Scotty, weniger Energie!

Pflanzen mit Defekt im Proteasom bilden mehr Chlorophyll und sparen Energie

30.04.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Für ihre Arbeiten nutzte das Team als Modellorganismus die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). (Bildquelle: © Markus Scholz, Uni Halle)

Für ihre Arbeiten nutzte das Team als Modellorganismus die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). (Bildquelle: © Markus Scholz, Uni Halle)

Chloroplasten importieren einen Großteil ihrer Proteine aus dem Cytosol. Wie viele davon bereitstehen, wird durch unterschiedliche Regelkreise bei der Transkription und Translation bestimmt. Jetzt haben Forscher noch einen weiteren Mechanismus entdeckt: Das Proteasom baut diese Proteine kontinuierlich wieder ab. Das scheint verschwenderisch, bewahrt Pflanzen aber vermutlich vor Schäden durch zu viel Photosynthese.

Chloroplasten können viele ihrer Proteine nicht selbst herstellen. Die Gene dafür befinden sich im Zellkern der Pflanze und werden auch dort abgelesen. Im Zellplasma entstehen dann die Proteine, die von den Chloroplasten aufgenommen werden. Oder aber direkt wieder vernichtet!

Denn ein Teil der für die Chloroplasten bestimmten Vorläuferproteine wird vom einer Art zellulärem Müllschlucker, dem Proteasom, einfach wieder abgebaut. Das berichten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Sacha Baginsky, Professor für Biochemie der Pflanzen an der Ruhr-Universität Bochum. Sie haben bei Untersuchungen der Modellpflanze Arabidopsis thaliana bemerkt, dass Pflanzen mit weniger effizientem Proteasom mehr Vorläuferproteine in die Chloroplasten importieren. Vermutlich kommt es durch den verringerten Abbau von Proteinen dazu, dass Chloroplasten-Proteine in größerer Anzahl und über eine längere Zeit im Cytoplasma verfügbar sind und deshalb besser importiert werden können.

Regulation auf vielen Ebenen

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Chlorophyll färbt die Blätter grün. Wo kein Chlorophyll gebildet wird, bleiben sie weiß. Die Proteine dafür werden aus dem Zellplasma importiert in die Chloroplasten importiert.

Chlorophyll färbt die Blätter grün. Wo kein Chlorophyll gebildet wird, bleiben sie weiß. Die Proteine dafür werden aus dem Zellplasma importiert in die Chloroplasten importiert.

Bildquelle: © bozhena_melnyk / Fotolia.com

Pflanzen investieren also Energie in die Herstellung von Proteinen, nur um sie direkt wieder zu recyclen. Was auf den ersten Blick verschwenderisch erscheint, ist vermutlich einfach ein zusätzlicher Sicherheitsmechanismus. „Redundanz bedeutet Robustheit und das ist für ein lebendes System durchaus erstrebenswert“, sagt Sacha Baginsky. „Was heute verschwenderisch erscheint, kann schon morgen lebensrettend sein.“ Der Umsatz dieser Vorläuferproteine ist zudem nicht massiv, denn Regulation findet auch vorher statt, auf transkriptioneller, posttranskriptioneller und translationaler Ebene. „Aber alles in allem schützt diese Redundanz die Pflanzen besser“, sagt Baginsky.

Die Forscherinnen und Forscher analysierten für ihre Studie mehrere Pflanzenlinien mit unterschiedlichen Mutationen. In einer davon war ein Transportprotein defekt (Gen ppi2), dass normalerweise Proteine aus dem Zellplasma in den Chloroplasten transportiert. Diese Pflanzen konnte nicht ausreichend Chlorophyll bilden und waren daher weiß. Eine andere Pflanzenlinie wies zusätzlich zu dieser Mutation noch einen Defekt im Proteasom (Gen rpn8a) auf und konnte Proteine im Cytosol nur verlangsamt abbauen. Die Kombination dieser beiden Mutationen hat dazu geführt, dass die Pflanzen wieder etwas grüner sind als die Albinomutante und auch mehr Photosynthese betreiben.

Was ist passiert? Das Forschungsteam vermutet, dass durch die Proteasommutation mehr Chloroplasten-Proteine im Cytoplasma verfügbar sind. Obwohl der Protein-Transports in die Chloroplasten gestört war, konnten unter diesen Bedingungen dennoch einige Proteine in die Chloroplasten gelangen. Das Ergebnis: eine erhöhte Chlorophyllproduktion im Vergleich zu den Albinopflanzen.

Wachstum der Pflanzen profitiert etwas

Wenn nur der Proteasom-Defekt vorliegt, verbessert sich die Photosyntheseleistung auch im Vergleich zum Wildtyp. „Tatsächlich wird die Einzelmutante auch etwas größer, obwohl wir dort keine signifikante Erhöhung der Chlorophyllwerte feststellen konnten“, berichtet Baginsky.

Bei verlangsamten Proteinabbau durch die Proteasommutation wird offensichtlich ein begrenzender Faktor der Photosynthese aufgehoben und der Biomasseaufbau läuft so effizienter. „Da sich alle Photosynthese-treibenden Organismen durch ähnliche Mechanismen schützen, gehen wir davon aus, dass dieser Effekt auch auf andere höhere Pflanzen übertragbar ist“, schätzt der Biologe. Mit dieser Strategie könnte also die Umwandlung von Kohlendioxid in Biomasse bei vielen Pflanzenarten effizienter werden. In weiteren Studien möchte Sacha Baginsky dieses Regelsystem noch besser untersuchen und auch weitere Stellschrauben ausfindig machen, mit denen es verändert werden kann.


Quelle:
Grimmer, J. et al. (2020): Mild proteasomal stress improves photosynthetic performance in Arabidopsis chloroplasts. In: Nature Communications, (3. April 2020), doi: 10.1038/s41467-020-15539-8.

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Titelbild: Für ihre Arbeiten nutzte das Team als Modellorganismus die Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). (Bildquelle: © Markus Scholz, Uni Halle)