Kraftloses Korn: Klimawandel verschlechtert Weizenqualität
Mit dem Klimawandel steigt der Kohlendioxidgehalt in der Luft. Eine erhöhte CO2-Konzentration lässt Weizen schneller wachsen. Dabei bleibt jedoch der Nährwert des Korns auf der Strecke. Dies ist ein Risiko für die globale Ernährungssicherheit und eine Aufgabe für die Züchtung.
Der Klimawandel wirkt sich auf vielfältige Weise auf die Pflanzenwelt und die Landwirtschaft aus. Erhöhte Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre können das Wachstum von Pflanzen und damit den Kornertrag steigern. Dadurch verschlechtert sich jedoch die Nahrungsqualität. Dies zeigt eine Studie, die 43 Feldversuche mit 17 verschiedenen Weizensorten aus vier Kontinenten auswertete.
Weizen ernährt die Welt
Weizen ist nicht nur in quantitativer Hinsicht die weltweit wichtigste Feldfrucht neben Reis. Das Korn ist auch besonders proteinreich. Weizen enthält mehr Proteine als jedes andere Getreide. Sie machen etwa 10% der Masse eines Weizenkorns aus. Der Eiweißgehalt ist der wichtigste Qualitätsaspekt von Kulturpflanzen. Er bestimmt den Nährwert von Getreide und ist damit neben dem Ertrag ein wichtiger Aspekt der Ernährungssicherheit. Auch die Backeigenschaften und die Verarbeitungsqualität werden maßgeblich durch den Proteingehalt bestimmt. Verschiedene Verarbeitungsrichtungen haben unterschiedliche Ansprüche an den Gehalt und die Zusammensetzung der Proteine. Verändern sich diese, hat dies Einfluss auf nachgelagerte Verarbeitungsprozesse.
Der Klimawandel reduziert den Nährwert von Weizen
Ein Ergebnis der Studie: Steigt der Kohlendioxidgehalt in der Luft, sinkt der Eiweißgehalt in den Weizenkörnern. Ein erhöhter CO2-Gehalt kurbelt die Photosynthese an und stimuliert das Wachstum von mehr Weizenkörnern. Die Forscher vermuten, dass die Stickstoffanreicherung mit der Zunahme der Weizenkörner nicht Schritt halten kann. Der Proteingehalt im Weizenkorn steht in direktem Zusammenhang zur Stickstoffverfügbarkeit der Pflanze. Bleibt der Proteingehalt in der Pflanze gleich, verteilt sich aber auf mehr Körner, kommt es zu einem „Verwässerungseffekt“. Wächst die Weizenähre durch erhöhtes CO2 um 10%, verringert sich der Proteingehalt der Körner um fast 8%. Wie dieser Effekt genau zustande kommt, ist noch wenig erforscht.
Unerwarteter Befund: CO2 behindert Stickstoffaufnahme
Wie die Forscher herausfanden, reduziert ein erhöhter Kohlendioxidgehalt den Proteingehalt von Weizen selbst dann, wenn der Weizenertrag gleich groß bleibt. Dies deutet darauf hin, dass Kohlendioxid einen negativen Einfluss auf die Fähigkeit der Pflanzen hat, Stickstoff anzureichern. Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass erhöhte CO2-Werte den Prozess unterbrechen können, mit dem Pflanzen das anorganische Stickstoffmolekül Nitrat in die Formen von Stickstoff umwandeln, die in Proteinen zu finden ist. Ein niedrigeres Niveau an Stickstoff führt somit zu einem geringeren Eiweißgehalt und damit zu einer schlechteren ernährungsphysiologischen Qualität des Weizens.
Ein generelles Phänomen
Die Wissenschaftler untersuchten weiterhin, ob die Effekte, die sie in Weizen nachgewiesen haben, auch in anderen Kulturen zu finden sind. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass reduzierte Stickstoff- und Eiweißgehalte als Folge einer erhöhten CO2-Konzentration eine allgemeine Antwort in Nutzpflanzen sind, die nicht einfach durch mehr Dünger ausgeglichen werden kann.
Eine Herausforderung für die Welternährung
Prognosen gehen davon aus, dass die CO2-Konzentration in der Luft in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen wird. Durch den Klimawandel könnte unsere wichtigste Nahrungspflanze Weizen damit an Nährwert verlieren. Dies wäre ein Risiko für die globale Ernährungssicherheut einer wachsenden Weltbevölkerung. In einigen Regionen der Welt könnte sich die Ernährungssituation stark verschlechtern. Neben den wachstumsfördernden Effekten von CO2, die den Proteingehalt pflanzlicher Nahrung „verwässern“, befürchten die Forscher in einigen Regionen hohe Ertragsverluste durch zeitgleich ansteigende Ozonwerte (O3). Die Forscher plädieren dafür, in Interaktionsexperimenten mögliche Wechselwirkungen erhöhter CO2- und O3-Konzentrationen auf die Erträge und die Qualität wichtiger Nutzpflanzen intensiver zu erforschen.
Studien und Zuchtprogramme sollten zudem untersuchen, inwieweit die Pflanzenzüchtung eine Entkopplung von Kornertrag und Proteingehalt erreichen kann und wie die Stickstoffanreicherung im Getreide bei erhöhtem CO2 stimuliert werden kann, um negativen Effekten einer Verwässerung des Nährwerts entgegenzuwirken. Da CO2 die Nitratassimilation in der Pflanze mindert, sollte zudem untersucht werden, ob und wie die Wahl des Düngers die Stickstoffanreicherung in der Pflanze beeinflussen kann. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit, das Zusammenwirken von Genen und Umweltfaktoren auf den Kornertrag und die Qualität wichtiger Nahrungspflanzen besser zu verstehen, um zukunftsfähige Nutzpflanzen zu züchten.
Quelle:
Pleijel, H.; Uddling, J. (2012): Yield vs. Quality trade-offs for wheat in response to carbon dioxide and ozone. Global Change Biology (2012) 18, 596–605, doi: 10.1111/j.1365-2486.2011.2489.x.
Zum Weiterlesen:
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Titelbild: Weizen könnte an Nährwert verlieren durch den Klimawandel. (Quelle: © Optograph / wikipedia.org; CC BY-SA 3.0).