Bedrohung auf Umwegen

Glyphosat schädigt symbiontische Bakterien in Insekten

31.05.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Getreideplattkäfer Oryzaephilus surinamensis auf Haferflocken. (Bildquelle: © Julian Kiefer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Getreideplattkäfer Oryzaephilus surinamensis auf Haferflocken. (Bildquelle: © Julian Kiefer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)

Der Herbizid-Wirkstoff Glyphosat verursacht möglicherweise doch mehr Schaden als angenommen. Einige Insektenarten sind auf endosymbiotische Bakterien angewiesen, die vom Wirkstoff angegriffen werden. So kann es zumindest bei einigen Insektenarten zu Entwicklungsstörungen kommen.

Glyphosat ist ein seit Jahrzehnten verwendeter Herbizidwirkstoff, der immer wieder für heftige Diskussionen sorgt. Er sei möglicherwiese für Menschen gesundheitsschädlich, vielleicht sogar krebserregend. Auch sei er eine Bedrohung für die Insektenwelt und andere Tierarten. Seine Wirkungen auf sogenannte Nicht-Zielorganismen werden daher immer wieder untersucht, mit zum Teil konträren Ergebnissen. Jetzt hat sich ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Abteilung Evolutionäre Ökologie am Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie, der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz mit der Wirkung von Glyphosat auf bakterielle Endosymbionten in Insekten befasst.

Glyphosat und der Shikimatweg

Der Shikimatweg sorgt in Pflanzen für die Bereitstellung der aromatischen Aminosäuren Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan. Sie sind wichtig für den Aufbau von Proteinen. Ein zentraler Bestandteil des Shikimatweges ist das Enzym 5-Enolpyruvylshikimat-3-Phosphat-Synthase (EPSPS-Enzym), dessen Substrat Phosphoenolpyruvat (PEP) ist.

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Glyphosat unterbricht den pflanzlichen Shikimatweg. Der Wirkstoff galt bisher eher als unbedenklich für Insekten, da diese Tiere keinen Shikimatweg besitzen.

Glyphosat unterbricht den pflanzlichen Shikimatweg. Der Wirkstoff galt bisher eher als unbedenklich für Insekten, da diese Tiere keinen Shikimatweg besitzen.

Bildquelle: © Stockr / Fotolia.com

Der Wirkstoff Glyphosat weist eine strukturelle Ähnlichkeit mit PEP auf. Er bindet sich fest an das aktive Zentrum des Enzyms und blockiert es. Der Shikimatweg ist damit unterbrochen, und die mit dem Wirkstoff behandelte Pflanze stirbt wegen Aminosäuremangel innerhalb weniger Tage ab.

Auch Bakterien sind betroffen

Allerdings wirkt Glyphosat nicht nur bei Pflanzen, sondern auch bei vielen Mikroorganismen, die ebenfalls einen Shikimatweg besitzen (Bakterien, Pilze). Indirekt könnte der Wirkstoff daher auch Tiere treffen, die auf eine Symbiose mit einem Bakterium angewiesen sind. Das untersuchten die Forscher:innen beispielhaft am Getreideplattkäfer (Oryzaephilus surinamensis) und seinem Endosymbionten Candidatus shikimatogenerans silvanidophilus. Sie fanden heraus, das des Genom des Symbionts stark reduziert ist, aber noch über zwei wichtige Stoffwechselwege verfügt: Die Glykolyse, um PEP zu produzieren, und einen fast vollständigen Shikimatweg, bei dem lediglich das Enzym Shikimat-Dehydrogenase fehlt.

Das Forschungsteam geht davon aus, dass der Symbiont dem Insekt im Larvenstadium und noch in den ersten Tagen als erwachsener Käfer über seinen Shikimatweg aromatische Aminosäuren (vor allem Tyrosin) zur Verfügung stellt. Damit kann das Tier ein stabiles Außenskelett aufbauen, das ihn vor Austrocknung und Feinden schützt.

Glyphosat behindert die Entwicklung des Außenskeletts

Sie testeten diese Hypothese in zwei Experimenten. Zunächst gaben sie den frisch geschlüpften Larven des Getreidekäfers Glyphosat-haltiges Futter. Die Konzentration des Wirkstoffs stellten sie so ein, wie sie auch bei einer Herbizidanwendung auf dem Feld zu erwarten ist. Anschließend warteten sie, bis sich aus den Larven erwachsene Insekten (Imagines) entwickelten. Sie stellten fest, dass diese Tiere ein auffällig dünnes und nur schwach eingefärbtes Außenskelett hatten. Mit einem weiteren Experiment bestätigten sie, dass tatsächlich der Mangel an aromatischen Aminosäuren die Fehlbildung des Außenskeletts verursacht: Larven ohne den Symbionten S. silvanidophilus entwickelten nur ein starkes Außenskelett, wenn ihr Futter mit aromatischen Aminosäuren angereichert wurde.

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Schnitt durch die Puppe eines Getreideplattkäfers: Das Bild zeigt die Organe, die symbiotische Bakterien enthalten. Der Symbiose-Partner vom Stamm Bacteroidetes wurde auf der Abbildung rosa eingefärbt.

Schnitt durch die Puppe eines Getreideplattkäfers: Das Bild zeigt die Organe, die symbiotische Bakterien enthalten. Der Symbiose-Partner vom Stamm Bacteroidetes wurde auf der Abbildung rosa eingefärbt.

Bildquelle: © Tobias Engl, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Indirekte Wirkung

Nun stellt sich die Gretchenfrage: Sind noch weitere Insektenarten von dieser Problematik betroffen? Offensichtlich ja. Denn bei phylogenetischen Analysen konnten die Forscher:innen zeigen, dass Glyphosat-sensitive EPSPS-Enzyme in vielen bakteriellen Symbionten zu finden sind, besonders innerhalb der Stämme Bacteroidetes und Proteobacteria. Diese Mikroorganismen besiedeln als Symbionten zahlreiche Wirtsinsektenarten. Möglicherweise sind auch diese Arten durch den Einsatz von Glyphosat bedroht.

Glyphosat galt bisher eher als unbedenklich für Insekten, da diese Tiere keinen Shikimatweg besitzen. Die neuen Ergebnisse mahnen zu mehr Vorsicht und zu einer Erweiterung der Sicherheitsbewertung. Ökologische Schäden durch Glyphosat könnte möglicherweise größer sein als bisher angenommen. Ob das große Insektensterben auf das Konto von Glyphosat geht, ist allerdings damit noch nicht bewiesen. Aber schon aufgrund der Tragweite dieses Verdachtes muss hier dringend weitergeforscht werden.


Quelle:

Kiefer, J.S.T. et al. (2021): Inhibition of a nutritional endosymbiont by glyphosate abolishes mutualistic benefit on cuticule synthesis in Oryzaephilus surinamensis. In: Nature Communications Biology, (11. Mai 2021), doi: 10.1038/s42003-021-02057-6.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Getreideplattkäfer Oryzaephilus surinamensis auf Haferflocken. (Bildquelle: © Julian Kiefer, Johannes Gutenberg-Universität Mainz)