Neuer Kreislaufprozess für Klärschlamm und Gärreste

Das Projekt "Bio-SuPex" verbindet die Phosphatrückgewinnung mit der Herstellung von Biokohle

14.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

HTC-Versuchsreaktor mit Anbauten: Parr Hochdruck Atuoklav 4520, CO2-Hochdruckspritzen-Pumpe, Hochdruck-Hochtemperatur-pH-Messung bestehend aus Zr/ZrO2-Mess und Ag/AgCl-Referenzelektrode, Kapillarventil zur in-situ Beprobung. (Bildquelle: © G. Becker)

HTC-Versuchsreaktor mit Anbauten: Parr Hochdruck Atuoklav 4520, CO2-Hochdruckspritzen-Pumpe, Hochdruck-Hochtemperatur-pH-Messung bestehend aus Zr/ZrO2-Mess und Ag/AgCl-Referenzelektrode, Kapillarventil zur in-situ Beprobung. (Bildquelle: © G. Becker)

Phosphatknappheit auf der einen Seite und Phosphatbelastung von Ackerböden auf der anderen Seite: Das sind zwei verbundene und zudem weit verbreitete Probleme. Die EU hat darauf mit einer verschärften Verordnung reagiert. Infolgedessen müssen in Deutschland schon in wenigen Jahren Kläranlagenbetreiber den Phosphor aus Klärschlamm zurückgewinnen und Landwirte dürfen Klärschlamm nicht mehr auf die Felder ausbringen. Entsprechende Regeln gibt es in China noch nicht, doch auch dort wächst die Aufmerksamkeit dafür, dass der Phosphatüberschuss zunehmend Gewässer eutrophiert. Ein Team um den Agraringenieur Gero Becker von der Universität Hohenheim hat sich deshalb mit Abwasserexperten der China Agricultural University um Tao Zhang zum Projekt Bio-SuPex zusammengeschlossen und eine Art Bioraffineriekonzept zur Behandlung von Klärschlamm und Gülle entwickelt.

„Wir haben das gleiche Problem: Phosphatrückgewinnung muss sein“, erläutert Becker. In Deutschland hätten jedoch alle bisher etablierten Verfahren das Problem, dass sie zu teuer sind bzw. der Wert des Phosphatdüngers zu gering. „Ausnahmen gab es nur 2009 und während Corona“, erinnert sich der Forscher. „Am Ende hängt es immer am Düngemittelpreis.“ Das Team verfolgt daher einen anderen Ansatz, der sich am Prinzip der Bioökonomie orientiert, einen biogenen Reststoff möglich vollständig aufzuwerten: „Wir wollten mehrere Produkte gleichzeitig herstellen, mittels hydrothermaler Verfahren.“ Das sollte dann ebenso anwendbar sein für Klärschlamm wie für Gülle oder Gärreste. Gefördert wurde das Vorhaben durch das Bundesforschungsministerium von Oktober 2018 bis September 2021 mit rund 450.000 Euro.

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Projekttreffen in Beijing 2019 am College of Resources and Environmental Sciences - v. l nach r.: Qing Xue, Xinyue He, Tao Zhang, Gero Becker.

Projekttreffen in Beijing 2019 am College of Resources and Environmental Sciences - v. l nach r.: Qing Xue, Xinyue He, Tao Zhang, Gero Becker.

Bildquelle: © Tao Zhang / College of Resources and Environmental Sciences

Drei Wertstoffe aus einem Abfallstoff

Drei Wertstoffe sollten aus dem Klärschlamm entstehen: das zurückgewonnene Phosphat, die aus dem Kohlenstoffanteil erzeugte Basischemikalie Hydroxmethylfurfural (HMF) sowie eine Form von Biokohle aus dem verbleibenden Rest. Dazu haben die Forscher einen Versuchsreaktor aufgebaut, in dem sie erstmalig die Phosphatrückgewinnung unter hydrothermalen Bedingungen genau untersucht haben. Dabei haben sie unter anderem die pH-Entwicklung im Zeitverlauf gemessen. „Das war eine spezielle Sonde, die ganz schön geschunden wurde und die wir mehrfach modifizieren und nachbestellen mussten“, erinnert sich Becker.

Im Versuch zeigte sich: Unter Temperatur, Druck und CO2-Zufuhr zersetzt sich die Biomasse und es entstand Kohle. Gleichzeitig erfolgt die Umwandlung der Phosphatsalze. Viele Phosphate stammen aus Zellbestandteilen oder Bakterien, hinzu kommen vor allem Eisen- und Calciumphosphat. „Das war lange eine Blackbox“, sagt Becker, „wir haben jetzt erstmals gesehen, was während des Prozesses passiert.“ Damit verbunden waren einige Herausforderungen, denn die Biomasseproben mussten aus dem sogenannten überkritischen CO2 entnommen werden. Es liegt dabei flüssig und oberhalb seines kritischen Drucks und kritischer Temperatur vor. Die Biomasse ist dann ein Gemisch aus in Wasser gelösten Bestandteilen, einer öligen Phase und Partikeln. Repräsentative Proben sind da schwierig zu ziehen – und manche dafür vorgesehene Bauteile standen durch pandemiebedingte Lieferschwierigkeiten nicht zur Verfügung.

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Qing Xue bei Phosphatanalysen.

Qing Xue bei Phosphatanalysen.

Bildquelle: © DAAD / Focke Strangman / Universität Hohenheim

Ein Reaktionsprodukt: Struvit - ein gut bioverfügbarer Dünger

Dass sich Phosphat rücklöst, wenn es angesäuert wird, ist nicht neu. Im Projekt sollte aber CO2 in den Reaktor eingepresst werden, um die entstehende Kohlensäure zum Aussprudeln zu verwenden. Denn die eigentlich milde Säure wird unter hoher Temperatur stärker. „Das ging jedoch nur zu einem gewissen Teil“, berichtet Becker. Das beste Ergebnis erzielte das Team mit einer Mischung aus Mineralsäuren und Peroxid. „Wir hatten am Ende eine saubere Trennung von Kohle und dem Mineraldünger Struvit“, schildert der Forscher. Feldversuche belegten: Struvit ist gut pflanzenverfügbar und zudem schlecht wasserlöslich. „Damit kann man bedarfsgerecht düngen, ohne dass Struvit schnell auswäscht“, erklärt Becker.

Übrig bleibt am Ende des Prozesses neben den drei Wertstoffen nur ein Prozesswasser mit recht hohen Anteilen von Kalium und organischen Säuren. „Wir würden eine solche Anlage daher immer an eine Kläranlage oder Biogasanlage anschließen, um den Kreislauf zu schließen“, sagt Becker. China, wo noch viele Kläranlagen gebaut werden müssen, könnte einen solchen Prozess direkt in die Neubauten integrieren. „Wir waren tatsächlich überrascht: Die Mengen an Klärschlamm in Deutschland und in China sind heute ziemlich gleich“, berichtet der Forscher. Der Abwasseranteil, der eine Kläranlage durchläuft, ist hierzulande somit deutlich größer.

Einfacherer Prozessaufbau als erwartet

Im Projektverlauf stellten die Forscher dann fest, dass sie so manchen Prozessschritt zunächst „übertechnologisiert“ hatten. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, als unser Prozess das erste Mal gut durchlief mit einem einfacheren Setup, als wir es uns am Anfang überlegt hatten“, erinnert sich Becker. „Es war schön zu sehen, dass wir auch mit einfachen Lösungen gut vorankamen.“ Die wertvolle Basischemikalie HMF fand sich in unerwartet hoher Konzentration im Prozesswasser, sogar beim Klärschlamm als Ausgangsmaterial. Weil sie ziemlich reaktiv ist, polymerisiert sie mit der Zeit zu Biokohle. Gelöstes CO2 konnte das verzögern. „Wir hätten gern mehr von der Basischemikalie, aber den Prozess mit dem höheren Kohleanteil können wir schneller marktfähig bekommen“, sagt Becker. Für die Wirtschaftlichkeit sei HMF auch nicht zwingend erforderlich: „Wir stellen Kohle her, in der CO2 fixiert ist. Durch den Handel mit CO2-Zertifikaten ist das jetzt ein neuer Wert neben den Produkten selbst.“

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Steckbrief: „Bio-SuPex“


	Bioraffineriekonzept
	Förderprogramm: Bioökonomie International 2016, BMBF
	Laufzeit: 2018 - 2021
	Förderkennzeichen: 031B0606
	Projektpartner: China Agricultural University , Universität Hohenheim 
	Eintrag in unserer Projektdatenbank: Bio-SuPex

Steckbrief: „Bio-SuPex

  • Bioraffineriekonzept
  • Förderprogramm: Bioökonomie International 2016, BMBF
  • Laufzeit: 2018 - 2021
  • Förderkennzeichen: 031B0606
  • Projektpartner: China Agricultural University , Universität Hohenheim 
  • Eintrag in unserer Projektdatenbank: Bio-SuPex

Derzeit plant Becker weitere Projekte, um das Verfahren in der Praxis zu testen. Dabei führt der Weg bei der Schlammbehandlung eher weg von der Basischemikalie. „Durch die Kohleumwandlung und die CO2-Bepressung lässt sich das Wasser aus dem Klärschlamm sehr gut rauspressen“, berichtet der Forscher - das war bislang nur begrenzt möglich. „So hätten wir besser pressbaren Klärschlamm mit Kohleeigenschaften bei gleichzeitiger Phosphatrückgewinnung.“

Großes Potenzial auch bei Gärresten und Gülle

Noch bessere Ergebnisse erzielte das Projekt übrigens mit Gärresten statt Klärschlamm. Weil es in Deutschland zu viel Gärreste und Gülle gibt und die Felder längst überdüngt sind, verspricht sich Becker hier ein noch größeres Potenzial für das im Projekt entwickelte Verfahren. Eine Pilotanlage auf einem Bauernhof soll noch vor Jahresende auf der Schwäbische Alb in Betrieb gehen.

Die Projektpartner

Wissenschaftliche Partner:


Bisher veröffentlichte Projektergebnisse:

  • Deng, Y. et al. (2020): „The current phosphate recycling situation in China and Germany: a comparative review“. In: Frontiers of Agricultural Science and Engineering (2020). doi: 10.15302/J-FASE-2019287
  • Deng, Y. et al. (2020): „Mechanisms and modelling of phosphorus solid–liquid transformation during the hydrothermal processing of swine manure“. In: Green Chemistry (2020). doi: 10.1039/D0GC01281E

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: HTC-Versuchsreaktor mit Anbauten: Parr Hochdruck Atuoklav 4520, CO2-Hochdruckspritzen-Pumpe, Hochdruck-Hochtemperatur-pH-Messung bestehend aus Zr/ZrO2-Mess und Ag/AgCl-Referenzelektrode, Kapillarventil zur in-situ Beprobung. (Bildquelle: © G. Becker)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ und „Bioökonomie International“. Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030