Lang lebe die Quecke

Kommt die Graugrüne Quecke bald auf Acker und Teller?

03.09.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Prabin Bajgain begutachtet intermediäres Weizengras in der Pflanzschule in St. Paul, Minnesota, bevor es geerntet wird. (Bildquelle: © Prabin Bajgain)

Prabin Bajgain begutachtet intermediäres Weizengras in der Pflanzschule in St. Paul, Minnesota, bevor es geerntet wird. (Bildquelle: © Prabin Bajgain)

Bisher wachsen auf unseren Feldern nur einjährige Getreidesorten, wie Weizen, Roggen oder Gerste. Schon lange wird an der Domestizierung von mehrjährigen Getreiden geforscht, denn sie könnten die Landwirtschaft nachhaltiger machen. Jetzt kommt erstmals eine mehrjährige Pflanze auf den Markt, deren Samen als Nahrungsmittel zugelassen sind. Hat die Graugrüne Quecke das Zeug dazu, die Landwirtschaft zu revolutionieren?

Die Arbeitsabläufe in der Landwirtschaft werden von den Jahreszeiten bestimmt. Im Frühjahr wird das Saatgut ausgebracht. Im Herbst rattern schwere Mähdrescher über die Felder und ernten die Körner. Dann beginnt der Kreislauf von neuem. Immer wieder. Denn bisher wachsen auf unseren Feldern ausschließlich einjährige Pflanzen. Das Problem dabei ist: Sie bilden oft nur eher flache Wurzeln aus und können somit Nährstoffe und Wasser in tieferen Bodenschichten nicht erreichen.

Mehrjährige Pflanzen könnten dazu beitragen, die Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Deshalb wird bereits seit langem daran geforscht, mehrjährige Feldfrüchte als ertragreiche und krankheitsresistente Anbaupflanzen zu etablieren. Jetzt nimmt die Sache langsam Fahrt auf. Im August 2019 wurde eine Graugrüne Quecke (Thinopyrum intermedium) als erste mehrjährige Pflanze für die Nahrungsmittelproduktion zugelassen, wie vor kurzen in einem Fachjournal berichtet wurde.

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Die Graugrüne Quecke (Thinopyrum intermedium) ist eine mehrjährige Pflanze.

Die Graugrüne Quecke (Thinopyrum intermedium) ist eine mehrjährige Pflanze.

Bildquelle: © Dehaan / wikimedia.org / CC BY 3.0

Aufwändige Kreuzung von sieben Elternlinien

„Die Pflanze bietet große Vorteile für das Ökosystem, weil sie die Erosion von Boden und Wasser sowie die Nitratauswaschung reduzieren kann, während sie gleichzeitig mehr Kohlenstoff bindet“, erklärt James Anderson von der Universität Minnesota, der die Studie geleitet hat. Die Sorte heißt MN-Clearwater, ihre Samen und daraus hergestellte Produkte wie Bier, Brot, Müsli oder Kekse werden unter dem Markennamen Kernza® verkauft. Die Halme stellen außerdem ein gutes Futter für die Tierhaltung dar.

Die Graugrüne Quecke ist wesentlich größer als Weichweizen. Im ausgewachsenen Zustand sind ihre Halme etwa brusthoch. Die lange, dünne Ähre besteht aus zweireihig angeordneten Körnern, die jedoch nur etwa ein Fünftel so viel wiegen wie die dicken runden Weichweizenkörner. Ihre Wurzeln graben sich über drei Meter tief in den Boden ein – das ist etwa doppelt so tief wie die Wurzeln von einjährigem Weizen – und verzweigen sich auch viel stärker. Bisher war die Pflanze ausschließlich als Futtergetreide bekannt. Doch aufgrund ihrer großen Körner kam bereits in den 1980er Jahren die Idee auf, dass sie sich auch als Nahrungspflanze eignen könnte.

Für die Kreuzung wurden insgesamt sieben Elternlinien in mehreren Runden miteinander gekreuzt. Bei der Auswahl der besten Elternpflanzen lag der Fokus vorrangig auf hohem Kornertrag, geringer Spindelbrüchigkeit, einfachem Dreschen, vermindertem Umbrechen der Halme (was die Ernte erschwert) und einheitlicher Kornreife. Auch eine gute Krankheitsresistenz und kürzere Halme waren ein Ziel der Züchtung. „Die Entwicklung dieser Pflanze steckt noch in den Kinderschuhen, wir arbeiten erst seit 2011 daran“, berichtet Anderson.

Ertrag fällt im dritten Jahr ab

Feldversuche haben gezeigt, dass der Ertrag von MN-Clearwater in den ersten beiden Anbaujahren etwa 6,96 Dezitonnen pro Hektar beträgt. Zum Vergleich: Weichweizen liefert in Minnesota bis zu 53 Dezitonnen pro Hektar. Es ist also noch Luft nach oben. Im dritten Jahr fielen zudem die Erträge von MN-Clearwater drastisch, sie reduzierten sich durchschnittlich um 77 Prozent. Das liegt vermutlich daran, dass im dritten Jahr bereits so viele Nachkommen um Nährstoffe konkurrieren – die Pflanze vermehrt sich über Rhizome – dass im Endeffekt weniger Ähren mit weniger Körnern ausgebildet werden.

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Es sind also weitere Forschungsaktivitäten nötig, bevor die Graugrüne Quecke wirklich agronomisch interessant wird.

Es sind also weitere Forschungsaktivitäten nötig, bevor die Graugrüne Quecke wirklich agronomisch interessant wird.

Bildquelle: © iStock.com/valio84sl

Ein Schritt zur nachhaltigeren Landwirtschaft?

Das Getreide wird wegen der bestehenden Einschränkungen bisher nur von wenigen Farmern angebaut. Daher arbeiten die WissenschaftlerInnen weiter daran, die Pflanze zu optimieren. „Wir untersuchen dieses Phänomen und sind uns sicher, dass es zum Großteil durch weitere Züchtung und die richtigen landwirtschaftliche Methoden verhindert werden kann“, sagt Anderson. Denn aus südlicheren Gegenden wie Kansas ist so ein großer Ertragsverlust bisher unbekannt. In Zukunft wollen die WissenschaftlerInnen darauf achten, dass die Pflanzen sich langsamer vermehren, damit wenig Konkurrenz entsteht.

Um herauszufinden, ob der Anbau dieser mehrjährigen Pflanze wirklich so positive Effekte auf die Bodenbeschaffenheit und Wasserqualität hat, sollten jetzt auch begleitende Studien zu diesen Themen angestoßen werden.

Es sind also weitere Forschungsaktivitäten nötig, bevor die Graugrüne Quecke wirklich agronomisch interessant wird. „Wir glauben, dass sich weitere Verbesserungen schnell erreichen lassen, denn es gibt einen hohen Grad an genetischer Diversität und das Keimplasma lässt sich gut selektieren“, erklärt James Anderson. Um schnellere Fortschritte zu erreichen, könnte es hilfreich sein, in Zukunft auch abseits der langwierigen klassischen Züchtungsmethoden auf moderne Genomeditierungstechniken wie CRISPR/Cas zu setzen. 


Quelle:
Bajgain, P. et al. (2020): ‘MN-Clearwater’, the first food-grade intermediate wheatgrass (Kernza perennial grain) cultivar. In: Journal of Plant Registrations, (14. Mai 2020), doi: 10.1002/plr2.20042.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Prabin Bajgain begutachtet intermediäres Weizengras in der Pflanzschule in St. Paul, Minnesota, bevor es geerntet wird. (Bildquelle: © Prabin Bajgain)