Ein fein austariertes Wechselspiel

Zellteilung: Wachsen oder spezialisieren?

25.03.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Dank fluoreszierender Proteine lassen sich die Zellteilungen in der Arabidopsis-Wurzel unter dem Mikroskop genau beobachten. (Bildquelle: © Benfey lab, Duke University)

Dank fluoreszierender Proteine lassen sich die Zellteilungen in der Arabidopsis-Wurzel unter dem Mikroskop genau beobachten. (Bildquelle: © Benfey lab, Duke University)

Durch eine Zellteilung können entweder zwei gleiche oder zwei unterschiedliche Zelltypen entstehen. Ersteres führt lediglich zu Wachstum, letzteres zur Bildung von spezialisierten Zellen, neuen Geweben oder Organen. Das molekularbiologische Wechselspiel, was darüber entscheidet, ist komplexer als gedacht.

Jeder mehrzellige Organismus beginnt mit einer einzigen Zelle. Die teilt sich immer weiter, wobei sich die einzelnen Zellen nach und nach auf unterschiedliche Aufgaben spezialisieren. Die Tochterzellen tragen zwar immer genau die gleiche DNA, müssen aber nicht zwangsläufig die gleiche Funktion erfüllen.

Bei einer sogenannten symmetrischen (proliferierenden) Zellteilung entstehen Tochterzellen des gleichen Typs. Bei einer asymmetrischen (formativen) Zellteilung hingegen werden Tochterzellen unterschiedlichen Typs gebildet. Zum Beispiel kann aus einer Endodermiszelle eine neue Endodermiszelle und eine Wurzelrindenzelle entstehen. Es ist dabei sehr wichtig, dass der Prozess der Zellteilung und -spezialisierung sehr exakt abläuft, weil es sonst zu Entwicklungsproblemen oder Krankheiten wie Krebs kommen kann.

Fluoreszenz-markierte Proteine im Lichtscheibenmikroskop

Ein Team von US-amerikanischen Wissenschaftlern um den inzwischen verstorbenen Philip N. Benfrey von der Duke University hat genauer untersucht, welche Faktoren bei der Zellteilung über das Schicksal der Tochterzellen entscheiden.

Dafür arbeiteten sie mit Wurzelgewebe von Arabidopsis thaliana und markierten die an der Zellteilung beteiligten Transkriptionsfaktoren SHORTROOT (SHR) und SCARECROW (SCR) sowie ein Histonprotein (H2B) im Zellkern mit Fluoreszenz-Proteinen und beobachteten dann das Geschehen mit einem Lichtscheibenmikroskop aller 15 Minuten für 48 Stunden. Das ist möglich, weil die Wurzelzellen nahezu durchsichtig sind. Die Intensität des Lichts gab Aufschluss darüber, wie viel von dem jeweiligen Protein in den Zellen vorlag.

Formative Teilung geht nur in Stammzellen

Es war bereits bekannt, dass die Transkriptionsfaktoren SHR und SCR für den Prozess der asymmetrischen Zellteilung eine wichtige Rolle spielen. Sie bilden einen Komplex aus, der an die genomische DNA bindet und dadurch das Gen aktiviert, welches das Zellzyklus-Regulator-Protein CYCD6 kodiert, was wichtig ist für die formative Zellteilung.

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Das Video zeigt u.a. mikroskopische Zeitraffer-Aufnahmen von fluoreszenzmarkierten und sich teilenden Stammzellen der Wurzel (Sprache: Englisch)

Videoquelle: © Duke University

In ausdifferenzierten Zellen verhindert das RETINOBLASTOMA-RELATED (RBR) Protein (ein bekannter Regulator des Zellzyklus), dass der SHR-SCR-Komplex an die DNA binden kann. In Stammzellen hingegen liegt RBR in phosphorylierter Form vor und ist dadurch inaktiv. Nur in diesen Stammzellen also kann SHR-SCR überhaupt an die DNA binden und CYCD6 exprimiert werden.

SHR-SCR-Komplex muss frühzeitig aktiv werden

Bisher dachte man, dass hohe Werte von SHR notwendig sind, damit die asymmetrische Zellteilung starten kann. Die neuen Ergebnisse der Gruppe um Philip Benfey zeigen jedoch, dass niedrige Werte von SHR ausreichend sind. Dafür gibt es einen anderen Faktor, der bisher außer Acht gelassen worden war: die Zeit. Der SHR-SCR-Komplex muss sehr früh im Zellzyklus, also in der sogenannten G1- oder zu Beginne der S-Phase, aktiv werden. Nur dann kann die asymmetrische Teilung eingeleitet werden.  Wird SHR-SCR erst in der G2- oder M-Phase ausgebildet, so findet trotzdem fast immer eine proliferierende Teilung statt.

Auxin und SHR bestimmen gemeinsam über Zellschicksal

Es entscheiden in der Pflanzenwurzel zwei Gradienten darüber, wie eine Zelle sich teilen wird. Zum einen gibt es den Auxin-Gradienten, der in der Wurzel von unten nach oben verläuft. An der Wurzelspitze befindet sich besonders viel Auxin, weiter oben weniger. Zum anderen spielt der SHR-Gradient eine Rolle, der radial in der Wurze verläuft und nach außen hin abnimmt. Nur an den Orten, wo Auxin und SHR zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Menge vorliegen, teilen sich die Zellen asymmetrisch. Bei der Pflanzenwurzel ist dies im Meristem an der Wurzelspitze der Fall (hier können Zellen beide Arten der Teilung vollführen).

Interessanterweise konnte SHR außerhalb des Meristems keine asymmetrische Zellteilung induzieren. Es scheint also noch andere Faktoren zu geben – einer davon der bereits erwähnte Auxin-Gradient – die hier eine asymmetrische Zellteilung verhindern.

Ergebnisse auch für die Humanmedizin bedeutsam

Die Zellteilung ist ein fundamentaler Vorgang in allen mehrzelligen Lebewesen. Die Ergebnisse haben daher auch Bedeutung für den humanen Bereich. Denn obwohl sich Pflanzen und Tiere vor mehr als einer Milliarde Jahren auseinanderentwickelt haben, haben sie einen Großteil der gleichen molekularen Grundausstattung geerbt - darunter viele der gleichen "Haushaltsgene", die für das Funktionieren der Zellen notwendig sind. Die gleichen Gene, die die Zellteilung in Pflanzen wie Arabidopsis regulieren, erfüllen daher ähnliche Aufgaben auch beim Menschen.

Frühere Forschungen haben gezeigt, dass sich humane Zellen bei einer Störung der asymmetrischen Teilung unkontrolliert vermehren und z.B. Tumore bilden können. Die Arabidopsis-Studie könnte daher auch neue Wege für die Humanmedizin aufzeigen, wie man „aus dem Ruder laufende“ Teilungen von Stammzellen verhindern kann.


Quellen:

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Titelbild: Dank fluoreszierender Proteine lassen sich die Zellteilungen in der Arabidopsis-Wurzel unter dem Mikroskop genau beobachten. (Bildquelle: © Benfey lab, Duke University)