Warum Farne Gene „horten“

Neue Einblicke in die Evolution von Landpflanzen

15.09.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, das Genom des Farns Ceratopteris richardii vollständig zu sequenzieren und zu analysieren. (Bildquelle: © Clemens Rössner, Institut für Botanik der JLU Gießen)

Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, das Genom des Farns Ceratopteris richardii vollständig zu sequenzieren und zu analysieren. (Bildquelle: © Clemens Rössner, Institut für Botanik der JLU Gießen)

Farne enthalten riesige Mengen DNA und eine enorme Zahl an Genen – das hat die vollständige Sequenzierung eines Farngenoms gezeigt. Die Forscher:innen haben auch eine Erklärung dafür: Keine Genomduplikationen wie bei anderen Landpflanzen sind der Auslöser dieses Phänomens, sondern die Anhäufung von „genetischen Trümmern“ aus repetitiven Sequenzen und „springenden Genen”. Und Farne enthalten nützliche Fremdgene in ihrem Genom.

Farne sind Überlebenskünstler und Relikte der Urzeit. Bereits vor 400 Millionen Jahren bevölkerten sie die Erde. Im Zeitalter des Karbons vor mehr als 300 Millionen Jahre bedeckten üppige Wälder aus Farnen, Schachtelhalmen und Bärlappgewächsen die Landschaften. Farne haben sich im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder an die verändernden Umweltbedingungen angepasst und deshalb gibt es sie noch heute.

Eine Mammutaufgabe: Die Sequenzierung des Farngenoms

Eines war schon vorher bekannt: Farne haben extrem große Genome. Der Weltrekord liegt bei einem Exemplar, das 720 Chromosomenpaare pro Zellkern enthält. Doch wie kommt es dazu? Das war bislang das große Geheimnis, dass die Forscher nun lüften wollten.

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Vor 300-360 Millionen Jahren bedeckten Farnwälder die Erdoberfläche. Heute führen Farne meistens ein Schattendasein unter den Bäumen.

Vor 300-360 Millionen Jahren bedeckten Farnwälder die Erdoberfläche. Heute führen Farne meistens ein Schattendasein unter den Bäumen.

Bildquelle: © iStock.com / selvanegra

Einem internationalen Forschungsteam aus 28 Institutionen – darunter auch die Justus-Liebig-Universität Gießen – ist es nun gelungen, das Genom des Modellfarns Ceratopteris richardii (deutscher Name: Dreieck-Wasserfarn) vollständig zu sequenzieren. Es besteht aus 35 Chromosomen mit knapp 7,5 Gigabasen und ist damit mehr als doppelt so groß wie das menschliche Genom. Nicht weniger als acht Jahre haben diese Arbeiten gedauert. Doch es hat sich gelohnt.

Sind Genomduplikationen die Ursache für das riesige Erbgut?

Bislang wurde vermutet, dass sich das riesige Genom im Verlauf der Evolution durch Genomduplikationen aufgebaut haben könnte. Genomduplikationen bieten den Vorteil, dass sich dann je eine Kopie eines Gens evolutionär frei weiterentwickeln und zu neuen Eigenschaften führen kann – z. B. als Anpassung an eine sich verändernde Umwelt. Die andere Genkopie stellt dabei sicher, dass die ursprüngliche Genfunktion erhalten bleibt – quasi eine Überlebensabsicherung für den Organismus. Doch die Analyse des ersten vollständig sequenzierten Genoms eines homosporen Farns deutet auf eine ganz andere Erklärung hin.

Genetische Trümmer füllen das Genom

Dem Forscherteam fiel schnell auf, dass die 39 Chromosomenpaare des Farns sich kaum ähnelten. Das müsste aber der Fall sein, wenn sich ein Genom einmal oder mehrmals im Verlauf seiner Geschichte dupliziert hätte. Auch die Zahl von Entwicklungskontrollgenen war vergleichbar mit denen anderer Landpflanzen – auch das spricht gegen die Hypothese von Genomduplikationen.

Stattdessen fanden die Forscher:innen vor allem einen Mix von repetitiven Sequenzen und kurzer Genfragmente, die auch als „springende Gene“ bezeichnet werden. Diese hatten zusammengenommen einen Genomanteil von 85 Prozent.

Das Farngenom besteht daher hauptsächlich aus „genetischen Trümmern“, die sich über Jahrmillionen angehäuft haben, so folgerte das Autorenteam. Offenbar haben die Farne noch nicht die Möglichkeit, ungenutzte DNA bzw. Chromosomen aus ihrem Genom zu entfernen – eine Eigenschaft, die wohl erst bei höher entwickelten Blütenpflanzen Einzug gehalten hat. Durch das „Kleinhalten“ des Erbgutes sind moderne Pflanzen effizienter, denn große Genome sind in ihrer „Unterhaltung“ energieaufwändiger.

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Der aquatische Farn Ceratopteris richardii unter dem Mikroskop. Er ist klein, wächst sehr schnell und vermehrt sich gut in Zellkultur. Daher ist diese Pflanze als Modellorganismus für die Grundlagenforschung beliebt.

Der aquatische Farn Ceratopteris richardii unter dem Mikroskop. Er ist klein, wächst sehr schnell und vermehrt sich gut in Zellkultur. Daher ist diese Pflanze als Modellorganismus für die Grundlagenforschung beliebt.

Bildquelle: © TorontoBio / wikimedia.org; CC BY-SA 4.0

Farne enthalten Fremdgene

Noch etwas ist den Forscher:innen bei der Erbgutanalyse aufgefallen. Die Farne enthalten eine Reihe von Fremdgenen, die mit großer Wahrscheinlichkeit ursprünglich von Bakterien stammen. Durch horizontalen Gentransfer sprangen diese Gene auf frühe Landpflanzen über und verliehen so auch den Farnen neue und nützliche Eigenschaften. In den letzten Jahren hat sich ohnehin die Erkenntnis durchgesetzt, dass viele – wenn nicht alle – Pflanzen im Verlauf der Evolution Fremdgene aufgenommen haben – also im Endeffekt etwas sehr ähnliches darstellen wie die von Menschen hergestellten gentechnisch veränderten Pflanzen (GVOs).

Ein Beispiel sind Familien von Abwehrgenen, die den Farnen die Produktion von Biopestiziden ermöglichen. So wurden homologe Gene von Tma12 gefunden, die insbesondere in den Sporangien, dem Bildungsgewebe von Sporen, aktiv sind. Es schützt sie vor Insektenfraß und sichert so die Fortpflanzung der Farne. Ein weiteres mutmaßliches Fremdgen bakteriellen Ursprungs ist das „Areolysin-like“-Gen, das für ein Poren-bildendes cytolytisches Toxin codiert. Auch noch weitere Hinweise auf Fremdgene im Farngenom haben die Arbeiten ergeben. Das Team geht auch davon aus, dass Fremdgene den Farnen erst ermöglichten, an schattigeren Orten wachsen zu können.

Die Analysen sind aber erst am Anfang und könnten noch viele weitere spannende Erkenntnisse liefern. Die Forschung auf diesem Gebiet will das Team daher mit viel Enthusiasmus fortsetzen.


Quelle:
Marchant, D.B. et al. (2022): Dynamic genome evolution in a model fern. In: Nature Plants, (1. September 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01226-7.

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Titelbild: Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, das Genom des Farns Ceratopteris richardii vollständig zu sequenzieren und zu analysieren. (Bildquelle: © Clemens Rössner, Institut für Botanik der JLU Gießen)