Fossile Kiefern als Klimazeugen
In der Römerzeit und im Mittelalter war es wärmer als gedacht. Dies ergab eine Klimarekonstruktion der vergangenen 2.000 Jahre anhand der Jahresringe skandinavischer Bäume. Die Ergebnisse zeigen, dass bisherige Klimamodelle die natürliche Klimavariabilität unterschätzen.
Bäume sind wichtige Klimazeugen der letzten 1.000 bis 2.000 Jahre. Ihre Jahresringe – die sichtbare ringförmige Maserung des Stamms – zeigen nicht nur das Wachstum des Baumes an, sie geben auch Aufschluss über die klimatischen Bedingungen am Standort. In Seen konserviert, lassen fossile Holzreste heute noch erahnen, wie das Klima vor vielen Jahrhunderten war. In Finnland fielen viele Bäume in die zahlreich vorhandenen Seen. Dort blieben sie über Jahrtausende gut erhalten, was sich Wissenschaftler für aktuelle Forschungsfragen wie den Klimawandel zunutze machen können.
Zeitreihe bis ins Jahr 138 v. Chr.
Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung Mainzer und Bielefelder Wissenschaftler hat mit Hilfe von hochauflösenden Holzdichtemessungen an insgesamt 587 fossilen und lebenden Kiefern (Pinus sylvestris) 2.000 Jahre Klimageschichte rekonstruiert. Die lebenden Bäume wuchsen an Seeufern, die fossilen Proben stammen aus verschiedenen Seen im finnischen Lappland bzw. aus Nordschweden.
Die Holzdichte der Jahresringe erwies sich als ein guter Indikator für die Sommertemperaturen in der Region nahe der nordischen Waldgrenze – dies zeigte ein Vergleich der Messdaten mit Klimadaten aus dem globalen Klimageschichte Netzwerk. Vorherige Studien nutzten meist die Weite der Jahresringe als Indikator für die Temperaturen. Die neue Methode ist, den Wissenschaftlern zufolge, noch präziser. Sie ist in der Lage, selbst geringe langfristige Temperaturänderungen nachzuweisen.
Der Scann der Bäume deutete auf eine Abfolge warmer und kalter Perioden seit dem Jahr 138 v. Chr. hin. Deutliche Wärmehöhepunkte zeigte die Analyse für die Römerzeit und das Mittelalter. Bislang ging man von niedrigeren Temperaturen in diesen Perioden aus. Dazwischen gab es mehrere kühlere Phasen, vor allem um 400 n.Chr. und um 1400. Als wärmste 30-Jahresperiode konnten die Wissenschaftler die Jahre 21-50 n. Chr. ausmachen ( 1,05°C im Vergleich zu 1951-1980). Die kälteste Periode gab es zwischen 1451 und 1480 (-1,19°C). Im 20. Jahrhundert zählten die Jahre 1921 bis 1950 ( 0.52°C) zu den wärmsten. Im Vergleich mit anderen Regionen der nördlichen Hemisphäre war dieses Temperaturhoch in den untersuchten Regionen Finnlands und Schwedens jedoch noch gering.
Veränderte Sonneneinstrahlung führt zu Kältetrend
Erstmals haben die Wissenschaftler auch einen langfristigen Abkühlungstrend über die letzten Jahrtausende präzise berechnet. Demnach sanken die Sommertemperaturen zwischen 138 v. Chr. und 1900 um durchschnittlich 0,31°C, zwischen den Jahren 1000 und 2000 um 0,34°C. Die Forscher erklären diesen Trend in der nördlichen Hemisphäre mit der veränderten Sonneneinstrahlung aufgrund einer sich langsam ändernden Umlaufbahn der Erde um die Sonne.
Während die Baumdichtemessungen einen solchen Abkühlungstrend nahelegten, gab es in den Baumringdaten keine Anzeichen dafür. Die Forscher überprüften ihre Abkühlungsthese mit zwei allgemeinen Klimazirkulationsmodellen für die nördlichen und arktischen Regionen. Hierzu simulierten sie die modellierten Temperaturtrends in zwei Klimamodellen, mit bzw. ohne den Einfluss der Sonnenstrahlung einzubeziehen. Auch diese Modelle bestätigten den Einfluss der Sonneneinstrahlung auf das Klima.
Beide Modelle zeigten zudem eine stärkere Abkühlung auf dem Kontinent als auf dem Meer. Auch waren die nördlichen Regionen stärker betroffen als südlichere Gebiete, da in Richtung Äquator die Sonneneinstrahlung und damit die Temperaturen zunehmen. Der durchschnittliche Kältetrend war sogar größer, wenn die Daten der arktischen Gebiete nicht in die Berechnungen eingingen.
Die Forscher konnten zeigen, dass kürzere klimatische Episoden wie die Warmzeit im Mittelalter oder die darauffolgende kleine Eiszeit durch die Sonneneinstrahlung und auch zum Teil durch Vulkanaktivitäten beeinflusst werden. Das Ausmaß der Wärme in dieser Zeit variierte dabei stark je nach Region.
Vulkanausbrüche, Effekte der Landnutzung und Veränderungen der Treibhauskonzentrationen in der Atmosphäre scheinen jedoch im Vergleich zur Sonneneinstrahlung einen geringeren, eher kurzfristigen Effekt auf die Klimaabkühlung zu haben. Sie lassen sich in den Rekonstruktionen der sehr langfristigen Temperaturtrends kaum abbilden.
Holzdichte der Jahresringe als Klimagedächtnis
Die Studie zeigt, dass Holzdichtemessungen sehr gut geeignet sind, um langfristige Temperaturtrends, die in den Baumringen konserviert wurden, noch Jahrtausende später zu entschlüsseln. Im Vergleich zu Jahresringweiten bieten sie robustere und präzisere Ergebnisse, die weniger Verzerrungen unterliegen. Denn sie können selbst sehr geringe, langfristige Veränderungen erfassen.
Bisherige Klimarekonstruktionen berücksichtigten fast nur kurzfristige Effekte. Sie sind kaum in der Lage, die sehr langfristigen Auswirkungen des Sonnenstands nachzuweisen. Um solche Effekte realistisch vorherzusagen, braucht es daher weitere Langzeit-Zeitreihenstudien. Diese sollten nicht nur die Daten zu Jahresringen nutzen, wie bisher häufig praktiziert. Vielmehr sollten sie eine Vielzahl von Daten berücksichtigen, wie zum Beispiel Holzdichtemessungen, Niederschlagstrends und auch Wintertemperaturen.
Klimavariabilität wird unterschätzt - Klimamodelle anpassen
Die Studie ist von klimapolitischer Bedeutung. Denn sie beeinflusst die Beurteilung des aktuellen Klimawandels im Vergleich zu historischen Warmphasen. Nach den Berechnungen der Forscher kommt es durch die langsame Veränderung des Sonnenstandes zu einer Abkühlung von -0,3°C pro Jahrtausend. Im Vergleich dazu beträgt die globale Erwärmung bis heute weniger als 1°C.
Bisherige Klimarekonstruktionen unterschätzten diesen Einfluss der natürlichen Klimavariabilität. Nach den Messungen der Wissenschaftler ist der Kühlungs-Effekt – über die letzten 2000 gerechnet - etwa viermal so groß wie die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels seit 1750. Dabei gibt es jedoch erhebliche Schwankungen je nach Zeitraum, Region und Jahreszeit.
Großräumige Klimamodelle, die z.B. auch der internationale Klimarat IPCC verwendet, scheinen diesen natürlichen Abkühlungseffekt bisher zu wenig berücksichtigt, so die Forscher.
Um das Ausmaß des Effekts der sich ändernden Sonnenstellung auf das Klima valide zu beurteilen, sind weitere sehr langfristige Klimarekonstruktionen mittels Holzdichtemessungen notwendig. Nur so können die Folgen der jüngsten Klimaerwärmung in einem langfristigen Kontext beurteilt und vorhandene Klimamodelle entsprechend angepasst werden.
Quelle:
Jan Esper et. al (2012): Orbital forcing of tree-ring data. Nature Climate Change, 8.7.2012, doi:10.1038/nclimate1589.
Zum Weiterlesen:
- Holzige Urahnen
- Erdgeschichte: Fauna und Flora korreliert mit veränderten Umweltbedingungen
- Frühmenschliche Effekte auf das Klima
- Tauende Permafrostböden setzen mehr Treibhausgase frei als gedacht
- Forscher berechnen Europas Treibhausgasbilanz
- Wissen: Paleoklimatologie
- Wissen: Klimaszenarien
- Baumgenomforschung – das Aschenputtel der Genomforschung?
- FU Berlin: Informationen zu natürlichen und anthropogenen (Menschen verursachten) "Ursachen von Klimaschwankungen"