Exotische Bioinformatik
Genomanalysen der Ananas enthüllen unterschiedliche Domestikationswege
Ob im Cocktail oder auf Hawaii-Toast: Ananas ist eine der beliebtesten tropischen Früchte. Und so lecker wie die unterschiedlichen Sorten schmecken, so interessant ist ihre Entstehungsgeschichte. Ein internationales Forscherteam hat nun einen Algorithmus entwickelt, mit dem das Genom verschiedenen Sorten einfacher analysiert werden konnte. Die Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, wie die unterschiedlichen Domestizierungswege die weitere Evolution der Pflanze beeinflusst haben. Sie geben Hinweise darauf, welche Gene für die Ausprägung wichtiger Eigenschaften in Kultursorten verantwortlich sind.
Vegetative Vermehrung bei Ananaspflanzen
Im Gegensatz zu den meisten Getreide- und Gemüsesorten werden viele Obstsorten nicht aus Samen gezogen, sondern durch Stecklinge, Schösslinge oder Veredelung vermehrt. Auch bei Ananaspflanzen setzt man meist auf die „klonale“ Vermehrung durch Schösslinge. Die Ananas gehört zur Familie der Bromeliengewächse und ist generell gut zur Hybridisierung geeignet. Die Vielfalt an Sorten lässt sich also dadurch erklären, dass sich unterschiedliche Arten leicht miteinander kreuzen und sich so die gewünschten Eigenschaften durch eine natürliche Mutation ergeben oder mithilfe von moderner Züchtung erlangt werden können.
Domestikation auf zwei unterschiedlichen Wegen
Die Forscher untersuchten in ihren Studien die Genome unterschiedlicher Sorten, um deren Domestikation genauer nachvollziehen zu können. Dabei entdeckten sie zwei sehr unterschiedliche Mechanismen, die für die Entstehung unserer modernen Sorten verantwortlich sind: Zum einen die klonale Vermehrung seit ca. 3500 Jahren, vornehmlich durch indigene Völker Südamerikas. Zum anderen die Kreuzungszüchtung innerhalb der letzten 500 Jahre, vor allem im 20. Jahrhundert.
Bioinformatik macht neue Erkenntnisse möglich
Die Analysen wurden erst durch den Einsatz einer neuen bioinformatischen Methode möglich: Ein Algorithmus namens „Pseudohaploid“, der lange heterozygote Abschnitte an den Chromosomen-Enden filtert und so homozygote Gensequenzen leichter erkennbar macht. Besonders die Ananassorte „Singapore Spanish“ zeigte bei den Genomanalysen ausgedehnte homozygote Abschnitte.
Professor Ray Ming der Universität Illinois erklärt, dass diese Sequenzen Hinweis auf eine klonale Vermehrung über mehrere Jahrhunderte sind – denn schon eine einzige sexuelle Rekombination z. B. durch Hybridisierung hätte deutliche Veränderungen in diesen Abschnitten hervorgerufen. Die Forscher bestätigten so ihre Hypothese, dass eine Domestikation sogar in einem einzigen Schritt – nämlich durch Auswahl einer geeigneten Pflanze zur anschließenden klonalen Vermehrung – vonstattengegangen sein könnte. In anderen Fällen gebe es wohl eine Koexistenz von punktueller sexueller Reproduktion und einer „ein-Schritt“-Domestikation.
Genom der Roten Ananas besonders aufschlussreich
Vor allem die durch die Studie entstandene Genkarte der Roten Ananas Ananas comosus var. bracteatus ist für die Forscher von besonderer Bedeutung. Die seltene Zierpflanze wurde nachweislich von indigenen Völkern Südamerikas kultiviert und kann nun mit modernen Ananassorten wie Ananas comosus comosus auf Genomebene verglichen werden.
Beim Vergleich der verschiedenen Ananassorten hat die Studie einige Gene identifiziert, die die jeweiligen Charakteristika der einzelnen Varietäten ausmachen. Die besondere Süße einzelner Sorten ist beispielsweise auf ein Gen für einen Zuckertransporter zurückzuführen. Auch spezifische Merkmale wie Faserung und Fruchtfärbung konnten so auf genetischer Ebene lokalisiert werden.
Ein ähnliches Vorgehen schwebt Ming für die Lokalisierung bestimmter Genorte sowie Historie weiterer Kulturpflanzen wie Kartoffeln, Zuckerrohr und Bananen vor. Eine solche Entschlüsselung gäbe neue Einblicke in die Domestikation der unterschiedlichen Sorten und könnte auch für die weitere Züchtung von Bedeutung sein.
Quellen:
- Chen, L.-Y. et al. (2019): The bracteatus pineapple genome and domestication of clonally propagated crops. In: Nature Genetics, volume 51, p. 1549–1558, (online 30. September 2019), doi: 10.1038/s41588-019-0506-8.
- Ming, R. et al. (2015): The pineapple genome and the evolution of CAM photosynthesis. In: Nature Genetics, volume 47, p. 1435–1442 (02. November 2015), doi: 10.1038/ng.3435.
- Lutz, C. / Carl R. Woese Institute for Genomic Biology (IGB) (2019): Pineapple genome sequences hint at plant domestication in single step, (30. September 2019), (abgerufen am: 24.10.2019).
Zum Weiterlesen:
- Domestikation von Pflanzen: Ein Prozess seit Jahrtausenden
- Grundkenntnisse der Pflanzenzüchtung im Überblick
- In Rekordzeit zur Genkarte
- Vermehrung ohne Sex
Titelbild: Die Ananas ist eine der beliebtesten tropischen Früchte. (Bildquelle: Manfred Richter/Pixabay/CC0)