Getreidegenome lesbar machen

Beim Projekt TRITEX ist das Erbgut von Gerste und Weizen ein offenes Buch

16.07.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Man verwendet Weichweizen um Brot und andere Backwaren herzustellen. Daher wird er auch Brotweizen genannt. (Bildquelle: © Viktorija/Fotolia.com)

Man verwendet Weichweizen um Brot und andere Backwaren herzustellen. Daher wird er auch Brotweizen genannt. (Bildquelle: © Viktorija/Fotolia.com)

Ob als Brot, Brei oder Pasta. Getreide aus der Familie Triticeae ist ein unentbehrlicher Bestandteil unseres Speiseplans. Das PLANT 2030-Konsortium TRITEX lieferte in diesem Jahr neue Genomdaten aus der Gerste und die erste physikalische Karte eines Weichweizenchromosoms.

Zur Gruppe der Triticeae gehören wichtige Nahrungspflanzen wie Weizen, Gerste und Roggen. Allein der Weichweizen (Triticum aestivum), der wegen seiner guten Backeigenschaften auch als Brotweizen bekannt ist, liefert etwa 20 Prozent der weltweit von Menschen verzehrten Kalorien.

Gerade beim Weizen ist die globale Versorgungslage jedoch angespannt. Laut des internationalen Getreiderates (IGC) liegen die Ernten unter dem des weltweiten Bedarfs, und der Ertragsfortschritt fiel in den letzten Jahren geringer aus, als bei anderen Kulturpflanzen. Zahlreiche Prognosen warnen, zudem dass der Klimawandel die globale Weizenversorgung weiter erschweren wird. In Europa ist das größte Problem die Widerstandsfähigkeit gegenüber Krankheiten.Die Züchtung steht deshalb vor der Herausforderung, die Pflanzen besser an den Klimawandel anzupassen und resistenter gegen Krankheiten zu machen.

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Gruppenbild mit Wissenschaftler des Projektes TRITEX (und des Vorläuferprojektes GABI-Future BARLEX) und des International Barley Sequencing Consortiums (IBSC).

Gruppenbild mit Wissenschaftler des Projektes TRITEX (und des Vorläuferprojektes GABI-Future BARLEX) und des International Barley Sequencing Consortiums (IBSC).

Bildquelle: © TRITEX

Ohne entschlüsseltes Erbgut, keine moderne Pflanzenzucht

Die Genome der Triticeae-Kulturgräser zu erkunden und zu verstehen gilt dabei als wichtiger Schritt. „Im Mitteleuropäischen Raum wurden in den vergangenen 10-20 Jahren beim Weizen nur geringe Ertragsfortschritte erzielt“, sagt Nils Stein, der die Arbeitsgruppe Genomdiversität am IPK Gatersleben leitet und das Forschungsprojekt TRITEX zur Entschlüsselung der Triticeae-Genome koordiniert. Hauptziel des TRITEX-Konsortiums ist es, den derzeitigen Entwurf der Gerste-Genomsequenz durch eine präzisere physikalische Genkarte zu verbessern. Im Rahmen des Internationalen Weizengenom-Sequenzierungskonsortiums (IWGSC) leistet TRITEX zudem einen Beitrag zu einer detaillierteren physikalischen Genkarte des Brotweizengenoms. Durch eine genaue Annotation, also der präzisen Zuordnung von Start- und Endpunkten von Genen, soll außerdem die derzeitige Auflösung des Brotweizengenoms zur Bestimmung von Genfunktionen optimiert werden.

Mit Hilfe von Genkarten und detaillierter Genomsequenz, lassen sich auch molekulare Marker, d. h. charakteristische Sequenzen im Erbgut identifizieren, die an wichtige genetische Eigenschaften der Kulturgräser gekoppelt sind. „Bei der Züchtung können damit gezielt Eigenschaften eingekreuzt oder unerwünschte Nebeneffekte entfernt werden. Sogar Abwandlungen einzelner Basenpaare, sogenannte Einzelnukleotid Polymorphismen (SNPs) im Genom, können als Genmarker genutzt werden. Damit ist es grundsätzlich möglich, die Züchtung verbesserter Sorten deutlich zu beschleunigen“, erläutert Nils Stein.

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Im PLANT 2030-Projekt TRITEX werden Triticeae-Genome per Hochdurchsatz-Sequenzierung erforscht. Mehr zum Projekt ...

Im PLANT 2030-Projekt TRITEX werden Triticeae-Genome per Hochdurchsatz-Sequenzierung erforscht.
Mehr zum Projekt ...

Lehrmeister Gerste

Doch bevor sich die Wissenschaftler an das komplexe Riesengenom des Weizens heranwagen konnten, musste ein Referenzgenom entschlüsselt werden. Die Wahl fiel auf die kleinere Schwester der Triticeae-Familie, die Gerste (Hordeum vulgare). Auch wenn der Weizen gewissermaßen der Star der Familie ist, leistet die Gerste weltweit einen entscheidenden Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung. In Deutschland besitzt Gerste als Futterpflanze und natürlich als Rohstoff der Bierbrauer ökonomische Bedeutung.

Für den technischen Ansatz von TRITEX hat die Gerste einen maßgeblichen Vorteil: Anders als in Weizen hat Gerste ihr diploides Genom nicht zu einem hexaploiden Chromosomensatz verdreifacht. Ihr Genom umfasst deshalb nur ein Drittel der Größe des Weizengenoms und enthält weniger redundante Erbgutsequenzen, die beim Weizen die Zuordnung der Gene in die Teilgenome erschweren. „Aufbauend auf den Daten des Vorläuferprojektes GABI-Future BARLEX, konnten wir in TRITEX die erste physikalische Genkarte des Gerstengenoms fertigstellen, die 2012 in Nature veröffentlicht wurde. Die Genomstruktur der Gerste diente uns dann als Vorbild und als Modell zur Entwicklung der technologischen Ansätze für die Weizen-Analyse“, freut sich Nils Stein über den Erfolg des Projektes.

Erfolge im Weizen

Zum Beispiel wurde die Tatsache genutzt, dass beide Getreidearten besonders große Chromosomen besitzen, die in ihrer Größe variieren. Mittels Durchflusszytometrie lassen diese sich nach ihrem DNA-Gehalt auftrennen. Die gewonnene DNA ist geeignet, um daraus chromosomenspezifische DNA-Bibliotheken herzustellen oder um diese direkt im Schnellverfahren durch Shotgun-Sequenzierung für eine Entwurfssequenz zu entschlüsseln.

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Gerstenmalz ist eine der wichtigsten Zutaten im Lieblingsgetränk der Deutschen: dem Bier.

Gerstenmalz ist eine der wichtigsten Zutaten im Lieblingsgetränk der Deutschen: dem Bier.

Bildquelle: © iStock.com/aaron007

Dieser Ansatz führte in diesem Jahr zur physikalischen Kartierung des Weizenchromosoms 6A, dass im Rahmen von TRITEX veröffentlicht wurde. Auf 6A liegen wichtige Gene, die bei der Verteidigung gegen weltweit gefürchtete Pflanzenkrankheiten wie Mehltau, sowie der Resistenz gegen Schwarzrost eine wichtige Rolle spielen. Beide Pilzkrankheiten verursachen erhebliche Ernteausfälle. In dem Ergebnis sieht Nils Stein auch einen Bestätigung darin, wie gut sich die Genom-Daten der Gerste zur Identifikation wichtiger Weizengene eignen: „Ursprünglich ging man davon aus, dass Evolution sehr viel artenspezifischer in der Triticeae-Familie verläuft. Jetzt wissen wir, dass zum Beispiel auch Resistenzgene so konserviert sein können, dass sich die Erkenntnisse von der Gerste direkt auf den Weizen zu übertragen lassen- und umgekehrt.“

Als weiteren großen Erfolg wertet Nils Stein die Anwendung bioinformatischer Analysen, die erst durch die Zusammenarbeit der Mitglieder im TRITEX-Konsortium ermöglicht wurde: „Die riesigen Datenmengen in einen biologischen Kontext zu bringen, war die größte Herausforderung. Durch das Know-How des beteiligten Bioinformatikteams des Helmholtz Zentrums München, ist es zum Beispiel gelungen, neue Erkenntnisse zur genomweiten Diversität im Weizen und der Gerste zu gewinnen. Wir wissen jetzt auch, in welchem Umfang Gerste und Weizen Prozesse wie das alternative Spleißing nutzen, um aus einem Gen gleich mehrere unterschiedliche Proteinvarianten herzustellen.“

Die Karte steht: Jetzt wird sequenziert

Nach Erstellung der Genkarten geht es jetzt darum die Gene aller Weizen- und Gerstechromosomen Basenpaar für Basenpaar zu sequenzieren, um die Erkenntnisse in der Züchtung anwenden zu können. Für Gerste hat das TRITEX-Team bereits drei der sieben Chromosomen vollständig entschlüsselt. Die restlichen vier Chromosomen werden von Kollegen des International Barley Sequencing Consortium (IBSC) bearbeitet. „Die Sequenzierung ist keine große technische Herausforderung mehr, sondern eher eine Frage der Finanzierung“, betont Nils Stein. „Laut Schätzungen der Internationalen Weizeninitiative (IWGSC) werden alle international beteiligten Gruppen insgesamt noch etwa 13 Mio. Euro Fördermittel für die komplette Sequenzierung des Weizens benötigen. Das ist eine vergleichsweise geringe Summe, wenn man zum Beispiel die Kosten für die Sequenzierung des etwa 40-mal kleineren Reisgenoms bedenkt, die bei über 100 Mio. Euro lagen. Wir hoffen es werden sich bald Möglichkeiten auftun, um die vollständige Entschlüsselung des Weizengenoms umzusetzen und auch das Know-How zu halten, das wir in den vergangenen Jahren im Rahmen von TRITEX entwickelt haben.“


Zum Weiterlesen:

Titelbild: Man verwendet Weichweizen um Brot und andere Backwaren herzustellen. Daher wird er auch Brotweizen genannt. (Bildquelle: © Viktorija/Fotolia.com)

PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationale Förderinitiative „Pflanzenbiotechnologie für die Zukunft“ und die Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“, an denen sowohl Wissenschaftler aus dem akademischen Bereich als auch privatwirtschaftliche Unternehmen beteiligt sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030