Knifflige Zellteilung

Gen für Kinetochor-Zusammenbau charakterisiert

15.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Schlüssel-Gen für die Zellteilung wurde nun erstmals klassifiziert. (Bildquelle: © iStock.com / imv)

Ein Schlüssel-Gen für die Zellteilung wurde nun erstmals klassifiziert. (Bildquelle: © iStock.com / imv)

Die Zellteilung ist ein hochkomplexer Prozess, weshalb auch nach Jahrzehnten Forschung manche Details noch immer unbekannt sind. Jetzt hat ein Forschungsteam ein zentrales Gen dieser Mechanismen genauer charakterisiert – das eröffnet auch Optionen für die Pflanzenzüchtung.

Ob Mitose oder Meiose: Die Teilung von Zellen kann nur dann korrekt funktionieren, wenn das Centromer die Chromosomen fehlerfrei in ihre Chromatiden auftrennt. Wesentlicher Bestandteil des Centromers ist der als Kinetochor bekannte Proteinkomplex. In eukaryotischen Organismen sorgt er dafür, dass sich die Chromosomen richtig auf die Tochterzellen verteilen. Treten Fehler auf, haben die betroffenen Zellen eine anormale Zahl Chromosomen und ihre Entwicklung ist gestört. Ob der Kinetochor seine Arbeit korrekt verrichten kann, hängt wesentlich an dem Protein KINETOCHORE NULL2 (KNL2). Ein Forschungsteam unter Leitung des IPK Leibniz-Instituts in Gatersleben hat nun die Evolution des KNL2-Gens rekonstruiert und die Funktionsweise von dessen Duplikaten charakterisiert.

SANTA-Domäne und CENPC-k-Motiv

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Für die Experimente nutzte das Team die unscheinbare Pflanze Arabidopsis thaliana.

Für die Experimente nutzte das Team die unscheinbare Pflanze Arabidopsis thaliana.

Bildquelle: © sinitar / Fotolia.com

Über KNL2 selbst war bislang bekannt, dass es mit dem Histon CENH3 interagiert, das den Zusammenbau eines funktionalen Kinetochors auslöst. Außerdem enthalten die bekannten KNL2-Proteine eine charakteristische 90 Aminosäuren lange SANTA-Domäne. Deren genaue Funktion war jedoch bislang unklar: Einerseits bindet KNL2 mit der SANTA-Domäne an CENH3. Andererseits bindet KNL2 zumindest in der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) auch dann am Centromer, wenn die SANTA-Domäne zuvor eliminiert worden ist. Eine bestimmte Rolle spielt dabei wohl das CENPC-k-Motiv des CENP-C-Proteins.

Bevor die Forscherinnen und Forscher sich diesen Interaktionen näher widmeten, haben sie sich zunächst einen Überblick über die Evolution des Gens in der Pflanzenwelt verschafft. Dazu erzeugte das Team einen Proteom-Datensatz aus den großen evolutionären Pflanzenlinien, einschließlich 90 repräsentativer Arten. Darin suchten sie nach Entsprechungen des Arabidopsis-Proteins αKNL2. Anders als die meisten Metazoen besitzt die Ackerschmalwand gleich zwei Gene, die jeweils für ein Protein mit SANTA-Domäne kodieren: αKNL2 und βKNL2. Insgesamt fanden die Fachleute im Datensatz 148 homologe Proteinsequenzen, die durch KNL2-Gene kodiert werden.

Drei unabhängige Duplikationen

Entstanden sind diese Varianten infolge von drei unabhängigen Duplikationen zuerst in Farnen und später in Gräsern sowie in Eudikotyledonen. Die Paraloge lassen sich in zwei Gruppen einteilen: αKNL2 und βKNL2 in Eudikotyledonen sowie γKNL2 und δKNL2 in Gräsern. Andere Monokotyledonen weisen nur ein KNL2-Paralog auf.

Am Beispiel der Kreuzblütlerartigen untersuchten die Pflanzenforscher:innen nun den Aufbau der αKNL2 und βKNL2-Paraloge. Beide Versionen weisen in der SANTA-Domäne große Übereinstimmungen miteinander auf. Doch es gibt auch weitere konservierte Motive, die jeweils nur für αKNL2 oder βKNL2 typisch sind – sie deuten auf zusätzliche Funktionen oder unterschiedliche Interaktionen mit anderen Proteinen. Eine weitere Beobachtung des Forschungsteams: Während die SANTA-Domäne generell im Laufe der Evolution variantenreicher geworden ist, blieb das CENPC-k-Motiv im gesamten Pflanzenreich hoch konserviert. In den βKNL2-Kladen fehlt es jedoch.

Mais als Sonderfall unter den Gräsern

Bei den Gräsern findet sich die SANTA-Domäne ebenfalls in beiden Varianten – γKNL2 und δKNL2. Während erstere ebenso wie αKNL2 auch das CENPC-k-Motiv besitzt, weist letztere nur ein Motiv auf, das einer verkürzten Form des CENPC-k-Motivs ähnelt. Außerdem entdeckte das Team eine Besonderheit bei Mais: Dieser Art scheint γKNL2 wieder verloren gegangen zu sein. 

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Mais als Sonderfall: Während Gräser generell zwei Varianten des Gens KNL2 besitzen, hat diese Art eine davon wohl wieder verloren.

Mais als Sonderfall: Während Gräser generell zwei Varianten des Gens KNL2 besitzen, hat diese Art eine davon wohl wieder verloren.

Bildquelle: © David Mark / Pixabay

Experimente in vivo mit Arabidopsis ergaben zusätzliche Hinweise: βKNL2 bindet am Centromer – gemeinsam mit CENH3, das vermutlich über die SANTA-Domäne gebunden wird, da βKNL2 ja über kein CENPC-k-Motiv verfügt. Eine solche Interaktion wurde bereits bei Krallenfröschen gezeigt. Nachweisbar war βKNL2 im Centromer während der Interphase und wieder ab der Metaphase. Das unterscheidet dieses Protein von αKNL2, das in Prophase, Metaphase und früher Anaphase nicht nachzuweisen war.

Potenzial für die Erzeugung von Doppelhaploiden

Schalteten die Forscher:innen das βKNL2-Gen aus, entwickelten sich einige Samen anormal und auch Setzlinge zeigten ein verringertes Wachstum. Analysen ergaben, dass es sich bei den anormalen Fällen um homozygote Mutanten handelte. Heterozygote Samen entwickelten sich vom Wildtyp nicht unterscheidbar. Weitere Untersuchungen führten zu der Vermutung, dass ohne βKNL2 nicht ausreichend CENH3 in den homozygoten Mutanten vorliegt, wodurch die Mitose gestoppt wird und die Zelle in die Endoreplikation wechselt.

Neben wichtigen Erkenntnissen für die Grundlagenforschung hält die vorliegende Studie auch Potenzial für die Pflanzenzüchtung bereit: Durch Veränderungen von αKNL2 haben Pflanzenforscher bereits in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana Doppelhaploide erzeugt. Das könnte auch durch entsprechende Eingriffe bei γKNL2 und βKNL2 möglich sein. Wenn solche Systeme etabliert sind, spart das der Pflanzenzüchtung viel Zeit. Homozygote Linien ließen sich sowohl bei Eudikotyledonen als auch Monokotyledonen in nur einer Generation erzeugen. Bisher müssen Züchter:innen bei der konventioneller Selektion sieben bis neun Generationen warten, bis entsprechende Linien zur Verfügung stehen.


Quelle:
Zuo, S. et al. (2022): Recurrent Plant-Specific Duplications of KNL2 and its Conserved Function as a Kinetochore Assembly Factor. In: Molecular Biology & Evolution, 39(6):msac123, (7. Juni 2022), doi: 10.1093/molbev/msac123.

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