Mut zur Wildnis
Wilde Ecken im Garten helfen den Insekten
Um das Insektensterben aufzuhalten, kann jeder etwas tun – im eigenen Garten, beim Konsum oder mit einem Engagement für den Naturschutz.
Das Insektensterben ist ein globales Problem, das immer weitere Kreise zieht. Nicht nur die intensive Landwirtschaft, auch der Klimawandel zerstört ihre Lebensgrundlage. Allgemein verschwinden Tier- und Pflanzenarten in großem Ausmaß. WissenschaftlerInnen sprechen vom sechsten Massensterben auf der Erde, verursacht vom Menschen. Allerdings sind die Insekten deutlich weniger im Fokus als aussterbende Säugetiere oder Pflanzen, aber sie sind mindestens genauso wichtig für unser Überleben.
Das Problem ist so drängend, dass das Wissenschaftsmagazin PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) eine Sonderausgabe zum Thema herausgegeben hat. Darin werden die verschiedenen Bedrohungen für die Insekten näher beleuchtet, es wird aber auch betont, was jeder selbst tun kann.
Warum Insekten so wichtig sind
Insekten sind ein wichtiger Bestandteil der Ökosysteme. Sie bestäuben Pflanzen, sind Nahrungsgrundlage vieler Tierarten und sorgen als Destruenten dafür, dass totes organisches Material zu wertvollem Humus zersetzt wird und damit die Bodenbildung fördert. Verschwinden die Insekten, brechen die fein aufeinander abgestimmten Abläufe der Ökosysteme zusammen. Das betrifft insbesondere auch den Menschen, dessen Überleben von Ökosystem-Dienstleistungen wie fruchtbarem Boden, sauberem Wasser, Bestäubung, Schädlingsbekämpfung und vielem mehr abhängt.
Die wichtigsten Bedrohungen für Insekten
Die Bedrohungen für die Insekten sind vielfältig. Neben dem Klimawandel und der intensiven Landwirtschaft setzt ihnen der Habitatverlust durch Landnutzungsänderungen – vor allem Rodungen – zu. Zu diesem Habitatverlust tragen auch allzu aufgeräumte, naturferne Gärten und Grünflächen bei. Laut der Forscher gibt es allein in den USA über 160 Millionen Hektar Rasenfläche, die für Insekten kaum etwas zu bieten haben. Auch in Deutschland gibt es zu viele Gärten, die nicht insektenfreundlich gestaltet sind. Hier kann jeder Gartenbesitzer helfen.
Eine „wilde“ Ecke im Garten
Insekten brauchen mehr naturnahe Gärten mit Pflanzen, die Nahrung bieten, Schlaf- und Brutplätze sind sowie Überwinterungsmöglichkeiten bieten. Diese Biotope müssen nicht mal besonders groß sein. Sie sollten nur zahlreich und gut verteilt vorkommen, idealerweise als engmaschiges Netz von „Trittsteinbiotopen“. In einen insektenfreundlichen Garten gehören neben den richtigen Pflanzen auch ein kleiner Holz- oder Reisigstapel, eine kleine Wasserstelle (eine Schale mit Wasser reicht) und Nisthilfen. Wenigstens eine kleine Ecke im eigenen Garten naturnah umzugestalten, ist daher die wichtigste, schnellste und effektivste Hilfe, die jeder leisten kann. Wer keinen Garten hat, kann auch auf dem Balkon oder außen vor dem Fenster Wildblumen wachsen lassen.
Heimische Wildarten pflanzen
Benötigt werden „echte“ Wildpflanzen, denn nur sie bieten unserer vielfältigen Insektenwelt, was sie benötigt. Während beispielsweise Honigbienen beim Blütenbesuch nicht wählerisch sind und zudem als Nutztiere vom Menschen versorgt werden, sind viele Wildbienenarten von nur wenigen oder sogar nur einer Wildpflanzenart abhängig.
Da die Wildpflanzenvorkommen in den letzten Jahrzehnten stark zurück gegangen sind, sollten vorzugsweise solche Wildpflanzen ausgesät oder gepflanzt werden, die Wildbienen, Hummeln, Tag- und Nachtfaltern oder Schwebfliegen nützen. In einen naturnahen Garten gehören daher auch sogenannte „Unkräuter“ wie Taubnessel, Rainfarn, Beifuß oder Brennnessel, da sie ebenfalls viele Insektenarten fördern.
Vorsicht Falle
Allerdings muss bei der Auswahl der Saaten genau hingeschaut werden. Denn oft sind Saatmischungen für die heimische Insektenwelt ungeeignet, da sie Züchtungen mit gefüllten Blüten enthalten – und damit kaum oder kein Nektar und Pollen für Insekten bereitstellen. Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Blühzeiten. Idealerweise blüht es im Garten von Februar bis Oktober. Wer hinsichtlich der Pflanzenauswahl unsicher ist, kann bei einer Wildstaudengärtnerei nachfragen. Auch die Naturschutzverbände können weiterhelfen.
Weitere wichtige Dinge, die jeder selbst tun kann, sind ...
… der Verzicht auf alle Arten von Pflanzenschutzmitteln im Garten. Sie werden häufig zu „kosmetischen“ Zwecken genutzt, um den Rasen frei von Löwenzahn zu halten oder um Blattläuse zu bekämpfen. Dabei treffen sie oftmals sogenannte „Nicht-Zielorganismen“, also auch bedrohte Insektenarten.
… der Verzicht auf nicht nötige nächtliche Beleuchtung im Garten. Lampen gelten als eine Hauptursache für den starken Rückgang vieler Nachtfalterarten. In Europa sorgt die „Lichtverschmutzung“ mittlerweile dafür, dass Nachtfalter noch schneller verschwinden als Tagfalter. Auch elektrische „Moskito-Killer“, die mit UV-Schwarzlicht arbeiten, töten viele harmlose Insekten.
... die Reinigung von Hauseingängen und Terrassen ausschließlich mit biologisch abbaubarer Seife. Handelsübliche Reinigungsmittel enthalten oft giftige Substanzen, die über die Kanalisation direkt in den Wasserkreislauf gelangen und dort Wasserinsekten gefährden. Autos nur dort waschen, wo das Wasser professionell wieder aufbereitet wird, etwa in einer extra dafür ausgelegten Waschbox.
… die positive öffentliche Wahrnehmung von Insekten fördern. Dafür ist Aufklärung nötig, zu der jeder beitragen kann. Viele Menschen wissen nicht, wie abhängig wir Menschen von Insekten sind. Oft werden diese Tiere nur als eklige oder teils auch bedrohliche Kreaturen wahrgenommen. Vor allem Kinder sollten früh lernen, wie wichtig Insekten für intakte Ökosysteme sind und dass sie geschützt werden müssen. Und nicht zuletzt kann auch ein Engagement in der lokalen Politik helfen, ebenso wie regelmäßig zu wählen.
Verbesserte Landwirtschaft und mehr Daten
Nötig ist ein nachhaltiger Umbau der Landwirtschaft weg von der industriellen Massenproduktion hin zu mehr Qualität und Regionalität. Sinnvoll wäre eine Kombination aus an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Anbaumethoden mit robusten Sorten, die mit einem geringen Eintrag an Stickstoff, Wasser und Pflanzenschutzmitteln zurechtkommen (precision farming) und aus einer Förderung des ökologischen Landbaus.
Des Weiteren ist eine umfangreichere Artenerfassung nötig, um Bedrohungen einzelner Spezies rechtzeitig erkennen und effektive Maßnahmen einleiten zu können. Auch hier kann jeder einzelne helfen, indem er bei Insektenzählaktionen mitmacht. So ruft der Naturschutzbund Deutschland (NABU) auch 2021 wieder zu einem Insektenzählsommer auf, an dem sich jeder mitmachen kann.
Letztlich können alle täglich die eigenen Entscheidungen auf den Prüfstand stellen. Ein mehr an Nachhaltigkeit bei Konsum und Mobilität helfen, den Klimawandel einzudämmen. Damit ist auch den Insekten sehr geholfen.
Machen Sie mit!
Quellen:
- Wagner, D.L. et al. (2021): Insect decline in the Anthropocene: Death by a thousand cuts. In: PNAS, Vol 118 (2), (12. Januar 2021), doi: 10.1073/pnas.2023989118.
- Raven, P.H. und Wagner, D.L. (2021): Agricultural intensification and climate change are rapidly decreasing insect biodiversity. In: PNAS, Vol 118 (2), (12. Januar 2021), doi: 10.1073/pnas.2002548117.
- Kawahara, A.Y. et al (2021): Opinion: Eight simple actions that individuals can take to save insects from global declines. In: PNAS, Vol 118 (2) (12. Januar 2021), doi: 10.1073/pnas.2002547117.
Zum Weiterlesen:
- Das große Sterben - Verlust von Insekten nimmt alarmierende Ausmaße an
- S.O.S.- Globaler Fahrplan zur Insektenrettung
- Aus den Fugen geraten - Das Insektensterben verändert auch die Pflanzenwelt
- Blumige Aussichten für Insekten - Förderung der Biodiversität im urbanen Raum
Titelbild: Insekten brauchen mehr naturnahe Gärten. (Bildquelle: © Albrecht Fietz / Pixabay)