Aerodynamik im Reich der Torfmoose

29.07.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Aerodynamische Raffinesse des Torfmoos verblüfft Pflanzenforscher. (Quelle: © ile  / pixelio.de)

Aerodynamische Raffinesse des Torfmoos verblüfft Pflanzenforscher. (Quelle: © ile / pixelio.de)

Dass Pflanzen von Natur aus mit den unterschiedlichsten Raffinessen zur Nahrungsbeschaffung bzw. zur Fortpflanzung ausgestattet sind, ist kein Geheimnis. Doch noch immer verblüffen neu entdeckte Fähigkeiten die Wissenschaft.

Schätzungsweises ein Prozent der Erboberfläche wird von Torfmoose (Gattung Sphagnum) bedeckt. Torfmoose sind wechselfeuchte Pflanzen, die von entscheidender Bedeutung für die Entstehung von Zwischen- und Hochmooren sind. Sie sind hervorragend an die extremen Bedingungen dieser Standorte angepasst. Mikroskopisch kleine Sporen stellen deren Ausbreitung sicher. In einer rundlichen Kapsel werden diese Sporen gebildet.

Die Kapselwand trocknet nach der Sporenproduktion nach und nach aus und zieht sich immer weiter zusammen. Dies hat zur Folge, dass sich der Druck im Inneren der Kapsel auf ein Vielfaches des Atmosphärendrucks erhöht, was schließlich zum Zerbersten der Kapsel führt. An einer Sollbruchsstelle reißt das Gebilde und verschießt mit einer Geschwindigkeit von bis zu 130 km pro Stunde bis zu 250.000 Sporen je Kapsel. Diese werden vom Wind erfasst und weiter verbreitet. Noch beeindruckender ist die Anfgangsbeschleunigung der Sporen. Diese beträgt bis zu 36.000 g, also das 36 Tausendfache der Erdbeschleunigung. Zum Vergleich: ein Formel 1 Rennwagen bringt es auf 1,5, ein Verkehrsflugzeug auf 2,0 und ein Space Shuttel auf 3 g.

Damit der Wind diese Sporen aber überhaupt zu fassen bekommt, bedient sich das Torfmoos einer aerodynamischen Raffinesse, wie zwei amerikanische Forscherjetzt herausgefunden haben. Mittels Hochgeschwindigkeitskameras konnten die Vorgänge genauer beobachtet werden. Pro Sekunde ermöglichen derartige Kameras bis zu 100.000 Aufnahmen.

Die Aufnahmen zeigten, dass ein Ring aus Luftwirbeln beim Zerbersten der Sporenkapsel erzeugt wird. Diese Luftwirbel bringen die Sporen in die gewünschte Höhe über die ruhenden Luftschichten hinweg. Dadurch kann der Wind diese mühelos erfassen und forttragen. Ohne diesen Wirbel würden die Sporen maximal einen Millimeter hoch geschleudert werden. Mit diesem Wirbel gelangen diese in eine „Reiseflughöhe“ von 10 bis 20 cm.


Veröffentlichung:

Whitaker, Dwight L. / Edwards, Joan (2010): Sphagnum Moss Disperses Spores with Vortex Rings. Science, Vol. 329, 23. Juli 2010, p 406, DOI: 10.1126/science.1190179. (abstract).

Titelbild: Aerodynamische Raffinesse des Torfmoos verblüfft Pflanzenforscher. (Quelle: © ile  / pixelio.de)