Höhere Pflanzenvielfalt = höherer Bioenergieertrag

26.07.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Biomasse kann in getrockneter und gepresster Form in modernen Verbrennungsanlagen energetisch genutzt werden. (Quelle: © iStockphoto.com/Dimitri Zimmer)

Biomasse kann in getrockneter und gepresster Form in modernen Verbrennungsanlagen energetisch genutzt werden. (Quelle: © iStockphoto.com/Dimitri Zimmer)

Grünlandbiomasse lässt sich auf verschiedenen Wegen energetisch nutzen. Ein deutsches Forscherteam fand nun heraus, dass die pflanzliche Diversität des Grünschnitts für den Energieertrag entscheidend ist: Der Ertrag der Grünlandflächen steigt mit zunehmender Artenvielfalt. Die Daten stammen aus dem größten Biodiversitätsexperiment Europas: dem Jena-Experiment.

Grünlandflächen sind Ökosysteme, deren Biomasse als Energiequelle genutzt werden kann - Nutzt man Biomasse zur Energiegewinnung, bezeichnet man diese daher auch als Bioenergie. Um die dort wachsenden Pflanzen energetisch zu verwerten, kann der Grünschnitt entweder in Biogasanlagen vergoren oder in getrockneter und fester Form - als Heupellets - verbrannt werden.

Wissenschaftler der Universitäten Kassel und Leipzig sowie der Technischen Universität München untersuchten an künstlich angelegten Flächen den Zusammenhang zwischen der pflanzlichen Diversität des Grünlands und dessen energetischer Eigenschaften.

Pflanzenvielfalt ist vorteilhaft für die Energieausbeute

Bei einer energetischen Nutzung von Grünlandflächen steigen die Menge an nutzbarer Biomasse und der Bruttoenergieertrag mit zunehmender Artenvielfalt. Das ist das Ergebnis des zweijährigen Experiments. Der Energieertrag von einem Hektar Grünland mit einer Artenvielfalt von ca. 60 Arten ist dabei etwa doppelt so hoch wie der Energieertrag auf der gleichen Fläche mit einem Bestand von nur vier Arten. „So kann auf einem Hektar extensiv bewirtschaftetem Grünland mit einer Artenvielfalt von rund 60 Arten pro Jahr ein Bruttoenergieertrag von etwa 42 MWh erzielt werden“, erklärt Prof. Dr. Michael Wachendorf, Leiter des Fachgebiets Grünlandwissenschaft und Nachwachsende Rohstoffe an der Universität Kassel, der an der Studie beteiligt war. 42 Megawattstunden (MWh) entsprechen 42.000 Kilowattstunden. Zum Vergleich: Ein Singlehaushalt verbraucht etwa 1.500 Kilowattstunden pro Jahr.

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Das Experiment beweist: Mit der Anzahl der Pflanzenarten steigt auch der Bruttoenergieertrag bei energetischer Nutzung.

Das Experiment beweist: Mit der Anzahl der Pflanzenarten steigt auch der Bruttoenergieertrag bei energetischer Nutzung.

Bildquelle: © PeterA / pixelio.de

Den höheren Bruttoenergieertrag in den artenreichen Parzellen führen die Forscher auf sogenannte Komplementäreffekte zurück. So können einige Arten positiven Einfluss auf das Wachstum und das Überleben anderer Arten nehmen. Auch werden das Ökosystem und die vorhandenen Ressourcen hier bestmöglich genutzt. Nischen werden eingenommen und ermöglichen so das nebeneinanderher Leben vieler verschiedener Arten mit unterschiedlichsten Bedürfnissen. 

Leguminosen sind wichtige Pflanzen im Ökosystem

Die dazu genutzten Proben zeigten den höchsten Energieertrag, wenn möglichst viele verschiedene Kräuter, Gräser oder Leguminosen-Arten auf der Grünlandfläche gewachsen waren. Vor allem Leguminosen haben einen positiven Effekt. Befanden sich Leguminosen in einer Parzelle, dann hatte der Grünschnitt einen höheren energetischen Ertrag. Dies folgt aus der Fähigkeit Stickstoff zu fixieren. Sie erhöhen dadurch die Fruchtbarkeit des Bodens. Davon profitieren auch die anderen Pflanzen auf der Grünlandfläche.

Das Jena-Experiment

Erforscht haben die Wissenschaftler diesen Zusammenhang im Rahmen eines Langzeitexperiments zum Thema Biodiversität: Dem Jena-Experiment, einem der derzeit größten Biodiversitätsexperimente in Europa. Unter experimentellen Bedingungen wird hier seit 10 Jahren der Einfluss von Biodiversität auf Ökosysteme untersucht.   

Im Jahr 2002 wurden dafür auf insgesamt 10 Hektar Fläche unterschiedlich heterogene Parzellen angelegt, d.h. die Anzahl an Arten pro Parzelle variiert: Es gibt Grasland-Parzellen mit 1 (Monokultur), 2, 4, 8, 16 und 60 verschiedenen Pflanzenarten, die in vier funktionelle Gruppen unterteilt werden können (Gräser, Leguminosen, kleine und große Kräuter).

Für die vorliegende Studie nahmen die Forscher zwischen 2008 und 2009 jährlich zwei Proben aus den unterschiedlichen Parzellen und testeten, welchen Effekt die Artenvielfalt auf den Energieertrag der Biomasse hatte. Sie erfassten das Trockengewicht, den Brennwert und analysierten die Proben chemisch. Wobei sie den Aschegehalt sowie den Gehalt an Kalium, Calcium, Magnesium, Stickstoff, Schwefel und Chlorid betrachteten.

Die Zukunft der Dauergrünlandflächen

Prognosen zufolge wird zukünftig ein erheblicher Teil der Dauergrünlandflächen in einigen Regionen Europas aufgrund sich ändernder Flächennutzung brachliegen – in Baden Württemberg betrifft dies bis zum Jahr 2015 voraussichtlich über ein Viertel des gesamten Grünlands, dass aufgrund züchterischen und technischen Fortschritts nicht mehr für die Tierfütterung gebraucht wird und somit ungenutzt bleibt (vgl. Rösch et al., 2007). Diese Flächen sind jedoch komplexe Ökosysteme, die vielfältige Funktionen erfüllen und deren Ökosystem-Dienstleistungen auch für den Menschen nützlich sind. So bieten sie nützlichen Bestäubern (wie z.B. Bienen) einen Lebensraum oder dienen dem Boden- und Wasserschutz. Um diese Ökosystem-Dienstleistungen zu erhalten und die Flächen auch künftig zu nutzen, stellt die energetische Verwertung eine sinnvolle Möglichkeit dar.

Die Verbrennung von Biomasse ist eine der Möglichkeiten, die anfallende Biomasse energetisch zu nutzen. Allerdings haben einige Stoffe (z.B. Chlor) umweltschädliche Wirkungen, wenn sie bei der Verbrennung freigesetzt werden. Um schädliche Emission einzudämmen schlagen die Forscher vor, die Biomasse vor der Verbrennung vorzubehandeln, d.h. die schädlichen Stoffe zu entfernen. Aber auch züchterisch könnten bei einer energetischen Nutzung nachteilig wirkende Inhaltsstoffe, wie z.B. Chlor, reduziert werden. Interdisziplinäres Arbeiten vorausgesetzt, ließen sich agronomisch- und nutzungsoptimierte Energiepflanzen züchten.


Quelle:
Khalsa, J., et al. (2012): Effects of functional groups and species richness on biomass constituents relevant for combustion: results from a grassland diversity experiment. In: Grass and Forage Science, online 22. Juni 2012, doi: 10.1111/j.1365-2494.2012.00884.x.

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