Erste Raketenstufe erfolgreich gezündet
Quo vadis exzellente Pflanzenforschung?
In den letzten 15 Jahren hat Deutschland viel Geld in die Pflanzenforschung investiert. Das hat die Industrie gestärkt, die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und vielen jungen Leuten eine exzellente Ausbildung verschafft. Aber reicht es aus, um noch in diesem Jahrhundert unabhängig von fossilen Rohstoffen zu werden?
Deutschland hat ein Manko. Es ist kein Rohstoffland. Die Ölvorkommen der Welt lagern in Saudi-Arabien, die Seltenen Erden in China und das Erdgas in Nordamerika und Russland. Dass Deutschland trotzdem seine starke Stellung in der Weltwirtschaft behaupten kann, liegt unter anderem an seinen Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E). Deutschlands Rohstoff ist sein Wissen.
Doch auch damit sah es um die Jahrtausendwende wahrlich nicht gut aus. Universitäten waren unterfinanziert und viele junge Leute wanderten ins Ausland ab, wo die Forschungsbedingungen besser waren. Die Bundesregierung erkannte diesen Missstand und ging in die Offensive. „Bildung, Wissenschaft und Forschung müssen ein Anliegen der gesamten Gesellschaft werden“, stand damals in dem Strategiepapier zur Innovation der Bildungspolitik, das 2004 verabschiedet wurde.
Den Worten folgten Taten. Nur ein Jahr später startete die Exzellenzinitiative, die Spitzenforschung an deutschen Universitäten fördert. Neben Zukunftskonzepten und Graduiertenschulen wurden seitdem auch Forschungsfragen zu einem speziellen Thema, sogenannte Exzellenzcluster, finanziell unterstützt. Pro Jahr fließen durchschnittlich rund 540 Millionen Euro, was etwa dem Etat einer großen deutschen Universität entspricht.
Damit die außeruniversitären Einrichtungen nicht leer ausgehen, entstand außerdem der Pakt für Forschung und Innovation. Er unterstützt die Fraunhofer-Gesellschaft, Helmholtz-Gemeinschaft, Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz-Gemeinschaft, die seitdem kontinuierlich mehr Geld erhalten (zunächst drei, inzwischen fünf Prozent jährlich). Damit wuchs nicht nur das Konto, sondern auch die Planungssicherheit der Institute.
Europa - eine Wissensgesellschaft
Auch die Europäische Kommission hatte zu diesem Zeitpunkt bereits das Ziel ins Auge gefasst, Europa in eine Wissensgesellschaft zu verwandeln. Wissen ist der Grundstein für Innovationen und damit für die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Mindestens 3 Prozent des Brutto-Inlands-Produkts (BIP), so die Forderung der Kommission, sollten die europäischen Länder für die Forschungsförderung ausgeben. Dieses Ziel hat Deutschland mit 2,88 Prozent im Jahr 2012 fast erreicht. Die skandinavischen Länder Dänemark, Finnland und Schweden investieren sogar noch mehr, doch alle anderen Staaten bleiben hinter diesem Ziel zurück.
In Deutschland stammen etwa zwei Drittel des Geldes aus der Wirtschaft, ein Drittel sind öffentliche Gelder. Dieses Geld aus dem Bundeshaushalt ist unabdingbar, um Forschung in den Bereichen abzudecken, die für die Wirtschaft nicht so interessant sind, weil unmittelbare monetäre Erfolge noch nicht absehbar sind. Das lässt sich besonders eindrücklich auch in der Pflanzenforschung beobachten. Eine Genomsequenzierung von Nutzpflanzen zum Beispiel ist teuer und aufwendig, der Nutzen ergibt sich erst viele Jahre später, wenn die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Anwendung überführt werden. Und wenn überhaupt, so könnten nur große Unternehmen so eine Aufgabe schultern. Mittelständische Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft sind, mitnichten.
Vorzeigeprojekt GABI bringt international Anerkennung
Bereits im Jahr 1998 brachte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Programm „Genomanalyse im biologischen System Pflanze“ (GABI) auf den Weg. In dessen Rahmen wurden mit insgesamt 160 Millionen Euro – der Großteil davon vom Bund – ganze 126 Projekte im Bereich Pflanzenforschung gefördert. Hat es sich gelohnt, so viel Geld in die Hand zu nehmen?
„Ich denke, dass das GABI-Programm international ein großer Erfolg gewesen ist“, sagt Dr. Nils Stein vom IPK Gatersleben. Seine Meinung spiegelt sich auch im Evaluationsbericht wider. Deutschland habe seine internationale Sichtbarkeit gesteigert, die beteiligte Industrie gestärkt und exzellenten wissenschaftlichen Nachwuchs ausgebildet. Ohne GABI, so die einhellige Meinung der befragten Experten, wäre Deutschland international nicht so gut aufgestellt. Es sei „eine neue Art der Zusammenarbeit entstanden“, eine bessere Vernetzung, ja eine richtige Gemeinschaft der Pflanzenforscher.
Folgerichtig war nach GABI nicht Schluss. Das Nachfolgeprogramm Plant2030 setzt ebenfalls auf Kooperation und Vernetzung unter den Forschern und umfasst zwei Initiativen: Auf nationaler Ebene handelt es sich um „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“, internationale Kooperationen dagegen werden im Rahmen von „PLANT-KBBE“ gefördert.
Die Projekte sind in der Regel „Public-Private-Partnerships“ (PPP). Öffentliche Forschungsinstitutionen arbeiten mit privaten Partnern aus der Pflanzenzüchtung zusammen. Dadurch soll der Technologietransfer zwischen Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsunternehmen gefördert werden, ebenso wie die Community, die Gemeinschaft der Forscher.
Was notwendig wäre, ist eine langfristige Vision
Dieses Jahr läuft das Förderprogramm Plant2030 aus. Offiziell ist bereits im März Schluss, einige Projekte wurden noch kostenneutral bis Ende des Jahres verlängert. „Es gibt im Prinzip momentan kein sichtlich erkennbares Konzept, wie man denn eigentlich weiter verfahren möchte mit der Pflanzenforschung und wie man sich langfristig positioniert“, sagt Professor Andreas Weber von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. „Man hat so ein bisschen den Eindruck, dass auf Sicht gefahren wird.“ Weber leitet das Einzige von 44 Projekten der Exzellenzinitiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), das sich mit Pflanzenforschung beschäftigt. „Ein Leuchtturmprojekt allein reicht aber nicht aus, damit Deutschland auch im Jahre 2050 im Bereich Pflanzenforschung noch wettbewerbsfähig ist“, meint er.
Dabei verfolgt die Bundesregierung gerade das ehrgeizige Ziel, die zurzeit noch erdölbasierte Wirtschaft auf "Bio" umzustellen. Pflanzen sollen dann Rohstofflieferanten für alle Bereiche sein, gleichzeitig ausreichend Nahrungsmittel produzieren sowie für Brennstoffe, chemische Bausteine oder als Textil- oder Baumaterial zur Verfügung stehen. Dafür braucht es bessere, ertragreichere, robustere Pflanzen. Die fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen in der Forschung. „Die zwei wesentlichen Faktoren, die unsere Ökonomie treiben, sind günstige Energiepreise und günstige Nahrungsmittelpreise. Doch das ist gerade eben nicht auf dem Radar“, sagt Weber.
Im Hinblick auf die Bioökonomiestrategie, aber auch für die Ernährungssicherung, ist es eigentlich geboten, dass Pflanzenforschung weiterhin im Fokus der Forschungsaktivitäten in Deutschland steht. „Bei der wissenschaftlichen Community ist ein gewisser Grad von Unverständnis entstanden. Die Politik müsste jetzt die Weichen stellen. Wenn das gelingt, kann das Niveau gehalten und ausgebaut werden. Die Forscher hoffen auf die gestaltende Kraft der Politik. Es wächst aber auch die Befürchtung, dass die Strukturen einfach so im Sande verlaufen könnten“, meint Stein.
Die Evaluation der Exzellenzinitiative steht noch aus
Die Pflanzenforschung ist jedoch kein Einzelfall. Über Forschungszweige und Campusgrenzen hinweg herrscht Unklarheit, was genau aus der exzellenten Wissenschaft in Deutschland werden wird. Denn der Pakt für Forschung und Innovation läuft Ende 2020 aus, die Exzellenzinitiative wird noch bis 2017 gefördert.
Was dann passiert, ist bisher ungewiss. Ein leichtes Aufatmen gab es Ende vergangenen Jahres, als die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz verkündete, dass sie die Exzellenzinitiative fortführen wolle. Doch in welchem Umfang und Rahmen, soll erst nach der Veröffentlichung des Evaluationsberichts 2016 verkündet werden. Der Vorsitzende der Evaluationskommission, der Schweizer Umweltphysiker Dieter Imboden, bezeichnete die Förderinitiative als "Leuchtturm in der Wissenschaftsgeschichte der letzten zehn Jahre". Das lässt hoffen, dass Spitzenforschung auch in Zukunft in Deutschland einen starken Stand haben wird.
In Krisenzeiten gab Deutschland dem restlichen Europa das wichtige Signal, dass es sich trotz aller Sparanstrengungen lohnt, langfristig in Forschung, Entwicklung und Bildung zu investieren. Es ist zwar noch zu früh, um nach den Früchten dieser Investitionen zu fragen. Doch schon jetzt sollte nicht nur an eine Fortführung, sondern auch an eine Neuausrichtung und Weiterentwicklung der Förderprogramme gedacht werden.
Auch ein anderer Aspekt ist beachtenswert. Internationale Kooperationen steigern nicht nur das eigene Renomee. Sie helfen auch anderen Ländern, nach vorn zu blicken und jungen Wissenschaftlern, Krise hin oder her, eine Perspektive im eigenen Land zu geben. Die Aufgaben, die es im 21. Jahrhundert zu lösen gilt, sind immens. Es wird viele Innovationen brauchen, damit die wachsende Weltbevölkerung satt und gesund zusammenleben kann. Vor jeder Innovation steht langfristige Forschung.
Quelle:
Weigmann, K. (2015): Lessons learnt in Germany. In: EMBO reports (Online veröffentlicht am 12. Januar 2015). doi: 10.15252/embr.201440011.
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Titelbild:Die Rohstoffbasis der Zukunft? Die Pflanzenforschung ebnet den Weg hin zu einer biobasierten Wirtschaft. (Bildquelle: © travelguide - Fotolia.com)