Fahrplan zur Langlebigkeit

Mehrjährige Getreide könnten die Umweltbilanz der Landwirtschaft verbessern

27.03.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Weizen auf dem Feld: Das Getreide blickt auf eine jahrhundertelange Domestikation zurück. (Bildquelle: © Tama66/pixabay, CC0)

Weizen auf dem Feld: Das Getreide blickt auf eine jahrhundertelange Domestikation zurück. (Bildquelle: © Tama66/pixabay, CC0)

Mehr Ertrag, weniger Umweltbelastung – Forscher versuchen durch die Züchtung mehrjähriger Getreidesorten beides zu erreichen. Allerdings steht die Forschung hier noch am Anfang. Eine geeignete Grasart ist jedoch schon mal gefunden.

Die moderne Landwirtschaft befindet sich in einem Dilemma. Zum einen muss sie mehr Lebensmittel produzieren, zum anderen gerät sie wegen negativer Umweltwirkungen auch zunehmend in der Kritik. Daher suchen Wissenschaftler weltweit nach neuen Ansätzen für höhere Erträge bei einer gleichzeitig verbesserten Umweltbilanz. Der Anbau mehrjähriger Getreidesorten könnte ein solcher Weg sein, weil diese Pflanzen weniger landwirtschaftliche Pflege und Betriebsmittel wie zum Beispiel Pflanzenschutzmittel benötigen. In einer neuen Studie haben Forscher jetzt einen Fahrplan zur „Schnell-Domestikation“ eines mehrjährigen Süßgrases vorgestellt, das mit dem Weizen verwandt ist.

Der Anbau mehrjähriger Getreidesorten hat viele Vorteile

Die ehemals wilden Süßgräser (Poaceae), die wir heute als Kulturgetreide anbauen, sind ausnahmslos einjährige Arten. Sie keimen, blühen und fruchten innerhalb eines Vegetationszyklus und versprechen jedes Jahr eine gute Ernte. Aber: Durch die dadurch anfallenden landwirtschaftlichen Arbeiten (Pflügen, Düngen, das Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln) wird die Umwelt belastet.

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Wildwachsende Grasarten wie die Quecke könnten in Zukunft vielleicht zu ertragreichen Getreiden werden.

Wildwachsende Grasarten wie die Quecke könnten in Zukunft vielleicht zu ertragreichen Getreiden werden.

Bildquelle: © Matt Lavin/Flickr.com, CC-BY-SA 2.0

Mehrjährige Arten erfordern dagegen eine weniger intensive Landwirtschaft und sind somit prinzipiell nachhaltiger: Das Pflügen ist allenfalls vor der Aussaat nötig, aber nicht mehr in den Folgejahren. Das schont das Bodengefüge und nützliche Bodenbewohner wie Regenwürmer. Erosionsprozesse, die vielerorts die Bodenfruchtbarkeit bedrohen, können zudem verlangsamt werden. Die Pflanzen haben auch mehr Zeit, ein umfangreiches und leistungsstarkes Wurzelsystem auszubilden und so in Trockenzeiten besser zurechtzukommen.

Vom wilden Gras zum domestizierten Getreide

Aktuell gibt es jedoch noch keine mehrjährigen Getreidesorten, die sich für den landwirtschaftlichen Anbau eignen. Die Züchtung solcher Sorten wäre damit ein notwendiger nächster Schritt. Dafür könnte man entweder vorhandene Kultursorten mit mehrjährigen Wildarten kreuzen oder aus einer mehrjährigen Wildart ein neue Kulturpflanze formen. Einen geeigneten Kandidaten haben die Wissenschaftler bereits gefunden: Die Graugrüne Quecke (Thinopyrum intermedium) - eine wilde Verwandte des Weizens, die schon seit 1988 im Fokus der Forschung steht. Bisher liefert diese Pflanze trotz einiger Züchtungsanstrengungen nur etwa 20 Prozent des Ertrages von Weichweizen. 

Genome Editing und die Crux mit den vielen Chromosomensätzen

Etablierte Kulturgetreide wie Weizen haben eine weit mehr als tausendjährige Züchtungsgeschichte hinter sich. Zufällige Mutationen bei Einzelpflanzen haben die Anbaueigenschaften verbessert. Die Menschen haben sie gezielt für die weitere Saatgutproduktion ausgewählt (Auslese- oder Selektionszüchtung). Um die Quecke im Schnellverfahren mit den notwendigen Kulturpflanzeneigenschaften auszustatten, schlägt ein internationales Forschungsteam vor, dazu die neuen molekulargenetische Züchtungsmethoden wie Genome Editing einzusetzen.

Um hierbei gezielt vorgehen zu können, identifizierten die Forscher in ihrer Studie zunächst Schlüsselgene bei der Quecke, die mit wichtigen Kulturpflanzeneigenschaften in Verbindung stehen könnten: Dazu gehören Gene zur Steuerung der Samenreifung, der Stabilität der Ähre und der Samengröße. Diese Gene verglichen sie mit den entsprechenden Genen domestizierter Getreidearten wie Weizen (Triticum aestivum), Gerste (Hordeum vulgare) und Reis (Oryza sativa).

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Genome Editing könnte die Züchtung mehrjähriger Getreide möglich machen.

Genome Editing könnte die Züchtung mehrjähriger Getreide möglich machen.

Bildquelle: © PublicDomainPictures/pixabay, CC0

Dabei mussten sie sich einer besonderen Herausforderung stellen, denn die Graugrüne Quecke ist genau wie der Weichweizen hexaploid. Das bedeutet, dass beide Pflanzen, im Gegensatz beispielsweise zum Menschen, einen sechsfachen Chromosomensatz (Polyploidie) besitzen. Die daraus resultierende Vielzahl an Allelen und deren hohe Variabilität erschwert die Suche nach den entscheidenden Genen. 

Genetische Detektivarbeit

Die Forscher stießen bei ihren Vergleichsanalysen auf GARS7 und GW2 –  Gene, die beim Weizen die Korngröße bestimmen und ähnliche Gene auch bei der Quecke vorhanden sind. Bei Versuchen mit Weizen führen loss-of-function-Mutationen in diesen Bereichen zu größeren Körnern und damit höherem Ertrag. Daher gehen die Forscher davon aus, dass Knock-Out-Mutationen auch bei der Graugrünen Quecke einen ähnlichen Effekt haben könnten. 

Bei Analysen des Gerstengenoms stellte sich heraus, dass das Gen Btr1 zuständig für eine stabile Hauptachse der Ähre ist. Diese Eigenschaft ist bei Kulturgetreiden wichtig, damit die Samen nicht vor der Ernte bereits zu Boden fallen. Die Graugrüne Quecke besitzt jedoch mehrere Btr1-ähnliche Gene. Neun der von ihnen codierten Proteine weisen eine Übereinstimmung von über 50 Prozent mit dem Btr1-Protein in Gerstenpflanzen auf. Die Aufgabe besteht nun darin herauszufinden, welche dieser Quecken-Gene funktionsfähige Homologe von Btr1 sind, also einen signifikanten Einfluss auf die Stabilität der Ährenachse haben.

Ausblick

Moderne Genomeditierung könnte das richtige Werkzeug sein, um hier züchterisch weiter voranzukommen. Beispielsweise durch Multiplex-Editierung zur gleichzeitigen Ausschaltung von ganzen Allelfamilien im polyploiden Genom der Quecke oder zur Angleichung der Sequenzen einzelner Queckengene an die des Weizengenoms. Bis es ertragreiche, mehrjährige Getreidearten geben wird, wird aber noch einige Zeit ins Land gehen. Trotzdem: Betrachtet man die globalen Probleme eines stetig steigenden Lebensmittelbedarfs und der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft, scheint dies in jedem Fall ein lohnenswerter Ansatz zu sein.


Quelle:
DeHaan, L. et al. (2020): Roadmap for accelerated domestication of an emerging perennial grain crop. In: Trends in Plant Science, (05. März 2020), doi: 10.1016/j.tplants.2020.02.004.

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Titelbild: Weizen auf dem Feld: Das Getreide blickt auf eine jahrhundertelange Domestikation zurück. (Bildquelle: © Tama66/pixabay, CC0)