Gefährliche Süße

Zu viel Fruktose ist ungesund

15.09.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Isoglucose findet sich vermehrt in Softdrinks. Doch in der Zutatenliste wird es Glukose-Fruktose-Sirup bzw. Fruktose-Glukose-Sirup oder auch Maissirup genannt. (Bildquelle: © iStock.com / Kwangmoozaa)

Isoglucose findet sich vermehrt in Softdrinks. Doch in der Zutatenliste wird es Glukose-Fruktose-Sirup bzw. Fruktose-Glukose-Sirup oder auch Maissirup genannt. (Bildquelle: © iStock.com / Kwangmoozaa)

Der übermäßige Verzehr von Fruchtzucker kann den Verdauungstrakt verändern und so zu Fettleibigkeit und Darmkrebs führen – zumindest bei Mäusen. Das fand eine Studie heraus, deren Ergebnisse im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht wurden.

Fruktose oder Fruchtzucker ist in unserer Ernährung fast allgegenwärtig. Sie ist natürlicher Bestandteil von Obst, aber auch als Süßungsmittel in vielen verarbeiteten Lebensmitteln enthalten. So begegnet uns Fruktose auf der Zutatenliste als Isoglucose, eine Mischung aus Glukose und Fruchtzucker. Andere Bezeichnungen sind Glukose-Fruktose-Sirup oder Maissirup.

„Fruktose selbst ist nicht schädlich. Es ist ein Problem des Überkonsums. Unser Körper ist nicht darauf ausgelegt, so viel davon zu essen wie wir es tun“, sagt Studienleiter Marcus Goncalves. Das Verhängnisvolle ist, dass Fruktose leicht in Fett umgewandelt werden kann. Der weltweit steigende Fruktosekonsum wird daher mit Fettleibigkeit (Adipositas) und bestimmten Krebsarten in Verbindung gebracht. Nun konnte das Team um Goncalves einen weiteren Beleg bei Experimenten mit Mäusen finden.

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Bei Mäusen wurde eine überraschende Entdeckung gemacht: Durch hohen Fruktosekonsum wurden die Darmzotten länger. Das führte zu sichtbar negativen Auswirkungen.

Bei Mäusen wurde eine überraschende Entdeckung gemacht: Durch hohen Fruktosekonsum wurden die Darmzotten länger. Das führte zu sichtbar negativen Auswirkungen.

Bildquelle: © JacobST / Fotolia.com

Fruktose vergrößert Darmzotten

Vorangegangene Untersuchungen des Teams ergaben, dass Fruktose das Wachstum von Darmtumoren bei Mäusen fördern könnte (Goncalves et al., 2019). Dem gingen sie nun weiter nach. Die aktuelle Studie untersuchte die Wirkung einer fruktosereichen Ernährung auf die Darmzotten von Mäusen. Darmzotten sind fingerförmige Ausstülpungen, die das Innere des Dünndarms auskleiden. Sie erweitern die Oberfläche des Darms und helfen dem Körper, Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen.

Das Ergebnis: Mäuse, die mit hohen Mengen Maissirup gefüttert wurden, hatten um 25 bis 40 Prozent verlängerte Darmzotten. Das hatte spürbare Auswirkungen auf den Stoffwechsel: Die Tiere nahmen über die vergrößerten Zotten mehr Nährstoffe auf. Was zunächst gut klingen mag, wirkte sich aber negativ auf die Tiere aus: Sie brachten ein höheres Gewicht auf die Waage und es hatte sich mehr Fett in ihnen angesammelt. Dass tatsächlich die Fruktose der Übeltäter ist, bestätigten weitere Fütterungsexperimente. Bei einer fettreichen Ernährung entwickelten nur die Mäuse verlängerte Darmzotten und litten unter Übergewicht, wenn den Tieren zusätzlich Fruktose verfüttert wurde.

Der Schlüssel liegt im Stoffwechsel

Fruktose wird anders verstoffwechselt als andere Zucker wie Glukose. Der Fruktosestoffwechsel beginnt an der Schleimhaut des Dünndarms. Fruktose wird durch einen Glukosetransporter (GLUT5) in die Darmzellen transportiert und durch das Enzym Ketohexokinase in Fructose-1-Phosphat (F1P) umgewandelt.

Die Forschenden untersuchten die Stoffwechselveränderungen der fettleibigen Versuchstiere und stellten dabei fest, dass sich F1P in hohen Konzentrationen in den Darmzellen ansammelt. Das Team entdeckte, dass F1P ein Enzym namens Pyruvatkinase hemmt. Das sorgt dafür, dass die Darmzellen länger leben und die Darmzotten länger werden.

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Darmzotten sind fingerförmige Ausstülpungen an der Dünndarmschleimhaut. Sie erweitern die Oberfläche des Darms und helfen dem Körper, Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen.

Darmzotten sind fingerförmige Ausstülpungen an der Dünndarmschleimhaut. Sie erweitern die Oberfläche des Darms und helfen dem Körper, Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen.

Bildquelle: © Scientific Animations (www.scientificanimations.com) / CC BY-SA 4.0

Schaltete das Team aber das Enzym Ketohexokinase aus, oder steigerten sie gezielt die Aktivität der Pyruvatkinase, hatte Fruktose keinen Einfluss mehr auf die Darmzottenlänge oder das Tumorwachstum. „Unsere Forschung hat gezeigt, dass der primäre Metabolit von Fruktose die Verlängerung der Zotten fördert und das Wachstum von Darmtumoren unterstützt“, fasst Goncalves zusammen.

Für Tiere evolutionär sinnvoll

Laut Erstautor Samuel Taylor sind die Beobachtungen an Mäusen aus evolutionärer Sicht sinnvoll: „Bei Säugetieren, insbesondere bei Säugetieren im Winterschlaf, ist Fruktose in den Herbstmonaten, wenn Früchte reif sind, vermehrt verfügbar. Der Verzehr von viel Fruktose kann diesen Tieren helfen, mehr Nährstoffe aufzunehmen und in Fett umzuwandeln, das sie brauchen, um den Winter zu überstehen.“ Doch der moderne Mensch benötigt dies nicht mehr.

Ob sich die Ergebnisse auf den Menschen übertragen lassen, bleibt abzuwarten. Dennoch lassen die Erkenntnisse aufhorchen. Falls FP1 auch für uns ein schädliches Stoffwechselprodukt ist, könnte das verantwortliche Enzym – die Ketohexokinase – künstlich blockiert werden. „Es gibt bereits Medikamente in klinischen Versuchen für andere Zwecke, die auf das Enzym abzielen“, sagt Goncalves.


Quelle:
Taylor, S.R. et al. (2021): Dietary fructose improves intestinal cell survival and nutrient absorption. In: Nature, (18. August 2021), doi: 10.1038/s41586-021-03827-2.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Isoglucose findet sich vermehrt in Softdrinks. Doch in der Zutatenliste wird es Glukose-Fruktose-Sirup bzw. Fruktose-Glukose-Sirup oder auch Maissirup genannt. (Bildquelle: © iStock.com / Kwangmoozaa)