Cytokinin

Ein Hormonschalter treibt neue Blüten

10.06.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rapspflanzen sind nahe Verwandte von Arabidopsis (Quelle: © Tanja Lidke / pixelio.de).

Rapspflanzen sind nahe Verwandte von Arabidopsis (Quelle: © Tanja Lidke / pixelio.de).

Cytokinine sind ursprünglich bekannt als Schlüsselhormone, die Wachstums- und Alterungsprozesse in Pflanzen steuern. An der Freien Universität Berlin haben Wissenschaftler einen genetischen Mechanismus aufgespürt, mit dem sich der Cytokininhaushalt gezielt manipulieren lässt, um eine größere Menge an Blüten und Früchten zu erzeugen.

Hormone kennen wir als Botenstoffe, die uns glücklich machen, leiden lassen oder unser Wachstum steuern. Erstaunlicherweise besitzen auch Pflanzen einen Hormonhaushalt, der für eine geregelte Entwicklung der Pflanze und ihrer Organe sorgt. Sogenannte Phytohormone sind im Pflanzenreich an vielfältigen Prozessen wie Zellteilung, Blattabwurf, Nektarproduktion und Blüten- oder Samenbildung beteiligt.

#####bild1#####

Dass sich der Hormonhaushalt von Pflanzen auch manipulieren lässt, um möglicherweise neue, ertragreichere Pflanzensorten zu züchten, haben Wissenschaftler in der Abteilung für angewandte Genetik am Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität Berlin herausgefunden.

Das Team um Thomas Schmülling beschäftigt sich seit 2001 mit der Wirkungsweise von Cytokininen, einer Klasse kleiner Signalmoleküle, die besonders wegen ihrer wachstumsfördernden Wirkung bekannt sind. Weil es die Zellteilung, die Cytokinese, anregt, erhielt das Hormon seinen Namen.

Dabei kann das Hormon seine Signalwirkung direkt am Entstehungsort oder über größere Distanzen entfalten. Steht der Pflanze beispielsweise genügend Stickstoff im Boden zur Verfügung, bilden die Wurzeln vermehrt Cytokinin, das über die Leitbündel in den Spross gelangt. „Die Sprossspitze erhält so Informationen über die Ernährungsgrundlage im Boden. In diesem Fall besagt das Signal für die Pflanze: Es ist eine gute Ernährungsgrundlage vorhanden, du kannst tüchtig wachsen!“, erklärt Thomas Schmülling. 

Mehr Cytokinin führt zu mehr Blüten und Früchten

Dass sich durch Cytokinin sogar die Menge von Blüten und Samen erhöhen lässt, war auch für die Forscher ein verblüffendes Ergebnis. Um die Regulierung des Hormons besser zu verstehen, schalteten sie einige der sieben Gene aus, die den Abbau von Cytokininen in der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana steuern.

#####bildbox1#####
Der Blütenstand einer Ackerschmalwand des Wildtyps (links) und der vergrößerte Blütenstand einer genetisch veränderten Pflanze, in der Cytokinin-abbauende Gene ausgeschaltet wurden (rechts).

Der Blütenstand einer Ackerschmalwand des Wildtyps (links) und der vergrößerte Blütenstand einer genetisch veränderten Pflanze, in der Cytokinin-abbauende Gene ausgeschaltet wurden (rechts).

Bildquelle: © Dahlem Centre of Plant Sciences (DCPS)

Pflanzen, in denen diese Gene in einer bestimmten Kombination mutiert waren, entwickelten eine größere Anzahl an Blüten mit größeren Blütenblättern und produzierten dadurch bis zu 55 % mehr Samen. Die Ursache für diese neue Blütenpracht erkannten die Forscher erst bei genauerer Untersuchung des blütenbildenden Gewebes, das pflanzliche Stammzellen enthält.

Der besonders hohe Gehalt des Cytokinin-Hormons verzögerte den Zeitpunkt, zu dem sich die Zellen normalerweise zu Blütenzellen entwickeln. Stattdessen verblieben die Zellen in ihrem nicht-spezialisierten Stadium, das auch für tierische Stammzellen typisch ist und teilten sich weiter. Cytokinin erhöhte also die Anzahl der Blüten, indem es das blütenbildende Organ wachsen ließ. 

Kulturpflanzen nutzen gleiches genetisches Prinzip der Cytokinin-Regulation 

Interessanterweise scheinen auch die klassischen Pflanzenzüchter in der Vergangenheit einen ähnlichen genetischen Hintergrund in Nutzpflanzen ausgewählt zu haben. Vor einigen Jahren wurde bekannt, dass eine besonders ertragreiche Reissorte eine ähnliche Genmutation trägt, wie sie Thomas Schmülling und sein Team kreiert haben. „Die Ergebnisse aus der Reispflanze lieferten uns bereits einen Hinweis darauf, dass sich über den Cytokininhaushalt auch der Ertrag beeinflussen lässt. Trotzdem sind wir erstaunt, dass diese Genmutationen nicht nur in Gräsern, sondern auch in entfernt verwandten Pflanzen wie der Ackerschmalwand einen ähnlichen Effekt haben“, so Schmülling. 

#####bildbox2#####
Da Raps nah verwandt ist mit Arabidopsis, können die Forschungsergebnisse von GABI-GROWTH die Züchtung neuer, ertragreicher Rapssorten beflügeln.

Da Raps nah verwandt ist mit Arabidopsis, können die Forschungsergebnisse von GABI-GROWTH die Züchtung neuer, ertragreicher Rapssorten beflügeln.

Bildquelle: © berggeist007/pixelio.de

Ein Drehen am Cytokinin-Regler erzeugt neue Raps-Sorten

Die Tatsache, dass sich über den Cytokininhaushalt möglicherweise auch die Erträge von Kulturpflanzen steigern lassen, hat beträchtliches biotechnologisches Potential für die Pflanzenzüchtung. Seit 2008 testet Schmüllings Arbeitsgruppe gemeinsam mit dem deutschen Saatzucht-Unternehmen NPK Rapspflanzen, in denen Cytokinin-regulierende Gene verändert wurden. Raps ist Deutschlands wichtigste Ölpflanze und zudem ein naher Verwandter der Ackerschmalwand.

Mit einem Eingriff in die Cytokininregulation verfolgt das vom BMBF geförderte GABI-GROWTH Projekt außerdem noch zwei weitere Ansätze. Denn Cytokinin fördert nicht nur die Zellteilung, es hemmt auch das Wachstum von Wurzeln und verzögert die Blattalterung.

Ein kleineres oder größeres Wurzelwerk spielt beispielsweise bei Trockenstress eine Rolle. Eine frühere oder beschleunigte Blattalterung stellt Nährstoffe aus den Blättern zur Verfügung, die wiederum für die Samenbildung genutzt werden können. „Eine Art ökonomisches Recycling“, so Schmülling. „Mit unserer Studie haben wir gezeigt, dass Pflanzen wie Arabidopsis ihr genetisches Potential, bzw. die Möglichkeit, Nährstoffe in Ertrag umzuwandeln, bei optimaler Ernährung gar nicht ausschöpfen. Durch einen Eingriff in den Cytokininhaushalt können wir die Pflanze dazu bewegen, dieses Potential besser zu nutzen.“ Die ersten Ergebnisse des GABI-GROWTH Projektes werden im Herbst 2011 erwartet.


Quelle:
I. Bartrina et al. (2011) Cytokinin Regulates the Activity of Reproductive Meristems, Flower Organ Size, Ovule Formation, and Thus Seed Yield in Arabidopsis thaliana. The Plant Cell 23 (S. 68-80). (Link).

Zum Weiterlesen:

  • T. Schmülling (2003) Metabolismus und Signalübertragung der Cytokinine. Biospektrum (Link).

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Rapspflanzen sind nahe Verwandte von Arabidopsis (Quelle: © Tanja Lidke / pixelio.de).