CRISPR/Cas hat den Dreh raus

Inversionen machen Chromosomenabschnitte wieder für Rekombination zugänglich

22.09.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Chromosomen sind in einer bestimmten Struktur angeordnete Makromoleküle aus DNA. Mittlerweile ist „Chromosome Engineering“ möglich. (Bildquelle: © iStock.com/BlackJack3D)

Chromosomen sind in einer bestimmten Struktur angeordnete Makromoleküle aus DNA. Mittlerweile ist „Chromosome Engineering“ möglich. (Bildquelle: © iStock.com/BlackJack3D)

Erst der Austausch längerer Chromosomenabschnitte, jetzt deren gezielte Inversion: Deutschen Pflanzenforschern ist es gelungen, mittels CRISPR/Cas einen Genom-Abschnitt umzudrehen und ihn so wieder für Rekombinationsereignisse und damit für züchterische Veränderungen zugänglich zu machen.

Mit der Entwicklung der Genomeditierungsmethode CRISPR/Cas sind gezielte Mutationen von Genomsequenzen zu einem Standardverfahren geworden. Deutsche Forscher haben gemeinsam mit niederländischen Kollegen die Methode nun weiterentwickelt: Nun sind auch gezielte Inversionen großer Chromosomenabschnitte möglich. Das birgt enormes Potenzial für die Pflanzenzüchtung.

Schnelle Abfolge von Fortschritten

Erst kürzlich hatte das Forschungsteam unter Beteiligung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und des Leibniz Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben einen revolutionären Fortschritt bei CRISPR/Cas vermeldet: Den ForscherInnen war es gelungen, längere Genomsequenzen zwischen heterologen Chromosomen auszutauschen. Nun berichten sie in Nature Communications, wie Genomabschnitte mit einer Länge von mehr als einer Million Basenpaare invertiert, also gedreht, werden können.

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Eine Inversion (links) bei der Ackerschmalwand (Hintergrund) lässt sich mit CRISPR/Cas rückgängig machen (Mitte), um den Austausch von Genen (rechts) im betroffenen Abschnitt wiederzubeleben.

Eine Inversion (links) bei der Ackerschmalwand (Hintergrund) lässt sich mit CRISPR/Cas rückgängig machen (Mitte), um den Austausch von Genen (rechts) im betroffenen Abschnitt wiederzubeleben.

Bildquelle: © Michelle Rönspies, KIT

Inversionen von Genomabschnitten treten im Verlauf der Evolution immer wieder auf und werden über lange Zeit stabil vererbt. Ursächlich sind zwei Brüche in einem Chromosom, bei deren Reparatur das herausgebrochene Stück „verkehrt herum“ wieder eingebaut wird. Weil die DNA-Sequenz in diesem Bereich nun in umgekehrter Richtung verläuft, können einige der betroffenen Gene ihre Funktion verlieren oder neue Gene entstehen.

Für die Pflanzenzüchtung ist jedoch ein anderer Aspekt noch bedeutsamer: „In invertierten Abschnitten kann bei der Vererbung kein Austausch von Genen zwischen homologen Chromosomen stattfinden“, erklärt der Molekularbiologe Holger Puchta vom KIT. Kreuzt also ein Züchter zwei Linien, von denen eine Linie eine Inversion aufweist, finden in diesem Chromosomen-Bereich keine Crossingover-Ereignisse statt. Damit sind bei den Nachkommen keine Neukombinationen von nützlichen Genen möglich – eine züchterische Sackgasse.

Inversion rückgängig machen

Bei der Ackerschmalwand-Akzession Columbia (Col-1) findet sich beispielsweise auf Chromosom 4 eine Inversion mit einer Länge von 1,17 Mio. Basenpaaren, genannt hk4S. In ihrer Studie haben die Forscher nun die Cas9-Nuklease aus dem Bakterium Staphylococcus aureus genutzt, um diese Inversion rückgängig zu machen. Um die Genaktivität im betroffenen Abschnitt nicht zu gefährden, wählten die Wissenschaftler die Bindungsstellen für Cas (die sogenannten Protospacer-Sequenzmotive) so, dass diese außerhalb von Genen liegen, aber nah an den Originalbruchstellen der Inversion. Zusammen mit einem Eizell-spezifischen Promotor transformierten die Forscher den Cas9-Vektor mit den gewählten Protospacer-Sequenzen in Arabidopsis thaliana Col-1.

So entstanden insgesamt 38 primäre Transformationslinien, die anschließend genetisch analysiert wurden. Am Ende konnten die ForscherInnen 14 Pflanzen der T3-Generationen identifizierten, in denen die jeweilige Reversion homozygot vorlag und der Phänotyp auch wieder dem Wildtyp entsprach.

Meist ohne Sequenzverlust

Anhand der molekularen Analysen ließ sich zeigen, dass die Inversionen in einigen Fällen exakt an den Originalstellen des historischen DNA-Doppelbruchs erfolgten. Bei anderen Linien war eine der beiden Inversionsstellen wenige Basen entfernt vom Originalbruch. In zehn der 14 Fälle erfolgte die Reversion ohne jeglichen Sequenzverlust. Innerhalb der erneut invertierten Sequenz gab es keinerlei Hinweis darauf, dass dieser DNA-Abschnitt Sequenzveränderungen aufweist.

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Anschließend kreuzten die Forscher die in den Experimenten entstandene homozygote Reversionslinie rknob-1 und Col1 jeweils mit der Arabidopsis-Linie Landsberg errecta (Ler-1), die keine Reversion enthält. Während mit Col-1 – wie erwartet – erneut keine Rekombination innerhalb des invertierten Chromosomenbereichs beobachtet werden konnte, fanden sich bei Kreuzungen mit der revertierten Linie drei unabhängige Crossover-Ereignisse.

Außerhalb dieses Chromosomenabschnitts wiesen beide Kreuzungen eine vergleichbare Rekombinationsrate auf. „Mit unserer jetzigen Arbeit haben wir zum ersten Mal gezeigt, dass wir dadurch Vererbungsvorgänge direkt steuern können. Wir konnten so genetische Austausche in einem Bereich erreichen, wo das bisher nicht möglich war“, resümiert Puchta. „Damit haben wir das „Chromosome Engineering“ endgültig als eine neue Art der Pflanzenzüchtung etabliert.“

Enormes Potenzial für die Pflanzenzüchtung

Zahlreiche Kulturpflanzenlinien weisen Inversionen auf und erschweren den Transfer bestimmter QTLs oder Resistenzmarker zwischen unterschiedlichen Kultivaren. Die nun möglich gewordene gezielte Reversion von Chromosomenabschnitten könnte solche Probleme beseitigen, hoffen die Forscher. Gleichzeitig könnten so auch Gene gekoppelt oder entkoppelt werden, bei denen das bislang nicht möglich war. Und das scheint noch nicht die Grenze der Chromosomeneditierung zu sein: Zuvor ist es dem Team bereits gelungen, mehrere Millionen Basen lange Abschnitte zwischen zwei Chromosomen gezielt auszutauschen. Auch das eröffnet der Pflanzenzüchtung gänzlich neue Möglichkeiten.


Quelle:
Schmidt, C. et al. (2020): Changing local recombination patterns in Arabidopsis by CRISPR/Cas mediated chromosome engineering. In: Nature Communications 11, 4418 (04. September 2020), doi: 10.1038/s41467-020-18277-z.

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Titelbild: Chromosomen sind in einer bestimmten Struktur angeordnete Makromoleküle aus DNA. Mittlerweile ist „Chromosome Engineering“ möglich. (Bildquelle: © iStock.com/BlackJack3D)