sicherung Welternährung) auf ca. 2,4 Mio. ha und es verbleiben ca. 7,5 Mio. ha für nachwachsende Rohstoffe. Dieses Potenzial wird allerdings nur für Bioenergie bereitgestellt, wenn die Konversion zu Bioenergieträger durch Förderung oder die Preisrelationen wirtschaftlicher sind als der Agrarexport oder Agrarimportsubstitutionen.

EU-27

Auch die EU-27 benötigt von den derzeit 190 Mio. ha zukünftig weniger Fläche für die Inlandsversorgung mit Nahrungsmitteln: derzeit bei gegebenem Export-Importumfang 170 Mio. ha und in 2050 noch etwa 140 Mio. ha. Die Exporte werden aber um ca. 10 Mio. ha ansteigen. Zusammen mit den derzeit schon verwendeten 9 Mio. ha werden bis 2050 ca. 32 Mio. ha für nachwachsende Rohstoffe zur Verfügung stehen.

Weltweit

Die Studienautoren schätzen die technischen Potenziale für Bioenergieflächen für die Basis (2006-2009) weltweit auf etwa 190 Mio. ha. Davon entfallen ca. 2,3 Mio. ha auf Deutschland und ca. 10 Mio. ha auf die EU-27. Im Referenzszenario nehmen die Bioenergiepotenziale im Zeitablauf zu. Weltweit steigen sie bis 2050 auf gut 280 Mio. ha an.

#####bildbox3#####
Abb. 2: Wichtige Ergebnisse zu den Bioenergiepotenzialen in Deutschland und der EU-27. (Quelle: Berechnungen der Universität Hohenheim)


Abb. 2: Wichtige Ergebnisse zu den Bioenergiepotenzialen in Deutschland und der EU-27. (Quelle: Berechnungen der Universität Hohenheim)