Bei schwankender Lichtintensität

Photorespiration schützt Pflanzen nicht vor überschüssiger Lichtenergie

22.11.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wolken und der Schatten von Bäumen sorgen auf Feldern für plötzlich wechselnde Lichtintensitäten. Das beeinträchtigt die Photosyntheseleistung. (Bildquelle: © Jürgen / Pixabay)

Wolken und der Schatten von Bäumen sorgen auf Feldern für plötzlich wechselnde Lichtintensitäten. Das beeinträchtigt die Photosyntheseleistung. (Bildquelle: © Jürgen / Pixabay)

Anders als gedacht schützt die Photorespiration Pflanzen nicht vor plötzlichen Spitzen der Lichtintensität. Doch es gibt einen alternativen Stoffwechselweg über die Chloroplasten. Er hilft, Energiespitzen abzupuffern und photooxidative Schäden zu verhindert.

Die Photosynthese ist für die meisten Pflanzen der wichtigste Stoffwechselprozess. Zugleich ist er extrem ineffizient: Trotz vieler hundert Millionen Jahre Evolution liegt der Wirkungsgrad der Nettoprimärproduktion abhängig von den Umweltbedingungen bei 0,5 bis 1,5 Prozent. Einerseits versucht die Pflanzenzüchtung, die Photosyntheserate und damit Wachstum und Ertrag zu steigern. Andererseits drängt sich die Frage auf, ob in der geringen Effizienz für die Pflanze auch ein elementarer Nutzen liegt, der dazu führt, dass sie im Laufe der Evolution nicht weiter steigt. Die Antwort könnte in der Photorespiration liegen.

Wechselnde Lichtintensität bremst Calvin-Zyklus aus

Eine Schlüsselrolle in der Photosynthese spielt das Enzym Rubisco. Es fixiert Kohlendioxid aus der Luft, um mit der Energie aus dem Sonnenlicht Biomasse aufzubauen. Allerdings arbeitet das Enzym nicht sehr spezifisch: Es bindet statt Kohlendioxid häufig auch Sauerstoff. Dabei entsteht nur halb so viel des gewünschten 3-Phosphoglycerats. Vor allem aber entsteht auch 2-Phosphoglycolat. Die Verbindung inhibiert mehrere Enzyme der Chloroplasten, bringt die Photosynthese zum Stillstand und kann letztlich in hoher Konzentration die Pflanzen schwer schädigen.

Um 2-Phosphoglycolat „loszuwerden“, nutzen Pflanzen die energieaufwendige Photorespiration. Sie regeneriert auch die Zwischenprodukte des Calvin-Zyklus. Forschungsteams der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie haben sich gefragt, ob die Photorespiration damit nicht noch einen besonderen Nutzen haben könnte – immer dann, wenn eine Pflanze stark schwankender Lichtintensität ausgesetzt ist. Und das ist in der Natur durch Wind und Wolken vielmals am Tag der Fall.

#####1#####
Versuchsergebnisse mit verschiedenen Lichtszenarien (Spalten) und unterschiedlichen Arabidopsis-Varianten, bei denen photorespiratorische Enzyme ausgeschaltet sind. Rechts von den Pflanzenbildern befindet sich ein reduziertes Schema der Photorespiration, welches das geringe Wachstum der ggt1-Mutanten im konstanten Licht durch einen photorespiratorischen Stoffwechselweg im Chloroplasten erklärt.

Versuchsergebnisse mit verschiedenen Lichtszenarien (Spalten) und unterschiedlichen Arabidopsis-Varianten, bei denen photorespiratorische Enzyme ausgeschaltet sind. Rechts von den Pflanzenbildern befindet sich ein reduziertes Schema der Photorespiration, welches das geringe Wachstum der ggt1-Mutanten im konstanten Licht durch einen photorespiratorischen Stoffwechselweg im Chloroplasten erklärt.

Bildquelle: © Thekla von Bismarck / HHU

Mutanten ohne Photorespiration geht es nicht schlechter bei Lichtwechseln

Steigt nämlich die Lichtintensität schnell an, passt sich die Leitfähigkeit der Stomata nur verzögert an. Vorübergehend steht dem Enzym Rubisco dann zu wenig CO2 zur Verfügung und es entsteht mehr chemische Energie in Form von ATP und NADPH, als der Calvin-Zyklus verarbeiten kann. Eine verstärkte Photorespiration könnte das dann vermehrt entstehende 2-Phosphoglycolat abbauen und zugleich die überschießende chemische Energie verbrauchen, die sonst photooxidative Schäden an den Proteinen des Photosynthese-Apparats hervorruft.

Um die Hypothese zu prüfen, ließen die Forscher:innen Ackerschmalwand-Pflanzen unter drei Lichtbedingungen wachsen: bei schwachem Licht, starkem Licht und stark schwankendem Licht. Außerdem verglichen sie den Wildtyp mit Mutanten, bei denen mit HPR1 oder GGT1 Schlüsselenzyme der Photorespiration ausgeschaltet waren. Überraschenderweise bestätigte sich die Hypothese nicht.

Verlagerung des 2-Phosphatglycolat-Abbaus zu den Chloroplasten

Der Erwartung zufolge hätten die Mutanten aufgrund ihrer eingeschränkten Photorespiration schlechter wachsen müssen, wenn sie starke Lichtschwankungen erleben. Schließlich werden photooxidative Schäden von der Photorespiration nicht verhindert. Tatsächlich aber gediehen die Mutanten unter schwankenden Lichtverhältnissen besser als bei konstanter Lichtintensität. Damit scheint die Photorespiration nicht wesentlich dazu beizutragen, Pflanzen vor den Folgen einer plötzlich ansteigenden Lichtintensität zu schützen.

Analysen der Metabolite und Computersimulationen der Stoffwechselprozesse lieferten mögliche Erklärungen. So litten die ggt1-Mutanten gerade bei konstantem Licht unter oxidativen Schäden an den Chloroplasten durch Wasserstoffperoxid, weil sich die Glycolat-Verarbeitung dorthin verlagerte. Dieser alternative Weg könnte entstanden sein, weil er bei fluktuierendem Licht sehr nützlich ist.

Die neue Hypothese des Forschungsteams: Pflanzen, deren Photorespiration eingeschränkt ist, können bei fluktuierendem Licht den alternativen Stoffwechselweg über die Chloroplasten aktivieren. Dort kann die Pflanze Spitzen an 2-Phosphatglycolat schnell verringern, und CO2 wird in räumlicher Nähe zum Enzym Rubisco freigesetzt. Gleichzeitig können Katalasen an den Chloroplasten hochreguliert werden und Wasserstoffperoxid abbauen, bevor das Molekül Schaden verursacht. So wird es den Pflanzen möglich, bei fluktuierender Lichtintensität ohne nennenswerte Einschränkungen zu wachsen.

Realistische Züchtungsforschung sollte natürlich wechselnde Lichtintensität abbilden

Allerdings zeigten die Experimente auch, dass sowohl Mutanten als auch Wildtyp unter konstanter, normaler Lichtintensität höhere Photosyntheseraten erzielten als bei wechselnden Lichtverhältnissen.

Für die Pflanzenforschung wirft die Beobachtung wichtige Fragen auf, etwa danach, mit welchen Kosten es für die Pflanze verbunden ist, die Folge von Lichtenergiespitzen durch den alternativen Stoffwechselweg über die Chloroplasten abzufangen. Sehr deutlich zeigt die Studie in jeden Fall, wie stark sich Prozesse in Pflanzen unterscheiden können, abhängig davon, ob sie konstante oder schwankende Lichtbedingungen erleben. Erkenntnisse, die bei gleichförmiger Lichtintensität in der Forschung gewonnen wurden, sind demnach nicht unbedingt auf die realen Bedingungen im Feld übertragbar. Das ist ein wichtiger Ansatzpunkt für die Pflanzenforschung und -züchtung, um die Photosyntheserate von Pflanzen zu optimieren.


Quelle:
von Bismarck, Th., et al. (2023): Growth in fluctuating light buffers plants against photorespiratory perturbations. In: Nature Communications, online (3. November 2023). doi: 10.1038/s41467-023-42648-x.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Wolken und der Schatten von Bäumen sorgen auf Feldern für plötzlich wechselnde Lichtintensitäten. Das beeinträchtigt die Photosyntheseleistung. (Bildquelle: © Jürgen / Pixabay)