Weniger CO2 als befürchtet

Pflanzenatmung kann sich besser an Erwärmung anpassen als gedacht

31.03.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten Forscher die Blattatmung von zehn unterschiedlichen Baumarten, die längere Zeit erhöhten Temperaturen ausgesetzt waren. (Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)

In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten Forscher die Blattatmung von zehn unterschiedlichen Baumarten, die längere Zeit erhöhten Temperaturen ausgesetzt waren. (Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)

Auch Pflanzen atmen und geben in geringen Mengen Kohlendioxid (CO2) ab. Durch steigende Temperaturen werden diese Prozesse in der Pflanze angekurbelt - was theoretisch zur Folge hätte, dass auch immer mehr CO2 abgegeben wird, was sich wiederum auf das Klima auswirkt. Forscher entdeckten nun in einer Langzeitstudie an Bäumen, dass der Effekt wohl doch nicht so schwer wiegt. Denn Pflanzen können ihre Atmung besser anpassen, wenn sie längere Zeit hohen Temperaturen ausgesetzt sind.

Nicht nur Menschen und Tieren atmen, um zu Überleben. Auch Pflanzen atmen. Sie tun dies jedoch etwas anders als wir: Ihnen geht es um die Gewinnung von Energie und je nachdem ob Licht zur Verfügung steht oder nicht, laufen andere Prozesse ab. Tagsüber betreiben Pflanzen Photosynthese. Hier werden mithilfe von Lichtenergie, Kohlendioxid (CO2) und Wasser Kohlenhydrate und Sauerstoff produziert. Nachts kann die Pflanze ohne Licht keine Photosynthese betreiben. Um dennoch Energie zu erzeugen, setzt in ihren Zellen die Dunkelatmung ein. Bei ihr werden Kohlenhydrate und Sauerstoff verbraucht und vermehrt Kohlendioxid nach außen freigesetzt. Insgesamt geben Pflanzen aber im Laufe eines Tages mehr Sauerstoff als Kohlendioxid ab – die Bilanz ist also positiv.

Die Temperatur beeinflusst die Atmung

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Auch Pflanzen atmen und setzten dabei in geringen Mengen Kohlendioxid frei, z. B. über die Blätter. Diese Blattatmung untersuchten Forscher an mehreren Baumarten - darunter die abgebildete Amerikanische Zitterpappel (Populus tremuloides).

Auch Pflanzen atmen und setzten dabei in geringen Mengen Kohlendioxid frei, z. B. über die Blätter. Diese Blattatmung untersuchten Forscher an mehreren Baumarten - darunter die abgebildete Amerikanische Zitterpappel (Populus tremuloides).

Bildquelle: © Matt Lavin/wikimedia.org; CC BY-SA 2.0

Mehrere Faktoren beeinflussen diese Prozesse in der Pflanze. Darunter auch die Temperatur. Steigt sie, nimmt auch die Pflanzenatmung zu. So müsste durch den Klimawandel und die steigende Umgebungstemperatur, mehr CO2 durch die Atmung erzeugt werden, was wiederum die Erderwärmung weiter vorantreiben würde: Ein Teufelskreis entstünde. Doch was, wenn sich Pflanzen besser als bisher bekannt an die veränderten Gegebenheiten anpassen könnten? Genau dieser Frage sind Forscher nun am Beispiel von Bäumen nachgegangen.

Blattatmung an Bäumen untersucht

Bisher gab es bei der Untersuchung der Blattatmung ein Problem: Prognosen der Freisetzung von CO2 durch die Pflanzenatmung unter veränderten klimatischen Bedingungen – sprich: höheren Temperaturen – wurden bisher nur an jungen Pflanzen durchgeführt. Noch dazu wurden diese in der Regel nur für kurze Zeit unter kontrollierten Bedingungen in Wachstumskammern erforscht. Wie Pflanzen in der Natur mit sich schrittweise erhöhenden Temperaturen langfristig umgehen, konnte durch dieses experimentelle Design der Untersuchungen nicht erfasst werden. Für ihre aktuelle Studie führte ein Forscherteam eine Langzeitstudie über mehrere Jahre unter naturnahen Bedingungen mit Parzellen im Freien durch.

In ihrem fünfjährigen Projekt (2009 bis 2013) betrachten sie mehr als 1.200 junge Bäume von zehn nordamerikanischen Baumarten in zwei Wäldern im US-amerikanischen Bundesstaat Minnesota. Von den zehn verschiedenen Baumarten waren je fünf in borealen Wäldern heimisch und fünf typisch für Wälder der gemäßigten Zone, darunter vier Nadel- und sechs Laubbaumarten. Somit war ein weiterer Vorteil, dass die Forscher Baumarten in die Studie einbezogen, die auch im natürlichen Bestand der Umgebung vorkamen und an die Regionen angepasst waren.

In der Studie simulierten die Wissenschaftler über einen längeren Zeitraum veränderte Temperaturen: Die Hälfte der Parzellen wurde mit Erdkabeln und Infrarot-Wärmelampen erwärmt, sodass diese konstant 3,4 Grad Celsius wärmer als die Umgebungstemperatur waren. Bis auf diese Abweichung waren alle untersuchten Bäumchen den natürlichen Gegebenheiten wie Regen oder Wind ausgesetzt.

Fähigkeit sich anzupassen wurde unterschätzt

Die Forscher prüften stichprobenartig die Atmung der Bäume indem sie regelmäßig kleine Proben von den Blättern der Bäume nahmen und die Blattatmung analysierten. Die künstlich erwärmten Bäume produzieren durch eine erhöhte Atmung durchschnittlich 5 Prozent mehr CO2 als eine Kontrollgruppe von Bäumen, deren Atmung unter der derzeitigen Umgebungstemperatur gemessen wurde.

Hätten sich die jungen Bäume nicht an die höheren Temperaturen „gewöhnt“, hätte sich der CO2-Ausstoß um durchschnittlich 23 Prozent erhöhen müssen, so die Forscher. Das bedeutet, Bäume können sich „akklimatisieren“. Zwar erhöhen sich die Kohlendioxid-Emissionen der Pflanzen, aber auf Grund der Anpassung geringer als erwartet. Sie gaben nur ein Fünftel der Menge an zusätzlichem Kohlendioxid ab, als andere Wissenschaftler für ihre bisherigen Klimamodellrechnungen angenommen haben.

Dies bestätigt Vermutungen, die deutsche Forscher vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena bereits 2010 hatten. Sie ermittelten, dass die Kohlendioxid-Emissionen bei einer Temperaturerhöhung von 10 Grad um 40 Prozent steigen – die Schätzungen gingen damals von einer mindestens verdoppelten Rate aus (Mahecha et al., 2010).

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Dennoch steigen die CO2-Emissionen rasant. Laut einer aktuellen Studie ist vor allem der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß besorgniserregend hoch.

Dennoch steigen die CO2-Emissionen rasant. Laut einer aktuellen Studie ist vor allem der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß besorgniserregend hoch.

Bildquelle: © Frank Gronendahl / pixelio.de

Realistischere Schätzungen zukünftiger Bedingungen

Die neuen Ergebnisse des naturnahen Langzeitexperiments sind wichtig für die Klimaforschung, da frühere Untersuchungen eine deutlich höhere Kohlenstofffreisetzung suggeriert hatten. „Jetzt, mit besseren Daten können wir die Klimamodelle realistischer machen“, sagt Peter Reich, Erstautor und Leiter des Projekts.

Beruhigend ist das Wissen um die geringere Atmung der Pflanzen trotz allem nicht. Zum einen hat auch das der Studie zugrunde liegende Experiment einige Schwachpunkte. Zwar wurden Bäume über einen vergleichsweise langen Zeitraum untersucht, verglichen mit der Lebenszeit eines Baums von 60, 80 oder 100 Jahren, blieb es jedoch bei einem Ausschnitt. So könnten es sein, dass junge Bäume auf Grund epigenetischer Effekte plastischer reagieren als ältere, die zu klimatisch anderen Zeiten gekeimt sind. Auch die über den Boden gesteuerte Temperaturveränderung könnte zu Artefakten führen. Weitere Studien über längere Zeiträume sind also nötig, um valide Aussagen treffen zu können. Zum anderen macht die untersuchte Blattatmung einen geringeren Anteil an dem in die Atmosphäre freigesetzten Kohlenstoff aus. Eine andere aktuelle Studie sendet gerade deutliche Alarmsignale aus.

CO2-Emissionen steigen rasant

Ein bedrohliches Szenario ergibt sich aus dem anthropogenen, also dem vom Menschen verursachten CO2-Ausstoß. Dieser liegt heute bei rund zehn Petagramm im Jahr. Ein Petagramm entspricht einer Milliarde Tonnen bzw. einer Gigatonne. Damit ist dieser zehnmal höher als jemals zuvor in den letzten 66 Millionen Jahren. Erinnern wir uns, dies war die Zeit in der noch Saurier die Erde bevölkerten. Vom Menschen sprechen Forscher plakativ seit etwa vier Millionen Jahren.

Nach dieser aktuellen Analyse der Vergangenheit fand vor rund 56 Millionen Jahren eine starke globale Temperaturerwärmung statt. Das Temperaturmaximum der Erde lag damals 5 Grad über den heutigen Mittelwerten. Sedimentproben beweisen jedoch, dass die jährlichen natürlichen Treibhausgasemissionen bei 0,6 bis 1,1 Petagramm lagen. Zu dem Temperaturmaximum kam es, da sich die CO2-Emissionen über einen langen Zeitraum von insgesamt 4000 Jahren akkumulierten. Bei den anthropogen bedingten CO2-Emissionen blicken wir hingegen nur auf einen Zeitraum seit dem Beginn der industriellen Revolution zurück. Diese begann um das Jahr 1780 also vor nicht einmal 250 Jahren. Also kein entspanntes zurücklegen durch die geringere Blattatmung, sondern ein akuter Handlungsbedarf Emissionen zu reduzieren.   


Quellen:

  • Reich, P.B. et al. (2016): Boreal and temperate trees show strong acclimation of respiration to warming. In: Nature, (16. März 2016), doi: 10.1038/nature17142.
  • Zeebe R.E., Ridgwell A. und Zachos J.C. (2016): Anthropogenic carbon release rate unprecedented during the past 66 million years. In: Nature Geoscience, (21. März 2016), doi: 10.1038/NGEO2681.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: In einer kürzlich veröffentlichten Studie untersuchten Forscher die Blattatmung von zehn unterschiedlichen Baumarten, die längere Zeit erhöhten Temperaturen ausgesetzt waren. (Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)