Entengrütze – eine Nutzpflanze der Zukunft?
Ein unscheinbares Wasserunkraut macht Karriere
Mit der gleichen Pflanze erst Abwässer reinigen und dann Tiere füttern oder Energie gewinnen? Mit der Wasserlinse, bei uns auch als Entengrütze bekannt, könnte das bald möglich sein. Forscher arbeiten daran, aus der winzigen Wasserpflanze eine Nutzpflanze der Zukunft zu machen.
Geht man an einem Teich oder am Graben spazieren, trifft man sie häufig an – die Teich- oder Wasserlinsen, auch Entengrütze genannt. Das sind kleine linsenförmige Pflanzen von der Größe eines Centstücks, die auf der Oberfläche von stehenden oder langsam fließenden Gewässern schwimmen und dort oft regelrechte Teppiche ausbilden. Bisher sind der Wissenschaft 37 Teichlinsenarten bekannt, die überall auf der Welt vorkommen. Die Pflanzengruppe hat mit der Wurzellosen Zwergwasserlinse (Wolffia arrhiza) auch die kleinste Blütenpflanze der Erde hervorgebracht, einen Winzling von gerade einmal 0,5 - 1,5 mm Länge. Bisher interessieren sich nur Botanikfreaks oder hungrige Enten, Fische und Schildkröten für die Pflänzchen, doch das könnte sich bald ändern.
Eigenschaften mit Potential
Tatsächlich verfügen die unscheinbaren Pflanzen über einige Eigenschaften, die in Zukunft sehr interessant werden könnten. Keine Blütenpflanze wächst schneller als die Entengrütze, die unter optimalen Bedingungen ihre Biomasse innerhalb eines Tages verdoppeln kann. Dieses schnelle Wachstum ist möglich, weil sich die Wasserlinsen in erster Linie vegetativ vermehren und damit keine Zeit mit geschlechtlicher Fortpflanzung verlieren. Die kleinen Schwimmpflanzen gedeihen auch auf Schmutz- oder Abwasser hervorragend. Möchte man sie kommerziell anbauen, werden also keine sauberen Gewässer oder wertvolle Ackerflächen für den Anbau benötigt.
Wasserlinsen lassen sich somit schnell, billig und unkompliziert auf der ganzen Welt produzieren. Dabei liefern sie mehr Eiweiß pro m² Anbaufläche als die Sojabohne, außerdem enthalten sie viel Stärke. Der hohe Nährstoffgehalt macht die Pflanze attraktiv als Tierfutter oder als Rohstoff für die Biogas und Bioethanolproduktion. Zwar gibt es auch einige Algen, die über ähnliche Eigenschaften verfügen, diese sind jedoch schwieriger zu ernten als die Wasserlinsen, die einfach von der Wasseroberfläche geschöpft werden.
Reines Wasser durch Entengrütze
Wasserlinsen verfügen noch über eine weitere nützliche Eigenschaft– sie reinigen Schmutzwasser, das z.B. bei der Schweinehaltung entsteht. Die extrem schnellwachsenden Pflanzen entziehen dem Wasser, auf dem sie wachsen, vor allem Stickstoff und Phosphat aber auch organische Stoffe. Die abgefilterten Nährstoffe werden in die Biomasse der Wasserlinsen integriert. Werden die Wasserlinsen von der Oberfläche abgeschöpft, sind dem Wasser die belastenden Stoffe endgültig entzogen.
Weltweit gibt es verschiedene landwirtschaftliche Projekte, die Wasserlinsen für sich nutzen. Ein Beispiel: Im Rahmen des seit über 20 Jahren bestehenden PRISM Projekts in Bangladesch wird das Abwasser eines großen Krankenhauskomplexes in Wasserlinsenteiche geleitet. Das Wasser wird zur Reinigung ca. einen Monat lang in den Teichen belassen und die darauf wachsenden Linsen werden täglich abgeschöpft. Die so geenteten Pflanzen werden als Futter für Fische, Schweine und Hühner verwendet, das gereinigte Wasser wird in Bewässerungssysteme zum Anbau tropischer Früchte weitergeleitet.
Gibt es auch Nachteile?
Bei all den genannten Vorzügen der Wasserlinse stellt sich die Frage, ob ihr Anbau auch Nachteile haben kann. Grundsätzlich gilt: Entengrütze verändert das Wasser, auf dem sie wächst. Solange sie auf landwirtschaftlichen Abwässern gezogen wird, ist das erwünscht und kein Problem. Doch sobald ein natürliches Gewässer als Anbaufläche genutzt wird, verändert sie dessen Ökosystem und verdrängt natürlich vorkommende Pflanzen. Der Gasaustausch an der Wasseroberfläche wird durch den starken Bewuchs reduziert. Das hat Einfluss auf den Sauerstoffgehalt und damit die Lebensbedingungen im Wasser. Natürliche Gewässer müssten für den dauerhaften Anbau außerdem gedüngt werden.
Die Wasserlinsenzucht ist also nur auf Abwässern nachhaltig und sinnvoll. Dies kann zu neuen Problemen führen, insbesondere, wenn man die Pflanzen als Tierfutter verwenden will. Entengrütze nimmt toxische Stoffe, vor allem Schwermetalle aus dem Wasser auf. Pflanzen, die auf derart belastetem Abwasser gezogen wurden, können nicht verfüttert werden. Gleichwohl kann man aus dieser Not eine Tugend machen und Wasserlinsen zur Phytosanierung von schwermetallverseuchten Gewässer benutzen. In diesem Fall müssen die Pflanzen nach der Ernte als Sondermüll entsorgt oder als Energie- und Rohstoffquelle in der Metallindustrie verwendet werden.
Ein wirtschaftlicher Anbau von Entengrütze ist abhängig von einem ganzjährigen Zufluss an nährstoffbelastetem Wasser und Temperaturen über 15°C. Wind, der die Wasseroberfläche aufwühlt, schadet dem Pflanzenwachstum. Die Kultivierung ist sehr platzintensiv, da Raum für viele flache Teiche vorhanden sein muss. Das macht die Technologie unattraktiv für größere Städte oder Gebirgsregionen mit wenig Platz. Auch trockene, windige oder kühle Regionen kommen für den Anbau nicht in Frage, wobei der Bau von Gewächshäusern und Abwassersystemen hier neue Möglichkeiten schaffen kann. In den ländlichen Gebieten der Tropen und Subtropen kann die Entengrütze jedoch ihr volles Potential als Multifunktions-Nutzpflanze entfalten.
Auf dem Weg ins Rampenlicht
Neben der Wissenschaft kennt auch die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, seit vielen Jahren die Vorzüge der Entengrütze. Auf der Homepage stellt die Organisation eine Anleitung zur Verfügung, in der beschrieben wird, wie Wasserlinsen auf Schmutzwasser gezogen und an Tiere verfüttert werden kann. Trotzdem ist das große Potential der Wasserlinsen bisher nur wenigen bekannt. Das soll sich nun ändern. Auf der zweiten internationalen Wasserlinsen-Fachtagung wurde ein Komitee gegründet, dessen Aufgabe es ist, die unkonventionelle Wasserlinsentechnologie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Möglicherweise werden wir der Entengrütze also bald häufiger begegnen.
Quellen:
- Rodriguez, L. und Preston, T.R. (2011). Productive use of livestock wastes; a manual for the use of biodigester effluent and ponds for duckweed production.
- Iqubal, S. (1999). Duckweed aquaculture - potentials, possibilities and limitations for combined wastewater treatment and animal feed production in developing countries. In: SANDEC Report 6/99.
- International Conference on Duckweed Research and Applications
Zum Weiterlesen:
Titelbild: Enten schätzen den hohen Nährwert der kleinen Wasserlinse, besser bekannt als Entengrütze. (Quelle: © iStockphoto.com/ Sylvie Bouchard)