Agrarwirtschaft wirbt für Nachhaltigkeit

16.06.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Industrie investiert in Nachhaltigkeit. (Quelle: © iStockphoto.com/ FredFroese)

Industrie investiert in Nachhaltigkeit. (Quelle: © iStockphoto.com/ FredFroese)

Die Agrar- und Ernährungswirtschaft investiert in nachhaltige Produkte und Produktionsverfahren. So will die Branche veränderten Kundenbedürfnissen gerecht werden und ihr Image verbessern. Auf dem Raiffeisen-Wirtschaftsforum in Berlin diskutierten Produzenten, Dienstleister und Handel Konzepte und Strategien für eine nachhaltige Agrar- und Lebensmittelwirtschaft. 

„Wir leben Nachhaltigkeit“ war das Motto der Veranstaltung, die im Vorfeld der Jahrestagung des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) im Juni in Berlin stattfand. Knapp 300 Genossenschaftler, Politiker und Interessierte diskutierten über aktuelle und zukünftige Entwicklungen in der Agrar- und Lebensmittelbranche. 

Tradition der Nachhaltigkeit

Das Konzept der Nachhaltigkeit hat in der Agrar- und Forstwirtschaft eine lange Tradition. Der Begriff stammt aus der Waldwirtschaft und schreibt vor, dass Ressourcen nur in dem Maße genutzt werden dürfen, wie Bestände natürlich nachwachsen. Das Leitbild vom nachhaltigen Wirtschaften erlebt derzeit eine Renaissance. Wollen Unternehmen langfristig erfolgreich sein, müssen sie den Anforderungen anspruchsvoller Verbraucher und strenger Gesetze zu Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Klimaschutz ebenso gerecht werden wie den Erfordernissen begrenzter Ressourcen. Das heutige Verständnis von Nachhaltigkeit vereint demgemäß gleichberechtigt ökonomische, ökologische und soziale Aspekte. 

Vielfältige Initiativen angeschoben

In Impulsvorträgen berichteten vier Mitgliedsunternehmen des DRV über ihre Erfahrungen bei der Umsetzung der eigenen Nachhaltigkeitskonzepte. Die Herangehensweisen und Initiativen der Unternehmen sind dabei vielfältig. Sie reichen von der Einführung komplexer Qualitätsmanagementsysteme bis hin zu Pilotprojekten zur Beheizung von Gewächshäusern mit der Abluft von Kohlekraftwerken via Kraft-Wärme-Kopplung. Auch die Benennung von hauptamtlichen Nachhaltigkeitsbeauftragten setzt sich in immer mehr Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette vom Feld bzw. Stall bis hin zum Endverbraucher durch.

Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht nur eine schöne Floskel, sondern wird zum wirtschaftlichen Erfolgsfaktor. Der sparsame Umgang mit Ressourcen und Energie gehört für immer mehr Unternehmen der Agrar- und Lebensmittelbranche zum Tagesgeschäft. Bei einigen hat das Leitbild bereits Einzug in die Unternehmensstrategie gefunden. Eine Handvoll Firmen erstellt zudem eigene Nachhaltigkeitsberichte. 

Wie misst man Nachhaltigkeit?

Nachhaltige Produkte wird es nur geben, wenn die Nachhaltigkeit des gesamten Produktlebenszyklus objektiv gemessen und verbessert werden kann. Einige Unternehmen haben eigene Instrumente zur Messung von Nachhaltigkeit entwickelt. Eines dieser Instrumente ist die Ökoeffizienzanalyse der BASF, die ökonomische und ökologische Indikatoren gegenüberstellt und damit die Berechnung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten ermöglicht. Ein anderes ist die Hot-Spot-Analyse von REWE, die anhand wirtschaftlicher, umweltbezogener und sozialer Kriterien die kritischen Stellen innerhalb der Wertschöpfungskette identifiziert. Derzeit werden diese und weitere Instrumente anderer Anbieter unter Einbeziehung von NGOs validiert und weiterentwickelt. AGRAVIS plädiert für eine operative Gewinn-und-Verlust-Rechnung der Nachhaltigkeit, mit der die Durchschlagskraft der Investitionen in Ökologie, Soziales und Ökonomie in monetären Größen bewertet werden kann.

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Industrie und Handel wollen die Sortimente nachhaltiger gestalten. Sie erstellen Lebenszyklusanalysen ihrer Produkte und identifizieren kritische Stellen im Produktionsprozess, die effizienter, ökologisch und sozial nachhaltiger gestaltet werden können.

Industrie und Handel wollen die Sortimente nachhaltiger gestalten. Sie erstellen Lebenszyklusanalysen ihrer Produkte und identifizieren kritische Stellen im Produktionsprozess, die effizienter, ökologisch und sozial nachhaltiger gestaltet werden können.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Fedor Kondratenko

Die Zukunft ist nachhaltig

Unter dem Motto „Nachhaltigkeit – Wohin die Reise geht?" skizzierten Ursula Heinen-Esser, Staatssekretärin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Michael Ceranski, Leiter der BASF Crop Protection Deutschland, Dr. Ludger Breloh, verantwortlich für den Strategischen Einkauf bei der REWE Group, und Klaus J. Lutz, Vorstandsvorsitzender der BayWa AG, Zukunftsszenarien für eine nachhaltige Agrar- und Lebensmittelwirtschaft. 

„Erzeuger und Handel haben in den letzten zehn Jahren zahlreiche Initiativen für mehr Nachhaltigkeit in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft angestoßen“, betont Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser (BMU) auf der Veranstaltung. Die Aufgabe der Politik sei es, bei Unternehmen und Verbrauchern weiter für mehr Nachhaltigkeit zu werben. Denn noch gibt es viel zu tun. Vor allem im Bereich der landwirtschaftlichen Produktion konnten Lebenszyklusanalysen kritische Faktoren finden. Eine weitere Einsparung von Ressourcen und Energie ist auf allen Stufen der Wertschöpfung möglich. 

„Forschung und Innovationen sind ein wichtiger Treiber für Nachhaltigkeit“, erläutert Michael Ceranski (BASF). Unternehmen investieren jedoch nur in nachhaltigere Produktionsverfahren, wenn es Rechtssicherheit gibt. Beim neuen EEG und der Umsetzung der neuen EU-Pflanzenschutzrichtlinie, die seit Anfang Juni in Kraft ist, habe die deutsche Politik noch Hausaufgaben zu erledigen, so die Diskutanten einstimmig.

Für Ludger Breloh (REWE) ist Nachhaltigkeit auch eine Strategie der Kundenbindung, denn „zukünftig werde das Einkaufsverhalten der Verbraucher noch stärker vom Gedanken der Nachhaltigkeit geprägt sein“. Unternehmen müssten sich frühzeitig auf diese gesellschaftlichen Ansprüche einstellen. Während mit der Ökoeffizienzanalyse der BASF bereits Produkte anderer Erzeuger bewertet werden, erstellt REWE seine Hot-Spot-Analysen bisher nur für die hauseigenen Marken. Das Ziel einer „Ökologisierung der Sortimente“ kann nur erreicht werden, wenn alle Produzenten Zugang zu den Bewertungstools haben. Initiativen in diese Richtung gibt es bereits. 

Die Agrar- und Ernährungsbranche leide an einem Imageproblem, so Klaus J. Lutz von der BayWa. Dieses muss durch eine transparente und glaubwürdige Kommunikation verbessert werden. Dabei gehe es vor allem um den Aufbau von Vertrauen.

Das Fazit der Veranstaltung: Nachhaltigkeit muss positiv verstanden werden als Innovation und Entwicklung, nicht einseitig als Kostentreiber. Die Unternehmen der Agrar- und Ernährungsbranche investieren in nachhaltigere Produkte und Produktionsprozesse. Damit werden sie den sich ändernden Verbraucherbedürfnissen, aber auch den Ansprüchen der Politik gerecht. Nachhaltigkeit sichert ihre Zukunftsfähigkeit. Bis zur ganzheitlich nachhaltigen Lebensmittelwirtschaft werden jedoch noch ein paar Jahre vergehen.