Rapsprotein für die Lebensmittelproduktion
Das Projekt „RaPEQ“
Raps liefert neben Öl auch hochwertige Proteine. Damit ist Rapssaat ein aussichtsreicher Kandidat, um als heimische Rohstoffquelle pflanzliches Eiweiß für die Ernährung zu liefern. Doch noch gibt es Forschungsbedarf, bis Verbraucher:innen vegetarische oder vegane Produkte auf Basis von Rapsprotein in den Händen halten.
Vegetarische und vegane Produkte liegen im Trend und sind mittlerweile in jedem Supermarkt mit einem großen Sortiment vertreten. Für noch mehr Abwechslung und mehr Nachhaltigkeit auf unseren Tellern könnte ein heimischer Rohstoff sorgen, der bisher im Lebensmittelbereich ausschließlich als Öllieferant bekannt ist: Raps (Brassica napus). Das interdisziplinäre Verbundprojekt „RaPEQ“ hat sich zur Aufgabe gemacht, Rapssaat als Proteinquelle zu erschließen.
Raps ist eine klassische Ölpflanze mit einem Ölgehalt im Samen von ca. 40 Prozent. Nach dem Auspressen des Öls bleibt der sogenannte „Presskuchen“ zurück, der derzeit als Rapsextraktionsschrot an Tiere verfüttert wird. „Im Presskuchen sind stattliche 33 Prozent Protein enthalten. Dieses pflanzliche Eiweiß hat hohe Qualität. Es ist nicht nur, wie bisher, für Tiere einsetzbar, sondern wäre ein großer Gewinn für die menschliche Ernährung“, sagt Dr. Frank Wolter, derzeitiger Koordinator des RaPEQ-Projektes vom Züchtungsforschungsunternehmen NPZ Innovation.
„Ernährungsphysiologisch ist das Rapsprotein sehr hochwertig und teilweise dem Sojaprotein, das wir in der EU hauptsächlich importieren müssen, sogar überlegen. Aber es hat einen bitteren Beigeschmack, dessen Ursache wir in der ersten Phase des Projekts identifizieren konnten“, ergänzt Prof. Dr. Bernd Weisshaar, Projektkoordinator der ersten RaPEQ-Projektphase und Professor an der Universität Bielefeld. Die Projektbeteiligten forschen daran, diese Nachteile des Rapsproteins zu beseitigen und es für die menschliche Ernährung „hoffähig“ zu machen.
RaPEQ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“ gefördert. Die erste Projektphase lief von 2016 bis 2019. Im Jahr 2020 startete die zweite Projektphase, die noch bis 2023 läuft.
Die Projektpartner und Ziele
Am Projekt RaPEQ sind neben vier akademischen Partnern auch sechs Partner aus der angewandten Forschung und der Industrie beteiligt.
„Um Rapsprotein für die menschliche Ernährung nutzbar zu machen“, erklärt Weisshaar, „müssen wir, nachdem wir die störenden Geschmacksstoffe in der Proteinfraktion identifiziert haben, Wege finden, sie zu entfernen. Dazu kombinieren wir verschiedene Ansätze, von der Auswahl geeigneter Sorten über die Züchtung bis zur Optimierung der Proteinextraktion und technischen Verarbeitung.“
Das Vorgehen
Genetische Linienanalyse und Züchtung
Das Team hat zunächst zehn Rapslinien ausgewählt, die hohe Proteingehalte aufweisen. Die molekularen und genomischen Untersuchungen an den Linien ist Aufgabe von Forschern der Universitäten in Bielefeld, Gießen und Göttingen. Diese Arbeitsgruppen analysieren die Proteinzusammensetzung und nutzen genomische Ansätze, um Proteingehalt und -zusammensetzung zu optimieren.
Man weiß bereits, dass ein Hauptbestandteil von Rapsprotein Napin ist. „Durch Napin hat Raps einen Riesenvorteil, denn das Napin ist wasserlöslich – das ist relativ selten im Pflanzenreich und ein guter Ausgangspunkt für die Herstellung molkereiähnlicher Produkte und es schmeckt zudem süß“, beschreibt Wolter. Ein anderer Hauptbestandteil ist das wasserunlösliche Cruciferin. Je nach avisiertem Endprodukt für die Lebensmittelproduktion ist der eine oder andere Stoff nützlicher. Im Verlauf des Projektes soll das Verhältnis der beiden Proteine je nach Anwendungszweck optimiert werden.
Analyse und Geschmackstests: Bitterstoffen auf der Spur
Welche Stoffe sind nun für die bitteren Eigenschaften im Raps verantwortlich? Um das zu beantworten, nutzt die Gruppe an der TU München den Ansatz der „molekularen Sensomik“. Dafür trennen die Forscher chromatographisch die Einzelkomponenten der Rapsproteinfraktionen. Die Fraktionen werden geteilt. Ein Teil wird molekular analysiert und mit dem anderen werden Geschmacks- und Geruchs-Tests („Sensoriktests“) durchgeführt.
Gleich in der ersten Phase hat das Team den Stoff identifiziert, der hauptsächlich für den bitteren Geschmack verantwortlich ist. Es handelt sich um eine Substanz, bei der das Flavonoid Kaempferol über ein Disacchacharid mit einen Sinapinsäurerest verknüpft ist: Kaempferol 3-O-(2‴-O-Sinapoyl-β-sophorosid) oder kurz K3OSS. Dass es offenbar nur diesen einen Stoff gibt, der vorrangig für die Bitterkeit verantwortlich ist, ist ein Glücksfall und kann die Züchtung von Raps als Proteinlieferant für die Lebensmittelproduktion vereinfachen.
Um geschmackliche Akzeptanz zu finden, muss vorrangig der Bitterstoff aus der Proteinfraktion entfernt werden. Dazu werden folgende biologische und technische Ansätze verfolgt:
1. Große Raps-Populationen sollen mithilfe von genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) analysiert werden. Das Team sucht nach Raps-Sorten bzw. einzelnen Genotypen, in denen die störenden Stoffe einen geringeren Anteil haben. In diesen Genotypen werden Genomregionen („Loci“) identifiziert, die dazu beitragen können, die Bildung des Bitterstoffs zu unterdrücken.
2. Identifizieren der verantwortlichen Gene und deren Ausschaltung. Das geschieht mittels bestätigten Kandidatengenen und Kreuzung von Mutanten aus einer TILLING-Population.
3. Durch Optimierung der Proteingewinnung und -anreicherung sollen Bitterstoffe reduziert werden. Dabei arbeiten PPM, DIL und V-TE eng zusammen.
4. Zudem kann der bittere Geschmack auch durch Zugabe spezieller Substanzen im Lebensmittel maskiert werden, um Rapsproteine für Endkonsumenten attraktiv zu machen. Dieser Ansatz wird von der Symrise AG verfolgt.
Die Ergebnisse des Projektes sind die Grundlage für die Züchter zur Optimierung ihrer Rapssorten. Praktisch wird das vom Züchtungsforschungsunternehmen NPZ Innovation GmbH erprobt. Dabei soll sichergestellt werden, dass zukünftige Rapssorten nicht nur eine hochwertige Proteinfraktion enthalten, sondern auch die Ölmenge und -qualität dieser Sorten weiterhin hoch ist.
Optimierung der Proteinextraktion und technischen Verarbeitung
„Da Raps derzeit ausschließlich als Öllieferant genutzt wird, ist das ganze Aufbereitungsverfahren darauf ausgelegt, möglichst viel Öl aus dem Raps zu gewinnen. Leider zerstört der Prozess auch teilweise die Proteine und trägt mit zu den schlechten Eigenschaften des Rapspresskuchens bei“, erklärt Wolter. Die Aufbereitung muss daher angepasst werden, um möglichst viel gutes Protein zu erhalten, das für eine weitere lebensmitteltechnische Verarbeitung geeignet ist. Erst dadurch wird der Weg für Fleischersatzprodukte und molkereiähnliche Produkte aus Raps geebnet.
Dafür entwickelt der Projektpartner PPM schonende Verfahren für die Proteinextraktion. Das DIL kümmert sich anschließend darum, wie das gewonnene Protein weiter zu Lebensmitteln verarbeitet werden kann. Denn der neue Rohstoff muss an die lebensmitteltechnologischen Prozesse angepasst werden und umgekehrt.
Produktentwicklung
Seit Beginn der zweiten Phase von RaPEQ unterstützt die Rügenwalder Mühle das Projekt. Das Team will Wege finden, den neuen Rohstoff zu schmackhaften und konkurrenzfähigen Lebensmitteln zu verarbeiten.
Publikationen aus dem Projekt:
- Hald, C. et al. (2018): Kaempferol 3-O-(2‴-O-Sinapoyl-β-sophoroside) Causes the Undesired Bitter Taste of Canola/Rapeseed Protein Isolates. In: J. Agric. Food Chem., (7. Dezember 2018), doi: 10.1021/acs.jafc.8b06260.
- Schilbert, H. et al. (2021): Characterization of the Brassica napus flavonol synthase gene family reveals bifunctional flavonol synthases. Preprint available at https://www.biorxiv.org/content/10.1101/2021.06.30.450533v1
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Rapsgenom entschlüsselt - Eine ungewöhnliche Pflanze mit viel Potential
- Die Vielfalt von Raps - Forscher zünden nächste Raketenstufe
- Vom ersten Biss - Was sind eigentlich Esspflanzen?
- Auf den Geschmack gekommen - Spirulina-Algen als alternative Proteinquelle für mehr Nachhaltigkeit
Titelbild: Rapsschote: Raps ist eine klassische Ölpflanze. Das Öl befindet sich in den schwarzen Samen der reifen Rapsschoten und wird durch Pressen extrahiert. (Bildquelle: © NPZ)
PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie I & II“, „Nutzpflanzen der Zukunft“, „Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)“ und „Bioökonomie International“. Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030