Doppelter Stress

Klimawandel und intensive Landwirtschaft setzen der Bodenfauna zu

28.08.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Springschwänze (Collembola). (Bildquelle: © iStock.com/Henrik_L)

Springschwänze (Collembola). (Bildquelle: © iStock.com/Henrik_L)

Die Biomasse der im Boden lebenden Tiere verringert sich durch steigende Temperaturen und landwirtschaftliche Nutzung, fanden Forscher heraus. Um dieser Tendenz entgegen zu wirken, muss zügig gehandelt werden.

Wenn vom „Insektensterben“ die Rede ist, denkt man für gewöhnlich an Sympathieträger wie Bienen und Tagfalter. Andere Gliederfüßer, die meist untertage leben wie Asseln, Milben oder Tausendfüßler, sind da weniger im Blick. Dabei sind sie mindestens ebenso wichtig für gesunde Ökosysteme.

Und auch sie haben mit Problemen zu kämpfen: Der Klimawandel und eine stark intensivierte Landwirtschaft machen ihnen zu schaffen. Und: Bisher gibt es nur wenig Erkenntnisse, wie sich beide Faktoren zusammen auf das Bodenleben auswirken. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) hat sich daher in einer neuen Studie mit den Zukunftsaussichten der kleinen Bodenbewohner befasst.

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Klimawandel und Landnutzung reduzieren die Biomasse der Bodentiere über unterschiedliche Pfade: Das veränderte Klima reduziert die Körpergröße und die Bewirtschaftung die Häufigkeit.

Klimawandel und Landnutzung reduzieren die Biomasse der Bodentiere über unterschiedliche Pfade: Das veränderte Klima reduziert die Körpergröße und die Bewirtschaftung die Häufigkeit.

Bildquelle: © Lisa Vogel / UFZ (Grafik)

Der Wert der Bodenfauna

Der Boden unter unseren Füßen ist dicht besiedelt. In einer Handvoll gesunden Bodens leben Milliarden Lebewesen, die man als Edaphon bezeichnet. Das Edaphon setzt sich aus der Boden- bzw. Mikroflora (z. B. Pilzen, Algen, Bakterien und Flechten) und der Bodenfauna zusammen. Während die Lebewesen der Bodenflora in der Regel sehr klein sind, reicht die Größe der im Boden lebenden Tiere von winzigen Amöben (kleiner als 0,2 mm) bis hin zu Regenwurm, Maus und Maulwurf.

Auch wenn diese unterirdische Lebensgemeinschaft von den meisten Menschen nur selten bewusst wahrgenommen wird (höchstens mal durch einen Maulwurfshaufen auf dem Rasen), hat sie doch einen unschätzbaren Wert für die Funktion von Ökosystemen und damit für den Menschen. Denn sie ist verantwortlich für die Zersetzung toter organischer Materie und damit für die Bereitstellung von wichtigen Nährstoffen für das Pflanzenwachstum. Ein gesundes Bodenleben ist damit ein wichtiger Faktor für die Fruchtbarkeit des Bodens.

Druck von zwei Seiten

Schon länger ist klar, dass die intensive Landwirtschaft diese Bodengemeinschaft negativ beeinflusst. Nun kommt auch noch der Klimawandel hinzu, mit höheren Temperaturen und veränderter Niederschlagsverteilung. Um die zukünftigen Veränderungen der Bodenfauna sowie Auswirkungen auf landwirtschaftliche Erträge und Ökosysteme abschätzen zu können, untersuchte das Forschungsteam die Veränderungen der Bodenfauna nach einer Umwandlung von Grünland in eine Ackerfläche.

Zusätzlich simulierten sie einen durchschnittlichen Temperaturanstieg um 0,6 Grad und veränderte Niederschlagsmuster (10 Prozent mehr Regen im Frühjahr und Herbst und 20 Prozent weniger Regen im Sommer). Dazu nutzten sie spezielle Versuchsfelder in der Freilandversuchsanlage GCEF (Global Change Experimental Facility). Insbesondere Veränderungen der Mesofauna (Individuengrößen zwischen 0,3 und 1 Millimeter) wurden erfasst. Dazu gehören beispielsweise Milben (Acari) und Springschwänze (Collembola).

Einfluss auf Körpergröße und Dichte

Die Ergebnisse zeigen klar: Der Klimawandel hat einen deutlichen Einfluss auf das tierische Bodenleben. Das Team konnte feststellen, dass die Individuengrößen der untersuchten Taxa mit steigender Bodentemperatur abnahm – im Schnitt um 10 Prozent. Damit verringerte sich auch die totale Biomasse der Tiere um 17 Prozent. Denn bei den wechselwarmen Gliederfüßern bewirken höhere Temperaturen einerseits eine Beschleunigung von Wachstum und Entwicklung, andererseits führen die Wärme und der erhöhte Metabolismus zu einer Reduktion der Organismengrößen. Das geht zu Lasten der Bodenfruchtbarkeit, da die kleineren Tiere weniger organisches Material umsetzen.

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Bodenlebewesen befinden sich hauptsächlich in der oberen Bodenschicht sowie in der Humusauflage und Streuschicht eines Bodens und zersetzen organische Substanz.

Bodenlebewesen befinden sich hauptsächlich in der oberen Bodenschicht sowie in der Humusauflage und Streuschicht eines Bodens und zersetzen organische Substanz.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Auch die Umwandlung von Grünland in Ackerfläche wirkte sich negativ auf die Bodenfauna aus – hier sank die Zahl der Bodenorganismen. Besonders deutlich war das bei der Umwidmung von extensiv genutztem Grasland hin zu einem intensiv genutzten Acker. Im Ackerboden lebten 47 Prozent weniger Tiere, die totale Biomasse sank um 37 Prozent. Diese Abnahme wirkt sich ebenfalls auf die Fruchtbarkeit des Bodens aus.

Ökologischer Landbau ist auch kein Rettungsanker

Sowohl Klimawandel als auch Landnutzungsänderungen hatten also einen direkten Einfluss auf die Bodenfauna. Das Forschungsteam fand aber auch heraus, dass die Bodenfauna in konventionell und ökologisch bewirtschafteten Ackerflächen sich kaum unterschied. Bisher galt die ökologische Landwirtschaft immer als puffernder Faktor für die Auswirkungen des Klimawandels. Zumindest in Bezug auf die Bodenfauna ist das aber wohl nicht der Fall.

Das Forschungsteam betont daher, dass nur eine direkte Ursachenbekämpfung die Bodenfauna schützen kann – also eine schnellstmögliche Drosselung der globalen Treibhausgasfreisetzungen.


Quelle:
Yin, R. et al. (2020): Climate change and intensive land use reduce soil animal biomass via dissimilar pathways. In: eLife 2020;9:e54749, (28. Juli 2020), doi: 10.7554/eLife.54749.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Springschwänze (Collembola). (Bildquelle: © iStock.com/Henrik_L)