Epigenetik machts möglich

Perfekt gereift: Rote, saftige, aromatische Tomaten

15.02.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Zum Anbeißen: roten Tomaten. (Quelle: © Goldlocki / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Zum Anbeißen: roten Tomaten. (Quelle: © Goldlocki / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)

Wissenschaftler konnten zeigen, dass neben dem Reifehormon Ethylen und frucht-spezifischen Transkriptionsfaktoren auch epigenetische Prozesse den Reifeprozess von Tomaten steuern. Diese Erkenntnis könnte sich auch Züchter zunutze machen.

Bis in die frühen 90er Jahre vermutete man, dass die Eigenschaften eines Organismus allein durch die Abfolge seiner DNA-Bausteine festgelegt seien. Die Entdeckung der Epigenetik revolutionierte diese Vorstellung und stieß einen regelrechten Forschungsboom auf diesem Gebiet an.

Wissenschaftler konnten zeigen, wie die DNA-Methylierung, also das Anheften von Methylgruppen an bestimmte Stellen der DNA oder auch die Chromatin-Methylierung, beeinflusst, wie bestimmte Gene abgelesen werden. Das allein war für die Wissenschaftler zunächst noch kein besonders aufregender Mechanismus. Bald entdeckte man jedoch, dass die Methylierungsmuster einer Zelle auch an die Tochterzellen weitergegeben werden können. Das bedeutete, dass das individuelle An- und Abschalten von Genen vererbbar ist. Gene erschienen von da ab als Kommunikatoren, die in permanentem Austausch mit der Umwelt stehen und deren Aktivität durch Umwelteinflüsse beeinflusst werden kann.

Erste Methylierungskarte

Arabidopsis war die erste Pflanze, von der im Jahr 2008 eine Methylierungskarte über das gesamte Genom hinweg erstellt wurde. Die Weiterentwicklung der DNA-Sequenzierungstechnologien und daraus resultierende Genomsequenzen von hoher Qualität ermöglichten es den Wissenschaftlern, auch andere pflanzliche Genome mit überschaubarer Genomgröße auf ihren Methylierungsstatus hin zu analysieren.

Das 900 Mb (Megabasenpaare) große Tomatengenom wurde im Jahr 2012 vollständig sequenziert. Wissenschaftler dient die Tomate (Solanum lycopersicum) als Modellpflanze zur Untersuchung von Saftfrüchten, die den Samen bei ihrer Verbreitung helfen sollen. Nach der Ausbildung der Samen durchläuft auch die Frucht einen Reifeprozess, der durch irreversible Veränderungen der Farbe, der Textur, des Zuckergehalts, des Aromas und des Geschmacks gekennzeichnet ist.

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Eine Tomatenpflanze kann gleichzeitig Früchte verschiedener Reifegrade tragen.


Eine Tomatenpflanze kann gleichzeitig Früchte verschiedener Reifegrade tragen.

Bildquelle: © Marcel Erler / pixelio.de

Wer steuert den Reifeprozess?

Eine Tomatenpflanze kann gleichzeitig Früchte verschiedener Reifegrade tragen. „Allein dieser Umstand schließt eine allein systemische Regulation des Reifeprozesses von Tomaten aus“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Veröffentlichung. Wie aber wird dieser Vorgang dann gesteuert? Am Reifeprozess von Tomaten ist das pflanzliche Hormon Ethylen maßgeblich beteiligt. Seine Wirksamkeit beschränkt sich allerdings auf Früchte, die entwicklungsfähige Samen enthalten. Da Ethylen aber auch zahlreiche andere Wachstumsprozesse in Pflanzen steuert, muss am Reifen der Früchte noch ein anderer Mechanismus beteiligt sein.

Um zu prüfen, ob dieser Mechanismus eventuell epigenetischer Natur sein könnte, setzten Wissenschaftler die reifenden Tomaten dem Methyltransferase-Hemmer 5-Azacytidin aus. Die so inaktivierten Methytransferasen sind Enzyme, welche die DNA methylieren. Die Forscher beobachteten, dass die Tomaten schneller als üblich reiften. Auf der Suche nach den molekularen Ursachen für ihre Entdeckung führten die Forscher eine Bisulfit-Genomsequenzierung von ihren Tomaten in vier verschiedenen Entwicklungsstadien durch - von der unreifen bis zur ausgereiften Tomate. Durch diese Methode ist eine exakte Analyse der Cytosin-Methylierung der DNA möglich. Wissenschaftler können dadurch exakt bestimmen, welche Regionen der DNA in einer bestimmten Zelle methyliert sind.

Insgesamt identifizierten die Forscher 52.095 unterschiedlich methylierte Regionen in 90 % des Tomatengenoms, das durch ihre Analyse abgedeckt war. Somit war etwa 1 % des Tomatengenoms in den verschiedenen Reifestadien der Tomaten unterschiedlich methyliert - ein deutliches Zeichen für die Forscher, dass epigenetische Prozesse maßgeblich am Reifeprozess von Tomaten beteiligt sind.

Einen weiteren Beweis für ihre Vermutung fanden die Forscher, als sie die Andockstellen eines für den Reifeprozess von Tomaten sehr wichtigen Transkriptionsfaktors (RIN) untersuchten. Ein Transkriptionsfaktor kann nur dann erfolgreich an die DNA binden und das Ablesen eines Genes anstoßen, wenn der betreffende DNA-Abschnitt demethyliert ist. Die Andockstellen von RIN fanden die Wissenschaftler sehr häufig in den demethylierten Promotorregionen von vielen Genen, die am Reifen von Tomaten beteiligt sind. Insgesamt machen die Wissenschaftler drei Komponenten für das Reifen von Tomaten verantwortlich: Das Pflanzenhormon Ethylen, frucht-spezifische Transkriptionsfaktoren und epigenetische Prozesse.

Während der pflanzlichen Entwicklung scheint das Epigenom also nicht statisch zu sein. Es ist offenbar maßgeblich an komplexen Veränderungen, wie z.B. am Reifeprozess von Tomaten beteiligt. Diese Erkenntnis könnte auch den Pflanzenzüchtern zugute kommen: Bei der Optimierung von Nutzpflanzen können Züchter nicht nur die reine DNA-Sequenz bzw. DNA-basierte Marker heranziehen, sondern auch das Epigenom.


Quelle:
Zhong, S. et al. (2013): Single-base resolution methylomes of tomato fruit development reveal epigenome modifications associated with ripening. In: Nature Biotechnology 31, 154–159, (27. Januar 2013), doi:10.1038/nbt.2462.

 

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Titelbild: Zum Anbeißen: roten Tomaten. (Quelle: © Goldlocki / Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0)