Neuer Größenrekord der Genom-Sequenzierung
Das Erbgut der Fichte ist entschlüsselt
Ein schwedisches Forscherteam generierte einen Sequenzentwurf des Genoms der Fichte (Picea abies) - im bislang umfangreichsten Genomprojekt zu Nadelholzgewächsen überhaupt. Die detaillierten Erbgutinformationen kommen Forschern und Praktikern zugute.
Koniferen, immergrüne Nadelholzgewächse, die Zapfen tragen und zu denen auch Fichte und Kiefer gehören, gelten als älteste Bäume der Welt, von denen es mehr als 600 Arten gibt. Sie überstanden Naturkatastrophen und Meteoriteneinschläge, sind älter als Dinosaurier und dominieren noch immer in vielen Regionen der Welt die Wälder. Koniferen haben eine hochkomplexe DNA-Struktur auf 12 Chromosomen. Sie sind nicht nur von großer ökologischer, sondern auch ökonomischer Bedeutung. Das Holz der Fichte ist ein wichtiges Nutzholz, das als Baumaterial traditionell im Bergbau zur Abstützung der Stollen eingesetzt wird. Die Fichte wird beispielsweise als Nahrungspflanze (Vanillin-Synthese) oder Medizinalpflanze und nicht zuletzt als Weihnachtsbaum genutzt.
Wissenschaftlern gelang es nun, einen ersten Entwurf des 200 Gigabasen (1 Gigabase = 109 Basen) großen Genoms der Norwegischen Fichte (Picea abies) zu generieren. Damit liegt nicht nur das größte bisher sequenzierte Genom vor, sondern auch das erste Nacktsamer-Genom überhaupt. Das Fichtengenom ist sieben Mal so groß wie das des Menschen.
Jede Menge nicht codierende DNA
Die Wissenschaftler haben im Genom der Fichte 28.354 Gene entdeckt – das sind nur geringfügig mehr Gene als beim Menschen und etwa genauso viele wie bei Arabidopsis thaliana (27.407), deren Genom allerdings etwa hundert mal kleiner ist als das der Fichte. Warum schleppt die Fichte so viel nicht codierende DNA mit sich herum?
Lange nicht entrümpelt
Eine Erklärung, die die Wissenschaftler liefern, ist die „Genom Fettsucht“. Sie kommt durch sogenannte repetitive, also sich wiederholende DNA-Abschnitte zustande, die sich während mehrerer hundert Millionen Jahre im Laufe der Evolution angesammelt haben. Andere Pflanzen und Tiere verfügen über Mechanismen, wie sie diese repetitive DNA größtenteils wieder loswerden. Ein extremes Beispiel beschrieben Wissenschaftler kürzlich beim Lotos. Bei Kiefern scheint dieser Mechanismus nicht sehr gut zu funktionieren. „Es ist erstaunlich, dass sich Kiefern trotz dieser Masse an unnötigem Erbgut so gut entwickelt haben“, so Prof. Pär Ingvarsson, der an der Genomsequenzierung beteiligt war. „Sicher hat ein Teil dieser DNA auch eine Funktion, aber derartige Mengen davon mit sich herumzuschleppen scheint eigentlich eher unvorteilhaft zu sein. Diesbezüglich scheinen Kiefern einen besonderen Stellenwert einzunehmen.“
Puzzlearbeit vom Feinsten
Die größte Herausforderung für die beteiligten Wissenschaftler bei der Genomsequenzierung der Fichte war es, die etwa 20 Milliarden DNA-Bausteine in die richtige Reihenfolge zu bringen. „Stellen Sie sich vor, Sie hätten eine Bibliothek mit 10.000 Büchern, die so dick wie die Bibel sind“, erklärt Prof. Stefan Jansson vom Umeå Plant Science Centre (UPSC) in Stockholm, Schweden. „Wenn jemand nun 100 identische Kopien von jedem der 10.000 Bücher nehmen würde und sie alle durch einen Dokumentenshredder jagen würde und dann Sie damit beauftragen würde, das alles wieder zu einer korrekten Kopie jedes Titels zusammenzusetzen, können Sie sich in etwa vorstellen, was wir getan haben.“ Für diese Puzzlearbeit mussten die Wissenschaftler Computerprogramme umschreiben, um die riesigen Datenmengen der DNA-Sequenzen überhaupt verarbeiten zu können.
Verbesserte Baumzucht
„Für die Baumzucht beginnt nun eine neue Ära“, so Prof. Ove Nilsson vom UPSC. Die Genomsequenzierung der Fichte ist nicht nur für Wissenschaftler interessant, sondern auch für die Forstwirtschaft in vielen Ländern der Erde. „Von nun an können wir modernere und effektivere Methoden einsetzen, um den über 200 Millionen Jungpflanzen, die jedes Jahr in Schweden ausgepflanzt werden, die Stärke, Gesundheit und Widerstandsfähigkeit zu verleihen, sowohl auf nährstoffarmen, als auch nährstoffreichen Böden über das Land verteilt wachsen zu können“, so Nilsson. Aber auch in der Grundlagenforschung erhalten Forschergruppen weltweit durch das Fichten-Genom einen neuen Zugang zu den molekularen Prozessen bei Nadelbäumen. Aber auch die vergleichende Genomforschung erhält durch dieses Nacktsamer-Genom neue Impulse und eine erweiterte Basis.
Geleitet wurde das Projekt von einem Konsortium schwedischer Forscher des Zentrums für Pflanzenforschung Umea (UPSC), des Königlich Technischen Instituts (KTH) und des Karolinska-Instituts unter Beteiligung kanadischer, italienischer und belgischer Forscher. Die schwedische Forschungsförderungsstiftung Knut und Alice Wallenberg finanziert die Studie mit 7,2 Mio. Euro.
Quelle:
Nystedt, B. et al. (2013): The Norway spruce genome sequence and conifer genome evolution. Nature, Published online 22 Mai 2013, doi:10.1038/nature12211.
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Titelbild: In ihrem riesigen Genom (20 Gb) verbirgt die Fichte nur 28.354 Gene. Der Rest sind nicht codierende Sequenzen, die der immergrüne Nadelbaum im Laufe der Evolution angehäuft hat. (Quelle: © iStockphoto.com/BaMiNi)