Fleischfressende Pflanzen als Gewinner der Evolution

18.12.2009 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nepenthes sanguinea (Quelle: © iStockphoto.com/ dangdumrong)

Nepenthes sanguinea (Quelle: © iStockphoto.com/ dangdumrong)

Warum Pflanzen zu Fleischfressern werden, fasziniert Menschen seit langem. Nun haben Jim Karagatzides und Aaron Ellison vom Harvard Forest an der Harvard University Licht in die Evolutionsgeschichte der karnivoren Pflanzen gebracht.

Ein wesentlicher Grund liegt darin, dass in manchen Umgebungen die Nährstoffe zum Wachsen extrem rar sind. Insekten oder Würmer helfen dabei den Pflanzen, ihre Energieversorgung so aufrecht zu halten. Die Forscher haben zudem die evolutionären Kosten für die der zweiten Ernährungsart hochgerechnet und sind zum Schluss gekommen, dass sich die Fleischfresser zwar langsamer entwickelt haben, aber auf lange Sicht die bessere Überlebensstrategie haben.

Die Frage war, warum in der Evolution nicht mehr Pflanzen zu Fleischfressern geworden sind, wenn diese Entwicklung so viel versprechend ist, schreiben die Forscher in der jüngsten Ausgabe des "American Journal of Botany". Dazu haben die Botaniker insgesamt 15 karnivore Gewächsen untersucht und Kosten und Vorteile von Fallen, Blättern, Wurzeln und Blüten berechnet. Gemessen wurde der Aufwand von Kohlenstoff, den die Pflanzen gebraucht haben, um diese Strukturen zu entwickeln und den Zeitaufwand, um den Kohlenstoffverlust für die Konstruktion wettzumachen. Dadurch konnten die Forscher bestimmen, wie groß der Vorteil einer Insektenfalle tatsächlich ist. 

"Interessanterweise war der Aufwand zur Bildung einer solchen Falle deutlich niedriger als die Kosten zur normalen Blattproduktion", so Ellison. "Evolutionsmodelle von fleischfressenden Pflanzen haben immer darauf hingedeutet, dass die Fallen aufwändige Konstruktionen sind. Da zu deren Bildung reichlich Kohlenstoff und andere Nährstoffe nötig sind, ist nur in dem Fall, wenn diese Kosten nicht in irgendeiner Weise wieder gewonnen werden, eine Ausbildung zum Fleischfresser adaptiv - oder evolutionär favorisiert."

Da fleischfressende Pflanzen sehr niedrige Photosyntheseraten haben, braucht es sehr lange für die Pflanzen die hohe Rechnung dafür zu "bezahlen". 

Wie Kohlenstoff und mineralische Nährstoffe in den einzelnen Pflanzenorganen bei verschiedenen Spezies und Lebensräumen zur Verfügung stehen, ist eines der Forschungsziele der Pflanzenökologie. Die fleischfressenden Pflanzen sind Modellorganismen, um diesen Kohlenstoff- und Mineralkreisläufe zu verstehen, da zwar Licht und Wasser nicht knapp, andere Nährstoffe hingegen kaum vorhanden sind. Daher ist es relativ leicht, experimentell die Effekte der begrenzten Nährstoffe von den Auswirkungen der Beschränkung von Wasser und Licht abzusondern. Die beiden Forscher haben daher wesentlich zum Verständnis beigetragen, wie komplette Nahrungskreisläufe funktionieren. 

Erst vor wenigen Wochen haben Botaniker im philippinischen Hochland eine Kannenpflanze entdeckt, die sogar Nagetiere verschlingen können. Die bis zu 150 Zentimeter große Pflanze wurde nach dem populären Naturforscher Sir David Attenborough "Nepenthes attenboroughii" benannt. Ihre Fangkrüge sind bis zu dreißig Zentimeter lang und können fast zwei Liter fassen. Die Nagetiere ertrinken in der extrem sauren Flüssigkeit, die in den Kannen enthalten ist, und werden anschließend vollständig zersetzt.


Quelle:

Karagatzides, J.D./Ellison, A.M. (2009): Construction costs, payback times, and the leaf economics of carnivorous plants. In: Am. J. Bot., vol. 96 no. 9 1612-1619, (September 2009), doi: 10.3732/ajb.0900054.