Bodenbiodiversität wirkt bis in den Supermarkt
Einfluss der Bodenorganismen bisher wenig untersucht
Bodenorganismen können den Nährstoffgehalt von Pflanzen verbessern – das wurde in den vergangenen Jahren umfangreich erforscht. Aber auch Lagerung und Verarbeitung nach der Ernte lassen sich durch die Bodenbiodiversität positiv beeinflussen, wie sich an einigen Beispielen gezeigt hat. Systematische Forschung fehlt hier jedoch noch.
Rund zehn Millionen Hektar Ackerfläche gehen weltweit pro Jahr verloren, berichtet das Umweltbundesamt. Im Weltagrarbericht heißt es: „Die Kosten der Bodendegradation belaufen sich weltweit auf 6,3 bis 10,6 Billionen US-Dollar jährlich - etwa 10 bis 17% der Weltwirtschaftsleistung.“ Intensiv beschäftigt die Forschung daher die Frage, wie sich eine nachhaltige Bodennutzung und eine ertragsstarke Landwirtschaft verbinden lassen.
In den vergangenen Jahren hat die Wissenschaft dabei die Biodiversität in den Böden verstärkt in den Blick genommen. Zahlreiche Beispiele sind inzwischen bekannt, wie bestimmte Bodenorganismen, insbesondere Wurzelsymbionten, Pflanzen toleranter gegenüber Umweltstress machen können oder Einfluss auf den Nährstoffgehalt der Pflanzen nehmen. Auch die Menge an sekundären Pflanzenstoffen wird vom Bodenleben mitbestimmt. Das steigert Erträge und den Nutzwert der Pflanzen, beispielsweise in Form des Vitamingehalts.
Mehr Nährstoffe durch Endomykorrhizen
So erhöhen Endomykorrhizen bei Erdbeeren den Gehalt an Vitamin C, Phenolen und Anthocyanen. Bei Tomaten sind es bestimmte Bodenbakterien, die die Menge von Ascorbinsäure ansteigen lassen.
Während über die Wirkung einzelner Bodenorganismen auf Pflanzen konkrete Erkenntnisse vorliegen, ist über das komplexe Zusammenspiel verschiedener Bodenorganismen bei der Beeinflussung von Nährstoffgehalt und Pflanzengesundheit noch wenig bekannt.
So zeigte sich beispielsweise bei Kartoffelpflanzen, dass drei ökonomisch bedeutsame Erkrankungen der Knollen – Braunfäule, Knollenfäule und Rotfäule – sowie eine frühe Keimung nur ausblieben, wenn die Bakterienstämme Pseudomonas fluorescens S11:P:12, P22:Y:05 und S22:T:04 sowie Enterobacter cloacae S11:T:07 gleichzeitig im Boden vorkamen. Jeder einzelne dieser Bakterienstämme konnte diesen Schutz nicht leisten. Die genauen Zusammenhänge sind noch unbekannt. Die Forschung auf diesem Gebiet ist zudem schwierig, weil die gemeinsame Kultivierung der beteiligten Bodenorganismen im Labor oft nicht gelingt.
Welche Effekte wirken nach der Ernte?
In den meisten Fällen endete die Forschung zu den Einflüssen der Bodenbiodiversität mit dem Zeitpunkt der Ernte. Könnten aber die Mikroorganismen, die sich nach der Ernte an den Pflanzen befinden, weiter eine Rolle spielen und z. B. die Lebensmittelqualität beeinflussen? Haben Pflanzenstoffe, deren Bildung von Mikroorganismen im Wurzelraum mit beeinflusst wurde, nicht möglicherweise auch bei der Verarbeitung und Lagerung der Pflanzen bestimmte Effekte?
Tatsächlich ist das der Fall, wie insbesondere am Beispiel der Endomykorrhizen deutlich wird. Bei einem Geschmackstest von Brot konnten die Probanden Unterschiede feststellen, wenn der Weizen mit oder ohne Endomykorrhizen aufgezogen wurde. Wachsen Kartoffeln gemeinsam mit arbuskulären Mykorrhizapilzen, entwickeln die Knollen während der Lagerung 90 Prozent weniger Trockenfäule als Kartoffeln, die ohne Symbionten wuchsen. Außerdem verhindert ein bestimmter arbuskulärer Mykorrhizapilz, dass sich in den Kartoffelknollen Mycotoxine bilden. Die Forschung geht davon aus, dass dieser positive Effekt auch am Ende der Lagerung noch zu einem reduzierten Mycotoxingehalt beiträgt.
Ein anderes Beispiel sind Weintrauben. Gelangen Bodenmikroorganismen durch Staubflug oder während der Ernte auf die Trauben, überlebt ein Teil von ihnen die Fermentation und kann den Geschmack des Weins positiv oder negativ beeinflussen. Und Papaya, die in Symbiose mit Mykorrhizen wuchsen, verlieren während der späteren Lagerung weniger Gewicht – ganz einfach, weil solche Pflanzen größere Früchte und damit ein günstigeres Verhältnis von Oberfläche zu Volumen aufweisen.
Systematische Forschung nötig
Das alles sind Einzelstudien. „Es gibt wenig Informationen zu lagerungsbezogenen Effekten, abgesehen von Krankheiten und Verderbnis, aber wahrscheinlich ein großes Potenzial für Entdeckungen“, resümiert Matthias Rillig von der Freien Universität Berlin den Stand der Forschung.
Gemeinsam mit weiteren Kolleginnen und Kollegen der FU Berlin, der TU Berlin und der Cornell University fordert er, diesen Forschungsbereich zu systematisieren. „Es wird ganz klar schwierig sein, unterschiedliche Aspekte der Bodenbiodiversität in der Größenordnung ganzer Felder zu steuern, mit sauberer Studienkontrolle und Reproduzierbarkeit“, betont Rillig – aber es sei möglich. Nötig seien dazu nachhaltige und strategische Partnerschaften zwischen akademischer Forschung und der Lebensmittelindustrie. Die Ernte eines kleinen Feldes könnte dann separat die üblichen Verarbeitungs-, Transport- und Lagerschritte durchlaufen und dabei analysiert werden.
Die Vision der Wissenschaft geht noch einen Schritt weiter: Langfristig sollte nicht nur die Bodenbiodiversität, sondern auch das Mikrobiom in Blättern und Blüten sowie die Anbaudiversität in den Fokus genommen werden. Auch hier könnten Effekte auf Lebensmittelqualität, Lagerfähigkeit und Geschmack vermutet werden.
Quelle:
Rillig, M.C. et al. (2018), Soil Biodiversity Effects from Field to Fork. In: Trends in Plant Science, Volume 23, Issue 1, 17 - 24, (Januar 2018), doi: 10.1016/j.tplants.2017.10.003.
Weiterführende Informationen:
- Weltagrarbericht zu Bodenfruchtbarkeit und Erosion
- BonaRes – Boden als nachhaltige Ressource der Bioökonomie
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Die „Mikroben-assoziierte Landwirtschaft“ - Natürliche Vorgänge für die Landwirtschaft ausnutzen
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Titelbild: Die Bodenbiodiversität beeinflusst Nahrungsmittel auch noch nach der Ernte. (Bildquelle: © Joujou / pixelio.de)