MAIN schützt pflanzliche Stammzellen

Neue, an Pflanzenarchitektur beteiligte Genfamilie entdeckt

08.08.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ist das Gen MAIN mutiert, sind die Blätter von Arabidopsis thaliana missgebildet, die Wurzeln verkürzt und die Pflanze ist weniger fruchtbar. (Quelle: © Vasiliy Koval / fotolia.com)

Ist das Gen MAIN mutiert, sind die Blätter von Arabidopsis thaliana missgebildet, die Wurzeln verkürzt und die Pflanze ist weniger fruchtbar. (Quelle: © Vasiliy Koval / fotolia.com)

An Trieb und Wurzelspitze einer Pflanze befinden sich Stammzellen, die sich nach und nach zu spezialisierten Zellen umwandeln und so zum Wachstum und zur Entwicklung der Pflanze beitragen. MAIN ist ein Gen in Arabidopsis, das offenbar die Stammzellen schützt.

Über eine Veränderung in der Pflanzenarchitektur sind einige unserer heutigen Nutzpflanzen gezielt entwickelt worden oder über viele hundert Jahre entstanden. Ein anschauliches Beispiel dafür ist unser heutiger Mais (Zea mays), dessen Vorfahre das Wildgras Teosinte (Zea parviglumis) ist. Nicht nur die Fruchtstände der beiden Pflanzen unterscheiden sich: Teosinte bildet keine Kolben mit mehreren Körnerreihen, sondern zwei Reihen dreieckiger Körner, die an einer dünnen Ährenachse sitzen. Auch die Architektur der Pflanzen ist unterschiedlich: Während Mais einen Stängel in der Mitte besitzt, an dem die Kolben wachsen, ist das Wildgras verzweigt und seine Ähren stehen jeweils in Büscheln zusammen. Das hat Vorteile für den Mais oder besser gesagt für den Mais als Nutzpflanze für den Menschen, denn die Ähren des Wildgrases wurden zu festen, bruchsicheren Kolben, an denen die Körner vielreihig angeordnet sind. Die holzig harte Schale um die Körner ist ebenfalls verschwunden und die Körner bleiben gut am Kolben haften, was den Ernteverlust minimiert.

Pflanzenarchitektur als Schlüssel

Trotz intensiver Forschung ist die molekularbiologische Organisation der Pflanzenarchitektur bisher nur ansatzweise verstanden. Obwohl es im Hinblick auf die wachsende Weltbevölkerung und die veränderten Ernährungsgewohnheiten der Menschen durchaus erstrebenswert wäre, die Pflanzenarchitektur hin zu sparsameren bzw. effizienteren Pflanzen züchterisch zu beeinflussen. Diesem Ziel sind deutsche Wissenschaftler nun ein Stück näher gekommen.

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Mais stammt vom Wildgras Teosinte ab und entwickelte sich erst im Laufe der Zeit zu einer Pflanze mit nur einem Stängel und festen Kolben mit vielen Körnern.

Mais stammt vom Wildgras Teosinte ab und entwickelte sich erst im Laufe der Zeit zu einer Pflanze mit nur einem Stängel und festen Kolben mit vielen Körnern.

Bildquelle: © fotandy / fotolia.com

Stammzellen in geschütztem Raum

Bei höheren Pflanzen befinden sich die Stammzellen in den Meristemen der Triebe und Wurzelspitzen. Diese beherbergen undifferenzierte Zellen, aus denen stetig neue Zellen für das postembryonale Wachstum und für die Entwicklung einer Pflanze entstehen. Die Stammzellen befinden sich dabei in einem geschützten Raum, wo biochemische Signale und physikalische Barrieren dafür sorgen, dass die Zellen in einem undifferenzierten, also nicht spezialisierten Stadium, verweilen.

Forscher der Friedrich Alexander Universität Erlangen, des Leibniz Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben und der Universität Hamburg haben nun eine bisher unbekannte, pflanzenspezifische Genfamilie entdeckt, die offenbar maßgeblich an Entwicklungsprozessen bei Pflanzen beteiligt ist. Die Wissenschaftler untersuchten in ihrer Studie eine bestimmte genetische Veränderung der Modellpflanze Arabidopsis thaliana. Pflanzen, die im Gen MAINTENANCE OF MERISTEMS (MAIN) mutiert waren, verfügten nicht mehr über diesen geschützten Raum für ihre Stammzellen. Die beschädigten Meristeme hatten zur Folge, dass die Stammzellen entweder frühzeitig ausdifferenzieren, sich also in spezialisiertes Gewebe umwandelten, oder sogar abstarben. Das äußerte sich in verkürzten Wurzeln, missgebildeten Blättern, verminderter Fruchtbarkeit und einer teilweisen Verbänderung der Stämme, bei der sich die Scheitelzellen eines Sprosses in zwei Gabelsprosse teilen.

Unbekannte Genfamilie entdeckt

Weitere Untersuchungen der Forscher zeigten, dass MAIN für ein Protein codiert, welches zu einer bisher nicht näher charakterisierten Genfamilie gehört. Ähnlich aufgebaute Proteine wurden bereits als an Transkriptionsfaktoren bindende Eiweiße eingestuft. MAIN scheint diesbezüglich keine Ausnahme zu bilden, da es sich im Zellkern befindet.

Die meisten der in MAIN mutierten Pflanzen reagierten sehr sensibel auf DNA-schädigende Stoffe. Außerdem wiesen die Forscher auch eine verstärkte Expression von DNA-Reparatur-Genen nach. Die Wissenschaftler fanden in den geschädigten Meristemen der mutierten Pflanzen außerdem viele tote Zellen. All diese Beobachtungen ließen sie schlussfolgern, dass das Gen MAIN offenbar für die reibungslose Aufrechterhaltung der Meristeme verantwortlich ist, indem das Protein das Erbgut der Stammzellen und deren Nachfolgerzellen intakt hält. Ob MAIN ausschließlich im Zellkern vorkommt und dort die Transkription bestimmter Gene mit-steuert oder evtl. auch am Chromatin-Umbau oder an der DNA-Replikation beteiligt ist, wollen die Forscher in weiteren Experimenten klären.

Die Entdeckung von MAIN und seiner Funktion in den Wachstumsorganen der Pflanze sind ein weiterer Schritt, wenn es darum geht, die Organisation der Zellen und damit der pflanzlichen Architektur besser zu verstehen. Dieses Wissen bildet die Grundlage zur weiteren Verbesserung von Kulturpflanzen oder zur möglichen Adaption von Wildpflanzen zu vollkommen neuen Kulturpflanzen.


Quelle:
Wenig, U. et al. (2013): Identification of MAIN, a factor involved in genome stability in the meristems of Arabidopsis thaliana. In: Plant J., Volume 75, Issue 3, pages 469–483, August 2013, doi: 10.1111/tpj.12215.

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