„Klein“ ist ökologisch besser

Studie zu Vorteilen der kleinräumigen und biologischen Landwirtschaft

11.09.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mehr Strukturen in der Landschaft (Hecken, kleinere Äcker, Wege, Feldgehölze) fördern die Biodiversität. (Bildquelle: © aldorado / Fotolia.com)

Mehr Strukturen in der Landschaft (Hecken, kleinere Äcker, Wege, Feldgehölze) fördern die Biodiversität. (Bildquelle: © aldorado / Fotolia.com)

Vielfältige Ackerrandstrukturen in der konventionellen Landwirtschaft wirken sich ebenso positiv auf die Biodiversität aus wie die ökologische Landwirtschaft. Zudem können Landwirte von der ökologischen Landwirtschaft trotz geringerer Erträge ein höheres Einkommen erwarten, fand ein Forschungsteam heraus.

Traditionell sind die Felder in Westdeutschland deutlich kleiner als jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Ein Forschungsteam der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Göttingen hat jetzt die Effekte der Kleinräumigkeit und des ökologischen Landbaus auf die Biodiversität untersucht. In einer weiteren Studie untersuchte ein Forschungsteam die Kohlenstoffverluste im Boden durch die Landwirtschaft.

Biodiversität in der Landwirtschaft ist wichtig

Hecken, Knicks und Ackerränder mit Blütenpflanzen strukturieren nicht nur die Landschaft, sie haben auch eine wichtige ökologische Bedeutung: Sie bieten einer Vielfalt an Pflanzen und Tierarten Lebensraum, unter anderem für viele Insektenarten, unter denen auch  wichtige Bestäuber sind.

Um eine direkten Vergleich der Auswirkungen der unterschiedlichen Strukturen der Feldmark sowie von ökologischem und konventionellem Landbau auf die Biodiversität zu ermöglichen, untersuchte das Forschungsteam für Deutschland repräsentative Felder mit Winterweizen entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Niedersachsen und Thüringen.

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Acker, soweit das Auge reicht. Für die Biodiversität sind jedoch laut einer Studie kleinräumige Strukturen von Vorteil.

Acker, soweit das Auge reicht. Für die Biodiversität sind jedoch laut einer Studie kleinräumige Strukturen von Vorteil.

Bildquelle: © Comstock/Stockbyte/Thinkstock

Während im ehemaligen Westdeutschland kleinräumige Felder vorherrschen, die von Familienbetrieben bestellt werden, wurden im ehemaligen Ostdeutschland in den 1950er Jahren viele Einzelhöfe zu großen „Landwirtschaftlichen Genossenschaften“ (LPGs) zusammengeschlossen und deren Felder zu einigen wenigen großen Äckern vereinigt. Nach der Wiedervereinigung blieben die großen Felder weitgehend bestehen.

Die kleinräumigen Strukturen im ehemaligen Westdeutschland haben bis zu 70 Prozent mehr Ackerränder, die Felder im Osten sind bis zu sechs Mal größer. Auch bei der Bewirtschaftung gibt es deutliche Unterschiede zwischen konventionellem und ökologischem Landbau: Konventionell arbeitende Landwirte verbrauchen sowohl im Osten als auch im Westen fünf Mal mehr Stickstoffdünger als ökologische Landwirte und bringen bis zu fünf Mal im Jahr chemische Pflanzenschutzmittel aus, während ökologische Landwirte keine chemischen Pestizide nutzen. Allerdings hat die konventionelle Landwirtschaft dann auch doppelt so hohe Erträge im Vergleich zum biologischen Landbau.

Kleine Felder gleich größere Biodiversität

Für die Untersuchungen der Biodiversität wählte das Forschungsteam neun Feldpaare jeweils westlich und östlich der ehemaligen Grenze aus, jedes Paar bestehend aus jeweils einem konventionell und einem ökologisch bewirtschafteten Feld. Die Umgebungsbedingungen der Felder waren vergleichbar, ebenso die vorkommenden Pflanzen- und Tierarten. Für die Erfassung der Pflanzen- und Tierwelt wurden in jedes Feld verschiedene Beobachtungspunkte vom Feldrand in Richtung Feldmitte gelegt. Anschließend wurden an diesen Stellen die Arten und die Individuenzahlen bestimmt: Direkt am Feldrand sowie 15 Meter und 75 Meter (West) bzw. 120 Meter (Ost) im Inneren des Feldes.

Bei den Untersuchungen zeigte sich, dass sowohl im Westen als auch im Osten die ökologisch bewirtschafteten Felder generell eine höhere Biodiversität aufwiesen als die konventionell bewirtschafteten Felder. Das galt besonders für Pflanzenarten: bis zu 44 Prozent mehr Arten wurden auf ökologisch bewirtschafteten Feldern gezählt. Zudem konnten der größte Artenreichtum und die größte Individuenzahl am Rand der Felder nachgewiesen werden. Diese Häufigkeit nahm in Richtung Feldmitte bis zu 25 Prozent ab.

Beim Vergleich zwischen West und Ost zeigte sich ebenfalls ein deutlicher Effekt: Obwohl die Artenvielfalt in den beiden Regionen gleich war, gab es auf den Feldern große Unterschiede. Im Westen kamen auf neun kleinen Feldern deutlich mehr Arten vor als im Osten auf vier großen Feldern, die jeweils zusammengenommen die gleiche Feldrandlänge aufwiesen. Das Forschungsteam führt diesen Effekt auf die größere Strukturvielfalt durch die Ackerränder zurück. Im Verhältnis zur Fläche gibt es im Westen mehr Ackerrandstrukturen als im Osten.

Öko ist gut für die Umwelt und bringt mehr Gewinn

In einer zweiten Untersuchung verglich das Forschungsteam den Gewinn der einzelnen Bewirtschaftungsformen. Die Ernteerträge der konventionellen Landwirtschaft in Ost und West waren gleich, im Osten wurden aber wegen der geringeren Produktionskosten bis zu 50 Prozent höhere Gewinn erzielt. Im Gegensatz dazu hatten ökologische Landwirte in Ost und West über 100 Prozent höhere Gewinne, obwohl sie nur halb so hohe Erträge erzielten. Nach Abzug der jeweiligen Subventionen (210 Euro pro Hektar und Jahr im Westen und 170 Euro pro Hektar und Jahr im Osten) verdiente ein ökologischer Landwirt im Westen etwa 1.181 Euro pro Hektar und Jahr, ein konventioneller nur 412 Euro pro Hektar und Jahr (im Osten waren es 1.663 Euro und 874 Euro). Grund hierfür sind die höheren Preise, die allgemein für ökologisch erzeugte Waren erzielt werden.

Kleinräumige Strukturen plus ökologische Landwirtschaft für mehr Artenvielfalt

Um die Biodiversität zu fördern, lohnt es sich also, kleinräumige Feldstrukturen zu erhalten. Im Zuge der Diskussion um die intensive Landwirtschaft und das Insektensterben könnte das eine wichtige Maßnahme sein, um die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Nach Meinung des Forschungsteams wäre es sinnvoll, kleinräumige Strukturen auch im Rahmen von Förderprogrammen zu stärken.

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Pflügen oder nicht pflügen? Forscher errechneten, dass durch alternative Verfahren, wie z. B. das Direktsaatverfahren, etwa 10 bis idealerweise 30 Prozent des verlorenen Kohlenstoffs wieder in den Boden zurückgebracht werden könnte.

Pflügen oder nicht pflügen? Forscher errechneten, dass durch alternative Verfahren, wie z. B. das Direktsaatverfahren, etwa 10 bis idealerweise 30 Prozent des verlorenen Kohlenstoffs wieder in den Boden zurückgebracht werden könnte.

Bildquelle: © lichtkunst.73 / pixelio.de

Kohlenstoffverlust des Bodens durch Landwirtschaft hat dramatisch zugenommen

In einer weiteren Studie untersuchte ein Forschungsteam den Kohlenstoffverlust des Bodens durch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Dieses Thema steht im Zuge des Klimawandels immer mehr im Mittelpunkt, da bei Kohlenstoffverlust des Bodens Kohlendioxid oder Methan in die Atmosphäre entweicht. Die Landwirtschaft hat damit einen großen Anteil am Treibhauseffekt. Gleichzeitig wird diskutiert, ob dieser Effekt nicht auch umkehrbar ist: Durch optimierte landwirtschaftliche Praktiken könnte im Boden auch wieder mehr Kohlenstoff gespeichert werden, was wiederum dem Klimawandel entgegenwirken würde.

Die Studie zeigt, dass seit Beginn der Landwirtschaft ein globaler Kohlenstoffverlust an die Atmosphäre von etwa 133 Milliarden Tonnen stattgefunden hat -  der weitaus größte Teil davon innerhalb der letzten 200 Jahre. Demnach liegen die Regionen mit den höchsten Kohlenstoffverlusten in landwirtschaftlich stark genutzten Bereichen, wo Ackerbau und Weidewirtschaft vorherrschen.

Es geht auch anders

Andererseits zeigt die Studie, dass durch landwirtschaftliche Nutzung von marginalen (also eher unfruchtbaren) Böden der Kohlenstoffgehalt im Boden auch leicht erhöht werden kann: Im Cerrado, einer etwa 2 Millionen Quadratkilometer großen Savannenregion in Brasilien mit natürlicherweise eher unfruchtbaren Böden, hat sich in den letzten Jahrzehnten durch Kalkung und Düngung eine hochproduktive landwirtschaftliche Region entwickelt. Insgesamt entstanden dort etwa 750.000 Quadratkilometer Ackerland und etwa 800.000 Quadratkilometer Weideflächen. Durch die Urbarmachung der vormals unfruchtbaren Böden hat sich der Kohlenstoffvorrat im Boden teilweise leicht erhöht.

Aber vor allem optimierte landwirtschaftliche Praktiken können die Böden wieder mit Kohlenstoff auffüllen. Die Forscher errechneten, dass über diese Praktiken (zum Beispiel Direktsaatverfahren ohne tiefes Pflügen, Mulchen, Gründüngung), etwa 10 bis idealerweise 30 Prozent des über die Jahrhunderte verlorenen Kohlenstoffs wieder in den Boden zurückgebracht werden könnte.

Die beiden Studien zeigen eindrucksvoll, dass Landwirtschaft nicht zwingend der Umwelt schaden muss. Mit ökologisch orientierten Methoden können sowohl die Treibhausgasfreisetzung vermindert als auch die Biodiversität gefördert werden. Ökologischer Landbau hilft zudem den Landwirten, ihren Gewinn zu verbessern.


Quellen:

  • Batáry, P. et al. (2017): The former Iron Curtain still drives biodiversity-profit trade-offs in German agriculture. In: Nature Ecology & Evolution, (21. August 2017), doi: 10.1038/s41559-017-0272-x.
  • Sandermann, J. et al. (2017): Soil carbon debt of 12.000 years of human land use. In: pnas, (14. Juli 2017), doi: 10.1073/pnas.1706103114.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Mehr Strukturen in der Landschaft (Hecken, kleinere Äcker, Wege, Feldgehölze) fördern die Biodiversität. (Bildquelle: © aldorado / Fotolia.com)