Keine Kerne – keine Ertragsprobleme
Präzisionszüchtung mit CRISPR/Cas ermöglicht parthenokarpe Tomate
Wissenschaftlern ist es gelungen, mit Hilfe von CRISPR/Cas samenlose Tomaten zu züchten. Diese Tomatenpflanzen produzieren Früchte, ohne von Insekten bestäubt werden zu müssen. Das stabilisiert den Ertrag der Pflanzen. Auch Hersteller von Tomatensuppen und -soßen freuen sich.
Wer gern Weintrauben isst, aber nicht auf bittere Kernen beißen möchte, der schätzt sie besonders: samenlose Früchte. Auch Bananen, Clementinen oder Wassermelonen findet man oft in einer kernlosen Variante.
Auch bei Züchtern sind solche Pflanzen gern gesehen. Erstens bleiben die Eigenschaften einer parthenokarpen Pflanzen über Generationen hinweg erhalten. Da die Pflanzen nicht über Samen, sondern, soweit möglich, über Stecklinge und Ableger vermehrt werden, gleichen die Nachkommen in Genotyp und Phänotyp ihren Eltern.
Zweitens stabilisiert Parthenokarpie den Ertrag auch bei schlechten Umweltbedingungen. Wenn z. B. aufgrund des Bienensterbens oder ungünstiger klimatischer Verhältnisse die Bestäuber ausbleiben, führt das bei herkömmlichen Pflanzen zu einem Ernteausfall. Parthenokarpe Pflanzen entwickeln jedoch trotzdem Früchte. Davon profitieren schlussendlich nicht nur Landwirte, sondern auch Verbraucher.
Jetzt fügt ein Forscherteam der Liste parthenokarper Pflanzen eine weitere Art hinzu: die kernlose Tomate (Solanum lycopersicum), erzeugt mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9. Es ist das erste Mal, dass es Wissenschaftlern gelungen ist, auf diese Weise eine parthenokarpe Pflanze zu generieren. Der Fachbegriff parthenokarp beschreibt Pflanzen, die ohne Bestäubung Früchte ausbilden und dann kernlos sind.
Kernlos und gut
Ein Schlüsselgen bei der Fruchtentwicklung von Tomaten heißt IAA9. Ohne IAA9 bildeten die Tomatenpflanzen weiterhin rote runde Früchte aus. Die Kerne im Fruchtfleisch aber fehlten.
Eine weitere Veränderung im Phänotyp betrifft die Blätter. Normalerweise haben Tomatenpflanzen gefiederte Blätter. Ist das Gen IAA9 stillgelegt, dann sind die Blätter jedoch ungeteilt. Diese Veränderung der Blattmorphologie hatte jedoch keinen Einfluss auf das Wachstum der Tomatenpflanzen.
Auch sonst gleichen die Pflanzen ihren Schwestern mit funktionalem IAA9. „Wir haben die Früchte noch nicht gekostet, aber sie sollten genauso schmecken“, sagt Kishi Osakabe, der die Studie geleitet hat.
Die Genschere ans Ziel lotsen
Um das Gen IAA9 auszuschalten, sollte CRISRP/Cas9 an diesen Genort präzise geleitet werden und durch einen Schnitt IAA9 inaktivieren. Dazu erzeugten die Wissenschaftler zunächst verschiedene guideRNAs (gRNAs) als „Gen-Lotsen“.
Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die gRNA mindestens 17 Basenpaare lang sein sollte, um zielgenau zu sein. Verwendet man längere gRNAs, kann die Zielgenauigkeit wieder abnehmen, sogenannte „off-target cuts“ finden statt. Denn umso länger die gRNAs ist, desto häufiger binden sie auch an Genombereichen, die nicht vollständig der eigenen Sequenz entsprechen.
Wie lang ist zu lang?
Für ihr Experiment testete die Arbeitsgruppe daher gRNAs mit 17, 18 und 20 Basenpaaren. Es zeigte sich, dass die gRNA mit 20 Basenpaaren die höchste Präzision und Effizienz hatte. Die Mutationsrate durch CRISRP/Cas9 im Bereich des Gens IAA9 betrug fast 100 Prozent.
Aus den so veränderten Zellen regenerierten die Forscher ganze Tomatenpflanzen. Bei beiden getesteten Tomatensorten, der Kirschtomatensorte Micro-Tom und der im Handel weit verbreiteten Sorte Ailsa Craig, trugen 30 bis 90 Prozent der somatischen Zellen die gewünschte Veränderung: ein defektes IAA9. Selbst die Pollen der Pflanzen trugen die Mutation in sich. Somit kann man die Parthenokarpie an die nächste Generation weitergeben.
Mangos ohne Kern? Ja bitte!
Doch ob die mit CRISPR/Cas9 erzeugten kernlosen Tomaten eines Tages den Weg auf unsere Teller finden, das hängt zu einem großen Teil davon ab, ob sie als gentechnisch veränderte Pflanzen bewertet werden oder nicht.
Frühere Versuche zur Erzeugung kernlosen Tomaten bedienten sich umständlicher gentechnischer Methoden. Auch durch die Applikation des Pflanzenhormons Auxin auf die unbestäubten Blüten lassen sich Tomaten zur Parthenokarpie anregen.
Die hier vorgestellte Methode besticht durch ihre Einfachheit und Effizienz. Sie könnte sich auch auf andere Pflanzen übertragen lassen. Welch schöne Vision. Wer träumt nicht davon, in Zukunft das saftige Mangofruchtfleisch nicht mehr vom Kern schneiden zu müssen oder Kirschen ohne Rücksicht auf Backenzahn-Verluste im Ganzen zu zerkauen. CRISPR/Cas könnte es ermöglichen.
Unterschiedliche Gründe für kernfreie Zone
Die kernlosen Pflanzen, die wir schon heute verzehren, haben ihre Samen auf ganz unterschiedlichen Wegen verloren. Die Weintraube Thompson Seedless beispielsweise ist nicht parthenokarp. Sie muss sehr wohl bestäubt werden, bildet erst dann Früchte und kleine Kerne aus – bevor die Kerne sich wieder zurückbilden.
Die Bananensorte Cavendish, die unsere Supermärkte dominiert, ist ebenfalls kernlos. Das liegt daran, dass sie ein triploides Genom hat und dadurch unfruchtbar ist. Auf Plantagen werden Bananenpflanzen daher durch Stecklinge vermehrt. Jede Staude ist ein Klon ihres Nachbarn.
Auch kernlose Wassermelonen sind triploid. Da diese Pflanzen aber durch Samen vermehrt werden müssen, greifen die Züchter zu einem Trick. Sie kreuzen herkömmliche diploide mit tetraploiden Pflanzen. Das Hybridsaatgut ist triploid – und damit unfruchtbar. Trotzdem müssen die Melonenblüten bestäubt werden, damit sie Früchte ausbilden. Und Züchter müssen jedes Jahr aufs Neue Hybridsaatgut generieren.
Quelle:
Ueta, R. et al. (2017): Rapid breeding of parthenocarpic tomato plants using CRISPR/Cas9. In: Scientific Reports Vol 7, (30. März 2017), doi: 10.1038/s41598-017-00501-4.
Zum Weiterlesen:
- Mit den richtigen Genen zu mehr Gusto – Das Geheimnis für mehr Tomatengeschmack steckt im Erbgut
- XXL-Tomate – Eine natürliche Punktmutation ebnete den Weg zu Tomaten in Übergröße
- Qualität von Tomaten durch fundierte Kenntnis der Gene verbessern
Titelbild: Ist die Biene bald arbeitslos? Parthenokarpe Tomatenpflanzen sind nicht mehr auf Bestäuber angewiesen. (Bildquelle: © iStock.com/ClaraNila)