Gute Gene gemeinsam vererben

Mit CRISPR/Cas Crossing-over verhindern

28.09.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ertragreiche, widerstandsfähige Pflanzen sind das Ziel der Züchtung. Doch nicht immer gelingt es, verschiedene positive Eigenschaften gemeinsam zu vererben. Chromosomen-Umstrukturierung könnte dabei helfen. (Bildquelle: © iStock.com/Artur Plawgo)

Ertragreiche, widerstandsfähige Pflanzen sind das Ziel der Züchtung. Doch nicht immer gelingt es, verschiedene positive Eigenschaften gemeinsam zu vererben. Chromosomen-Umstrukturierung könnte dabei helfen. (Bildquelle: © iStock.com/Artur Plawgo)

Ertragreich, lecker, widerstandsfähig gegen Krankheiten – die Liste der Ansprüche an die perfekte Nutzpflanze ließe sich noch fortsetzen. Ziel der Pflanzenzüchtung ist es daher, möglichst viele positive Eigenschaften in einer Pflanze zu vereinen. Doch wenn die dafür verantwortlichen Gene auf einem Chromosom weit entfernt voneinander liegen, werden sie während der meiotischen Zellteilung häufig voneinander getrennt. Wissenschaftler:innen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben jetzt eine Methode entwickelt, mit der sich dieses Crossing-over verhindern lässt. Komplette Chromosomen können so quasi unverändert vererbt werden.

Um eine möglichst perfekte Nutzpflanze zu erhalten, muss man die positiven Gene zahlreicher unterschiedlicher Pflanzenlinien in einer vereinen. Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn die erwünschten Gene liegen oft weit voneinander entfernt im Genom und es ist schwierig, sie gemeinsam zu vererben. Wäre es daher nicht praktisch, die Chromosomen nach eigenen Wünschen umzustrukturieren und damit die Züchtung zu vereinfachen?

Genau diesen Ansatz verfolgt Holger Puchta, Professor für Botanik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit seiner Arbeitsgruppe. 2020 hat er bereits gezeigt, wie sich mit Hilfe von CRISPR/Cas große Abschnitte zwischen heterologen Chromosomen gezielt austauschen lassen (siehe hierzu: Armtausch zwischen Chromosomen). 

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Normalerweise erfolgt das Crossing-over, also der genetische Austausch von väterlichen und mütterlichen Eigenschaften während der Meiose, über die ganze Länge eines Chromosoms. Durch das Invertieren des größten Teils (gelb) des Chromosoms mit Hilfe der molekularen Schere CRISPR/Cas kann dieser Austausch nun auf die beiden äußersten Enden beschränkt werden (violett und blau).

Normalerweise erfolgt das Crossing-over, also der genetische Austausch von väterlichen und mütterlichen Eigenschaften während der Meiose, über die ganze Länge eines Chromosoms. Durch das Invertieren des größten Teils (gelb) des Chromosoms mit Hilfe der molekularen Schere CRISPR/Cas kann dieser Austausch nun auf die beiden äußersten Enden beschränkt werden (violett und blau).

Bildquelle: © Michelle Rönspies, KIT)

In einer neuen Studie demonstriert er jetzt, wie sich die Genschere auch dazu eignet, nahezu ein komplettes Chromosom zu invertieren – und damit dem Crossing-over zu entziehen. Das bedeutet, dass die Gene auf diesem Chromosom nahezu unverändert an die nächste Generation weitergegeben werden. „Unsere Arbeit ist natürlich zuerst eine ‚Proof-of-Concept‘-Studie, doch dass wir damit fast ein ganzes Chromosom genetisch stillschalten können, finde ich schon faszinierend“, sagt Puchta.

Crossing-over wird verhindert

Die WissenschaftlerInnen nutzten die Genschere CRISPR/Cas, um fast das gesamte Chromosom 2 von Arabidopsis umzudrehen. 17 Millionen Basenpaare, das entspricht neun Zehntel des Chromosoms, wurden invertiert. Lediglich die Enden, Telomere genannt, blieben in ihrer ursprünglichen Ausrichtung erhalten. „Mit Hilfe dieser Fragemente kann das Chromosom genauso wie die anderen Chromosomen auch an die nächste Generation weitergegeben werden und geht als Ganzes nicht verloren“, erklärt Puchta.

Dieses neue Chromosom 2 war nun nicht mehr zugänglich für das sogenannte Crossing-over während der Meiose. Bei diesem Vorgang, der in allen Zellen stattfindet, ordnen sich die homologen Chromosomen zunächst paarweise im Zellkern an. Einzelne Chromosomenarme überlagern sich, brechen auseinander und werden anschließend neu miteinander verknüpft. Dabei kann es passieren, dass erwünschte Gene fortan nicht mehr auf dem gleichen Chromosom liegen und somit auch nicht mehr gemeinsam vererbt werden können.

Anwendungen auch bei Nutzpflanzen möglich

Holger Puchta geht davon aus, dass die Technik auch bei Reis und Mais anwendbar ist, da hier bereits gezeigt werden konnte, dass größere chromosomale Inversionen mit Hilfe von CRISPR/Cas möglich sind.

Auch Pflanzen mit komplexen tetra- oder hexaploiden Chromosomensätzen wie Weizen oder Raps könnten mit Hilfe dieser Technik verbessert werden. „Es gibt viele Eigenschaften, die nur von einem Subgenom eingebracht werden, von daher kann die Anwendung dieser Technik durchaus sinnvoll sein“, sagt Puchta.


Quelle:
Rönspies, M. et al. (2022): Massive crossover suppression by CRISPR–Cas-mediated plant chromosome engineering. In: Nature Plants, (15. September 2022), doi: 10.1038/s41477-022-01238-3.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Ertragreiche, widerstandsfähige Pflanzen sind das Ziel der Züchtung. Doch nicht immer gelingt es, verschiedene positive Eigenschaften gemeinsam zu vererben. Chromosomen-Umstrukturierung könnte dabei helfen. (Bildquelle: © iStock.com/Artur Plawgo)